Mathias Döpfner knüpft EU-Pakt: Verdächtige Brieffreundschaft
Nach dem „offenen Brief“ von Mathias Döpfner an Ursula von der Leyen gegen die Macht der Tech-Konzerne reagiert die EU-Kommission verdächtig schnell.
H erzlich willkommen bei Medienpolitik für Anfänger! Heute geht es um die Frage, wie man das ganz große Rad dreht. Eure Aufgabe: die EU dazu bewegen, Google, Facebook & Co in die Schranken zu weisen. Mit dem Ziel, deren Nutzung persönlicher Daten möglichst weitgehend einzuschränken. Wie gehen wir vor?
Zunächst einmal holen wir ein Instrument aus dem Schrank, das in digitalen Zeiten auf den ersten Blick ein bisschen angestaubt wirkt. Die Rede ist vom „offenen Brief“. Macht natürlich keinen Sinn, wenn den irgendwer schreibt, es muss sich um eine Persönlichkeit von gewisser Größe handeln. Also brauchen wir Mathias Döpfner. Der ist Vorstandschef bei Axel Springer und Vorsitzender des Verlegerverbands BDZV. Außerdem hat er mit Bild und Welt ja noch zwei Zeitungen am Start, in denen so ein Brief viel offener transportiert wird als mit der gelben Post.
Also schreibt Döpfner Ende Januar sehr lesenswerte 15.000 Zeichen an die „verehrte Frau Kommissionspräsidentin“ in die Welt hinein. Beeindruckend, nach gerade mal zwei Tagen kommt der – ebenfalls offene – Antwort-Brief. Was für ein Zufall! Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens Schreiben bleibt zwar ein Drittel kürzer als Döpfners Depesche, ist aber sehr detailliert.
Wer sich ein bisschen mit den Abläufen in der EU-Kommission auskennt, weiß, dass so eine abgestimmte Rückmeldung üblicherweise Wochen dauert. Döpfner bekommt auch in fast allen Punkten recht. Weshalb anzunehmen ist, dass Brüssel mindestens seit Jahresanfang an der Antwort auf den völlig überraschenden Brief aus Berlin feilt.
Digitales Pow-Wow
Und von der Leyen verwandelt die Vorlage sicher. Welch Zufall! Endlich kann nochmal im Detail aufgezählt werden, wo die EU Gutes tut. „Lieber Herr Döpfner, Sie sehen: wir sind längst dabei, die Chance Europas zu nutzen. Denn in der Tat: Europa dient seinen Bürgerinnen und Bürgern. Das gilt in der analogen Welt. Und das gilt auch online. Ohne Einschränkungen.“
Und damit das auch im föderalen Deutschland ankommt, folgte Montag der dritte Akt. Da lud die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum digitalen Pow-wow im Netz. Das Ganze hieß „Fachgespräch digital – Medien und Demokratie“. Mit dabei war natürlich (Zufall!) Mathias Döpfner, der wieder Verbündete im Kampf für selbstbestimmte Daten sammelte.
Am Ende können alle behaupten, am ganz großen Rad mitzudrehen. Vor allem die Union, die so tut, als könnte sie ausnahmsweise mal Medienpolitik für Fortgeschrittene. Dabei ist das Ganze bislang nur eine Brieffreundschaft von Gleichgesinnten. Google hat übrigens nicht mal ’ne digitale Postkarte mit Dank für die gelungene Inszenierung zurückgeschickt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Bisheriger Ost-Beauftragter
Marco Wanderwitz zieht sich aus Politik zurück