Maßnahmen gegen Coronavirus: Keine Schule, keine Küsse
Italien schließt alle Schulen und Universitäten und warnt vor zu viel menschlicher Nähe. Das deutsche Hotelgewerbe sorgt sich um den Umsatz.
Das geht aus einem entsprechenden Dekret hervor, das Ministerpräsident Giuseppe Conte am späten Mittwochabend unterzeichnete. Bisher waren vor allem in Norditalien die Schulen geschlossen, weil das Virus dort besonders umgeht. In dem Land haben sich bisher rund 3100 Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert, 107 starben an der durch den Erreger verursachten Krankheit Covid-19.
Die Präsidentin der deutschen Kultusministerkonferenz hält ein vergleichbares Vorgehen hierzulande nicht für nötig. Auch eine Verschiebung der Ferientermine sei kein Thema, sagte Stefanie Hubig der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag).
In Teilen Griechenlands sollen Schulen zumindest vorübergehend geschlossen werden. Das Gesundheitsministerium kündigte am Mittwochabend Sofortmaßnahmen für zwei Regionen auf der Halbinsel Peloponnes sowie die Insel Zakynthos an. Für 48 Stunden sollen Schulen, Theater, Kinos und archäologische Stätten dort geschlossen bleiben. Grund ist eine griechische Reisegruppe – die 56 Touristen hatten Israel und Ägypten besucht, nach ihrer Rückkehr war ein 66 Jahre alter Teilnehmer an Covid-19 erkrankt.
Keine Küsse mehr wegen Coronavirus
Italiens Regierungschef rief die Menschen dazu auf, Distanz von mindestens einem Meter zu halten, auf Umarmungen und Küsschen zu verzichten. „Wir sind ein starkes Land. Ein Land, das nicht aufgibt“, sagte er in einer Videobotschaft. „Wir sitzen alle im gleichen Boot.“ Die allermeisten Menschen würden wieder genesen.
Der Grund für drastische Maßnahmen wie Schulschließungen sei, die Versorgung aller Patienten in Kliniken zu garantieren. Wenn die Zahl der Ansteckungen rapide steige, könne eine Versorgung derer, die Intensivmedizin benötigten, nicht gewährleistet werden. Nicht nur Schulen, Kindergärten und Universitäten werden geschlossen. Auch Sportveranstaltungen jeder Art, darunter Fußballspiele der Ersten Liga, müssen ohne Publikum ausgetragen werden.
In China sind der Lungenkrankheit Covid-19 weitere 31 Menschen zum Opfer gefallen. Wie die Pekinger Gesundheitskommission am Donnerstag mitteilte, wurden alle neuen Opfer in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei registriert, wo das neuartige Coronavirus ursprünglich in der Millionenmetropole Wuhan ausgebrochen war. Zudem kamen 139 neu bestätigte Infektionen mit dem Erreger hinzu.
Mehr als 3.000 Menschen sind auf dem chinesischen Festland bislang an dem Virus gestorben. Von insgesamt 80.409 Infizierten wurden nach offiziellen Angaben bislang 52.045 geheilt. Weltweit sind mittlerweile über Infektionen bestätigt.
Höhepunkt noch nicht erreicht
In Deutschland setzt die Politik weiter auf eine Eindämmung der Erkrankung. Man müsse sich auf weiter steigende Fallzahlen einstellen, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. „Der Höhepunkt der Ausbreitung ist noch nicht erreicht.“ Der Erreger Sars-CoV-2 ist mittlerweile in allen Bundesländern außer in Sachsen-Anhalt nachgewiesen worden. Bis Mittwochnachmittag zählte das Robert Koch-Institut (RKI) 262 nachgewiesene Infektionen.
Der Bund will nun unter anderem ergänzend zu anderen Beteiligten Schutzkleidung zentral für Arztpraxen, Krankenhäuser und Bundesbehörden beschaffen, wie nach Beratungen des Krisenstabs der Regierung mitgeteilt wurde. Der Export medizinischer Schutzausrüstung ins Ausland wird auf Anordnung des Wirtschaftsministeriums verboten.
