Medienschlacht um die SPD: In Wahrheit war es Satire
Die „Bild“ versucht seit einiger Zeit, der SPD an den Karren zu fahren. Dabei ist sie wahrscheinlich einem Fake der „Titanic“ aufgesessen.
Eigentlich ist Julian Reichelt ein schneller Twitterer. Doch diesmal ließ sich der Chef der Bild Zeit, um auf eine Debatte zu reagieren, die seit dem Morgen viel diskutiert wurde in den sozialen Medien. Die Titanic hatte vermeldet, die Bild sei auf eine ihrer Satireaktionen hereingefallen.
Am vergangenen Freitag hatte die Bild unter der Überschrift „Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD“ über Mails, die Kühnert von einem Russen namens „Juri“ aus St. Petersburg erhalten haben soll, berichtet. Juri soll Kühnert angeboten haben, ihn bei seinem Engagement gegen eine neue Große Koalition zu unterstützen, zum Beispiel mit Stimmungsmache bei Facebook. Kühnert soll sich interessiert gezeigt haben. Gegenüber der Bild dementierte ein Sprecher von Kühnert, dass er zu solchen Methoden greifen würde. Auch die Adresse, von der die Mails geschrieben worden sein sollen, soll nicht echt sein, zitiert die Bild die Jusos. Der Artikel kommt selbst zu dem Schluss: „Für die Echtheit der E-Mails gibt es keinen Beweis.“
Nun behauptet die Redaktion der Satirezeitschrift Titanic, sie habe der Bild die Mails untergeschoben. Auf ihrer Webseite veröffentlichte sie den gesamten Mailwechsel, den sie sich ausgedacht und einem Bild-Reporter zugesteckt haben will. Bei Twitter veröffentlichte die Titanic außerdem den Screenshot eines Mailwechsels mit einem Bild-Redakteur. Mehr Infos will sie in ihrem neuen Heft veröffentlichen, das am Freitag erscheint. Lanciert worden sei die Aktion unter anderem von Titanic-Onlineredakteur Moritz Hürtgen.
Ein Sprecher des Bild-Verlags Axel Springer sagte gegenüber der taz, man habe die Echtheit der anonym zugestellten E-Mails „immer deutlich in Frage gestellt und journalistisch eingeordnet“. Auslöser der Bild-Berichterstattung sei die Ankündigung der SPD gewesen, Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen. Das schrieb am Donnerstagnachmittag auch Bild-Chef Julian Reichelt bei Twitter und fügte hinzu: Natürlich dürfe Satire so etwas, aber sie versuche sich hier zu profilieren, indem sie journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren versuche. Der Autor des Artikels, twitterte Reichelt, sei aufgrund „seiner Erfahrung von Beginn an skeptisch“ gewesen.
Kevin Kühnert twitterte derweil ein Bild von Homer Simpson, der, einen Cocktail schlürfend, auf einer Luftmatratze im Wasser treibt. „Einfach genießen“, schrieb der Juso-Chef dazu.
Mit dem Segen der CDU
Am Montag hatte die Bild die Server-Daten der angeblichen E-Mail von Juri an Kühnert veröffentlicht und den „Cyber-Security-Professor Timo Kob“ dazu befragt. Kob, das muss man wissen, denn die Bild verschweigt es, ist Vorsitzender der Bundesarbeitsgruppe „Cyber-Sicherheit“ im Wirtschaftsrat der CDU. Gegenüber der Bild sagte er, die Daten zeigten, dass der Verfasser „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ jemand „mit Zugang zu Systemen der SPD“ sei.
Obwohl sich bisher nicht eindeutig beweisen lässt, dass die Titanic die Mails tatsächlich gefälscht hat, vermeldeten Journalisten anderer Medienhäuser die Behauptung bereits als eindeutige Wahrheit. „‚Titanic‘ legt ‚Bild‘ rein“, titelte der Tagesspiegel. „‚SPD-Schmutzkampagne‘ war eine Satire-Aktion der Titanic“, schrieb der Branchendienst Meedia, „‚Titanic‘ foppt ‚Bild‘ mit angeblichen Russlandmails“, Spiegel Online. Ex-Spiegel-Reporter Cordt Schnibben twitterte: „Wer hinter den Fake News der @Bild steckt, nicht @janboehm sondern @titanic“.
Gegenüber der FAZ sagte Titanic-Redakteur Moritz Hürtgen, er hätte sich die Aktion ausgedacht, weil die Bild derzeit eine „Anti-SPD-Kampagne“ fahre. Die Zeitung hatte in den vergangenen Wochen immer wieder in schrillem Ton über die SPD berichtet. Weil die SPD auch Ausländer als Mitglieder hat, titelte die Zeitung am 7. Februar: „Ausländer dürfen über deutsche Regierung abstimmen.“ Bild-Chef Julian Reichelt kommentierte, das sei „unanständig“ und schade „unserer Demokratie“. Am vergangenen Dienstag schleuste die Bild die Hündin „Lima“ in die SPD ein, um deren Mitgliederentscheid zu entlarven. Die SPD warf der Zeitung „grobe Verstöße gegen die Grundsätze der journalistischen Ethik“ vor und wandte sich an den Presserat.
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