Medienpolitik in Österreich: Zuckerl als Belohnung
Das Innenministerium wies die Polizei an, mit kritischen Medien nur das Nötigste zu reden. Minister Kickl ruderte zurück, aber nicht so richtig.
Kickl putzte sich an seinem Pressesprecher, dem angeblichen Alleinautor der Mail, ab: „Die Formulierungen bezüglich des Umgangs mit ‚kritischen Medien‘ finden nicht meine Zustimmung“, so ein knappes Kommuniqué. Tags darauf im Parlament, wo sich Kickl einer dringlichen Anfrage zu der Affäre stellen musste, war er wieder ganz der Alte: bar jeder Einsicht und trotzig offensiv. Die umstrittene E-Mail sei das „Gegenteil von Zensur“. Er denke nicht daran, sie zu widerrufen.
Kickl, ehemals Medienstratege der FPÖ und Dichter holpriger Wahlkampfslogans wie „Daham statt Islam“, hat in seiner knapp zehnmonatigen Amtszeit als Innenminister die Geschäftsgrundlage der FPÖ, nämlich „Ausländer = Gefahr“, zum bestimmenden Thema seines Ressorts gemacht. Medien, die da nicht mitziehen, werden bestraft. Namentlich werden in der E-Mail an die Polizeibehörden die Tageszeitungen Der Standard und Kurier sowie die Wochenzeitung Falter genannt.
Medien, die kooperieren, also die Arbeit des Ministeriums in vorteilhaftem Licht darstellen, sollen mit „Zuckerln“ verwöhnt werden. Florian Klenk, Chefredakteur des Falter, sieht die Pressefreiheit unter Druck: „Das Bedrohliche ist für mich weniger die Einschränkung der Pressefreiheit der kritischen Medien, sondern die ostentative Belohnung der willfährigen Medien.“
Kickl spielt gern Rambo
Der schmächtige Brillenträger Kickl spielt gerne den Rambo, der bei Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern keine Gnade kennt. Sein Webauftritt ist voll gepflastert mit Bildern, die die Gefahr durch Migration und Flüchtlinge in den grellsten Farben darstellen. Höhepunkt war ein nachgespielter Ansturm von Flüchtlingen auf einen Grenzzaun: Polizeischüler mit Kapuzen mussten rabiate Asylbewerber mimen. Eine „Inszenierung“ des Ausnahmezustands, sagt Falter-Chefredakteur Klenk. Kickls Fachreferent für operative Kommunikation ist Alexander Höferl, Ex-Chefredakteur des ultrarechten Onlineportals unzensuriert.at.
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Florian Klenk ist überzeugt, dass Kickls Mitarbeiter angehalten werden, Informationen, die die Gefährlichkeit von Ausländern nachweisen sollen, gezielt in die Öffentlichkeit zu bringen und jene Journalisten zu bevorzugen, die sich brav verhalten. Dass Mitarbeiter der Pressestelle auf Anfragen nicht reagieren, hatte er bisher als Mangel an Professionalität gedeutet: „Vorher hatten die dort Profis.“ Aber die E-Mail habe offengelegt, dass das Strategie sei: „Es werden Parteiinteressen mit denen des Ministeriums vermischt.“
Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich schnell und deutlich vom Zensurversuch seines Innenministers distanziert. Im Grunde zeigt sich aber die gesamte österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ bemüht, die Presse so weit wie möglich zu manipulieren. Ein Werkzeug dafür ist das Schalten oder der Entzug von Werbeanzeigen. Die Regierung versucht sich aber auch in professioneller message control: Regelmäßig werden Themen platziert, über die Medien berichten sollen.
Zwischen professioneller Pressearbeit und Falschmeldung liegt manchmal aber nur ein schmaler Grat. So wurde im Juni in einem groß inszenierten Auftritt von Kanzler und Vizekanzler die Schließung von sieben Moscheen verkündet. Die Botschaft: Die Regierung tut etwas gegen islamistische Hassprediger. Wenig später stellte sich heraus, dass diese Moscheen wegen verwaltungstechnischer Mängel und nicht wegen der politischen Tendenz der Imame geschlossen wurden und im Übrigen schon wieder geöffnet sind. „Wir sind alle drauf reingefallen“, sagt Klenk selbstkritisch.
FPÖ will Rundfunkgebühren abschaffen
Ähnlich die groß angekündigte Zusammenlegung der regionalen Sozialversicherungsinstitute, die „in fünf Jahren eine Milliarde Euro“ einsparen werde. Experten rechneten aus, dass in acht Jahren maximal halb so viel möglich sei. In den internen Berechnungen der Regierung steht die Zahl 33 Millionen. Der unabhängige Presserat hat den Medien daher im August geraten, „Regierungsinformationen zu hinterfragen und auf ihre Korrektheit zu prüfen“. Anlass war eine grob manipulierte Meldung über Privilegien und Dienstwagen in der Sozialversicherung, die ein Durchgreifen rechtfertigen sollte.
Otmar Lahodynsky, Präsident der Europäischen Journalistenvereinigung (AEJ), hatte früher aus dem eigenen Land nie Verstöße gegen Pressefreiheit zu melden: „Heuer waren es schon drei oder vier.“ Er erinnert daran, dass Herbert Kickl einmal mit Hausdurchsuchungen bei investigativen Journalisten drohte. Norbert Steger von der FPÖ, dem im April die ORF-Berichte über Ungarns Viktor Orbán zu kritisch war, wünschte sich eine Reduzierung der Auslandskorrespondenten. Wenig später wurde er zum Vorsitzenden des Stiftungsrates, also der ORF-Aufsicht, gewählt.
Der ORF, auch gerne als „Rotfunk“ verunglimpft, ist vor allem für die FPÖ ein Hassobjekt. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache musste vor Gericht zurückstecken, nachdem er über soziale Medien eine Fotomontage verbreitete, in der er die Öffentlich-Rechtlichen als Ort bezeichnet, „wo Lügen zur Wahrheit werden“. Die FPÖ setzt sich vehement für die Abschaffung der Rundfunkgebühren ein. Strache fühlt sich am besten von Servus-TV verstanden, dem Privatsender des Red-Bull-Milliardärs Dietrich Mateschitz.
Seit die FPÖ wieder in der Regierung sitzt, sind Inserate der Ministerien in Richtung Gratiszeitungen und rechtslastiger bis rechtsextremer Publikationen verschoben worden. Innenminister Kickl sucht sogar Anwärter für die Polizeiausbildung vorrangig in solchen Medien wie Wochenblick, Info-direkt und alles roger. Otmar Lahodynsky von der Europäischen Journalistenvereinigung fürchtet sich jetzt schon vor der nächsten Generation von Polizisten, wenn sie in diesem Milieu rekrutiert werden: „Man muss sich echt Sorgen machen.“
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