Für weitere Krisenmaßnahmen will die Bundesregierung bis zu 325 Millionen Euro bereitstellen. Über entsprechende außerplanmäßige Ausgaben wurde nach Angaben des Bundestags am Mittwoch der Haushaltsausschuss informiert. Davon sollen demnach bis zu 250 Millionen Euro zum Beschaffen von Schutzausrüstung dienen und bis zu 25 Millionen Euro für Informations- und Aufklärungsmaßnahmen. Wie schon bekannt, will Deutschland zudem die Weltgesundheitsorganisation mit 50 Millionen Euro unterstützen.
Einige betroffene Länder, die bislang weitgehend allein gegen die Ausbreitung des Coronavirus ankämpften, kündigten an, ihre Kräfte bündeln zu wollen. Am Mittwoch verständigte sich Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit US-Präsident Donald Trump und dem britischen Premier Boris Johnson über ein gemeinsames Vorgehen gegen die Coronavirus-Epidemie.
Coronavirus führt zu Insolvenz
Macron hatte am Abend getwittert, es gebe die Bereitschaft, die „wissenschaftliche, gesundheitliche und wirtschaftliche Antwort“ auf das Virus im Rahmen der G7-Präsidentschaft der USA aufeinander abzustimmen. Macron wollte nach Medienberichten am Donnerstag rund 30 Ärzte, Wissenschaftler und Laborleiter für ein Gespräch empfangen.
Auch Großbritanniens Premierminister Johnson und Macron hätten vereinbart, gemeinsam an einer internationalen Reaktion zur Bekämpfung der Ausbreitung von Sars-CoV-2 zu arbeiten, teilte die Downing Street mit. Die britische Regionalfluggesellschaft Flybe hat Insolvenz angemeldet. Die bereits angeschlagene Fluggesellschaft konnte dem durch das Coronavirus verursachten Rückgang der Reisenachfrage nicht länger standhalten. „Alle Flüge bleiben am Boden und das Geschäft ist mit sofortiger Wirkung eingestellt“, erklärt die Fluggesellschaft.
Israel hat aus Sorge vor einer Covid-19-Ausbreitung neue Einreisebestimmungen verhängt. Touristen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Spanien dürften nicht mehr einreisen, berichtete der israelische Rundfunk am Mittwoch.
Unterdessen werden weitere Großveranstaltungen abgesagt. So verschieben die Veranstalter der Hannover Messe die weltgrößte Industrieschau. Das Branchentreffen mit rund 6.000 Ausstellern, das im April geplant war, wurde auf den 13. bis 17. Juli verschoben. Nach der Buchmesse in Leipzig wurde auch die Londoner Buchmesse wegen des Coronavirus-Ausbruchs abgesagt.
In Frankreich sagten die Veranstalter die Fernseh-Fachmesse MIPTV ab, die von Ende März bis Anfang April in Cannes geplant war. Der dazugehörige Wettbewerb CannesSeries werde auf Oktober verschoben, hieß es in einer Mitteilung auf Twitter.
Gewerbe fordert Staatshilfen
Das deutsche Gastronomie- und Hotelgewerbe fordert staatliche Hilfen wegen starker Geschäftseinbußen. Von den Absagen von Großveranstaltungen und Messen seien Hotels, Eventcaterer und Gastronomiebetriebe „massiv betroffen“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). Es dürfe nicht zugelassen werden, „dass Existenzen vernichtet werden“.
Von der Ausbreitung des Coronavirus seien Firmen des Gastronomie- und Hotelgewerbes vor allem in den Messestädten betroffen, sagte Hartges. Aber auch Hotels und Gastronomiebetriebe in kleineren und mittleren Städten beklagten zunehmend Stornierungen von Firmenveranstaltungen. Zudem fehlten Neubuchungen von Geschäftsreisenden. Die private Nachfrage sei hingegen – mit Ausnahmen in stark betroffenen Regionen – vergleichsweise stabil.
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