#MeToo in Venezuela: Abruptes Erwachen

In Argentinien und Venezuela gehen Missbrauchsopfer an die Öffentlichkeit. Ein Tweet einer zur Tatzeit 16-Jährigen hat eine Bewegung ausgelöst.

Demonstrantinnen zum Internationalen Frauentag in Caracas, Venezuela

Protest zum Internationalen Frauentag am 8. März in Caracas, Venezuela Foto: Leonardo Fernandez Viloria/reuters

BUENOS AIRES taz | Vergangenen Donnerstag sprang der venezolanische Schriftsteller Willy McKey in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires aus einer Wohnung im neunten Stock in den Tod. Wenige Stunden zuvor hatte er sich auf seinem Twitter-Account für den sexuellen Missbrauch entschuldigt, der ihm von einer zur Tatzeit 16-Jährigen in den sozialen Medien vorgeworfen worden war.

Nach Angaben der Polizei in Buenos Aires lag gegen den 41-Jährigen ein internationaler Haftbefehl vor. Unter dem Namen Pía hatte das Opfer den Schriftsteller beschuldigt. McKey sei damals 20 Jahre älter gewesen als sie. Als eine Art intellektueller Mentor für Literatur und Theater habe er sich ihr angenähert, nur um letztlich Sex mit ihr zu haben.

Ermutigt von Pías Tweet berichteten andere Frauen ebenfalls, sie seien von McKey belästigt worden, stets mit den Versprechungen, sie mit Persönlichkeiten aus dem Kulturbetrieb bekannt zu machen.

Seit gut einer Woche häufen sich in den sozialen Medien die Vorwürfe sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen gegen venezolanische Persönlichkeiten aus den Bereichen Musik, Kunst und Unterhaltung. Unter dem Hashtag #YoSiTeCreoVzla (Ich glaube dir, Venezuela) sammelt eine „soziale Bewegung gegen Gewalt, Belästigung und sexuellen Missbrauch“ auf Twitter Beiträge, Kommentare, aber auch weitere Anschuldigungen.

„Viele VenezolanerInnen sind sich einig, dass es schon früher Beschwerden gab, aber ihnen wurde bisher kaum Bedeutung beigemessen, bis heute, bis das abrupte Erwachen kam“, heißt es dort.

Ermittlungen in mehreren Fällen

In vielen Kommentaren ist denn auch das Aufatmen darüber spürbar: „Ich hatte nie Zweifel, dass #MeToo irgendwann nach Venezuela kommen würde“, twitterte die venezolanische Feministin Luisa Kislinger. „Diejenigen, die jetzt um „Vergebung“ bitten, wissen, dass dies nicht die Verantwortung für die begangenen Verbrechen ersetzt“, fügte sie hinzu.

Inzwischen hat Venezuelas Generalstaatsanwalt Tarek William Saab in mehreren Fällen strafrechtlichen Ermittlungen aufgenommen, auch gegen Willy McKey. Zugleich bat der Generalstaatsanwalt die möglichen Opfer, sich mit seiner Behörde in Verbindung zu setzen.

Aber statt sich vertrauensvoll an den treuen Diener des chauvinistischen Regimes von Präsident Nicolás Maduro zu wenden, gehen die meisten Missbrauchsopfer weiter über die sozialen Medien an die Öffentlichkeit.

So auch im Fall des Sängers Alejandro Sojo von der Rockband Los Colores. Unter #AlejandroSojoEstupro häufen sich gegenwärtig die Anschuldigungen. Sojo hat seine Schuld bereits öffentlich eingestanden.

„Ich werde jedes meiner Opfer persönlich ansprechen, um mein tiefes Bedauern auszudrücken und um in der Lage zu sein, zumindest das Herz um Vergebung zu bitten, obwohl man versteht, dass dies den verursachten Schaden nicht reparieren wird“, schrieb der in Buenos Aires lebende Sänger auf Instagram. Gegen ihn wird ebenfalls ermittelt. Unklar ist, ob in Argentinien bereits ein internationaler Haftbefehl vorliegt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.