Maurice Höfgen Was kostet die Welt?: Wenn es für Verteidigung ein Sondervermögen geben kann, warum dann nicht auch für Bildung?
Andere Länder leben davon, wertvolle Rohstoffe unter der Erde zu haben – Öl, Gas, seltene Erden. Deutschland kann das nicht. Deutschland lebt von klugen Köpfen und fleißigen Händen. Nur gehen davon viele bald in Rente und scheiden aus dem Arbeitsmarkt aus. Und zwar deutlich mehr als junge Menschen nachrücken.
Bis 2036 verlassen nach Schätzungen des Instituts für Wirtschaft 19,5 Millionen Babyboomer den Arbeitsmarkt, aber nur 12,5 Millionen kommen nach. Um das Minus von 7 Millionen Arbeitskräften zu kompensieren, muss die junge Generation also noch klüger oder noch fleißiger sein – und ohne Einwanderung geht es ohnehin nicht. Andernfalls droht ein großer Wohlstandsverlust.
Deshalb müssten wir in die wohl wichtigste Grundlage investieren: gute Bildung. Von der Kita bis zur Berufsschule und zur Uni. In einer alternden Wissensgesellschaft müssten Bildungseinrichtungen eigentlich die modernsten Gebäude in jeder Stadt sein. Personell technisch bestens ausgestattet.
Die Realität ist allerdings das genaue Gegenteil. Hunderttausende Kitaplätze und Ganztagsplätze in Grundschulen fehlen, es gibt zu wenig Lehrer und Sozialarbeiter, die Dächer sind marode und Turnhallen sowieso. Dieser Zustand ist nur die logische Konsequenz von zwei Jahrzehnten ausgebliebener Investitionen – generell in die öffentliche Infrastruktur, aber eben besonders in Bildung. Im Schnitt investieren die westlichen Industrieländer der OECD rund 5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Bildung, die skandinavischen Länder sogar bis zu 7 Prozent. Deutschland investiert dagegen nur zwischen 4,2 und 4,6 Prozent.
Dabei lohnen sich öffentliche Investitionen in Bildung, und zwar richtig. Bessere Bildung fördert Produktivität, Löhne und Konsum, was für den Staat letztlich auch mehr Steuereinnahmen bedeutet. Auch der Wachstumsfaktor ist enorm – nach etlichen Studien bringt jeder investierte Euro in Bildung 2 bis 3 Euro an Wachstum.
Zum Vergleich: Der Wachstumseffekt für Verteidigungsausgaben ist deutlich geringer, das haben die Ökonomen Tom Krebs und Patrick Kaczmarczyk für die Universität Mannheim errechnet. Ein zusätzlicher Euro für militärische Ausgaben erzeuge bestenfalls 50 Cent zusätzliche gesamtwirtschaftliche Produktion, möglicherweise aber gar keinen, sagen die Forscher. Die Wirtschaft mit Militarisierung anzukurbeln, sei daher eine „riskante Wette“, erst recht im Vergleich zu Investitionen in Bildung und Infrastruktur, die das vier- bis sechsfache an Wirtschaftsleitung brächten.
Da stellt sich die Frage: Wenn es für Verteidigung ein Sondervermögen und eine Ausnahme von der Schuldenbremse geben kann, warum dann nicht auch für Bildung? Moderne Schulen würden sich im Vergleich zu Kampfjets und Granaten sogar ökonomisch rechnen.
Maurice Höfgen, 28, ist Autor und Ökonom. Hier überlegt er einmal monatlich, wie sich wirtschaftliche Utopien umsetzen ließen.
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