piwik no script img

Massenschlachtung von Nerzen wegen CoronaMutationen breiten sich aus

Dänemark tötet 17 Millionen Nerze, nachdem eine Mutation des Coronavirus auf Menschen übergegangen ist. Die neue Variante ist bereits im Umlauf.

Aus Angst vor einer neuen Corona-Variante lässt Dänemark 17 Millionen Nerze schlachten Foto: Ritzau Scanpix/reuters

Stockholm taz | In dänischen Nerzfarmen sind die von Kopenhagen beschlossenen Massenschlachtungen in Gang gekommen. Bis zum 16. November sollen alle 17 Millionen Nerze getötet werden. Weil die Kapazität der Verbrennungsöfen nicht ausreicht, baggert man auf Militärgeländen nun Gruben, in denen die Kadaver vergraben werden sollen.

Gleichzeitig wächst die Kritik an der Regierung, die letzte Woche die Tötung des Zuchtnerzbestands und die Verhängung einer Quarantäne über Teile Nordjütlands anordnete. Ist das übertriebener Alarmismus auf zweifelhafter wissenschaftlicher Grundlage? Oder hat man im Gegenteil zu lange gewartet? Die Handhabung der Krise sei jedenfalls ein „Skandal“, meint die Tageszeitung Politiken. „Die härteste bisherige Prüfung für die Coronastrategie der Regierung“ sieht Børsen.

Während die Niederlanden nach ersten Infektionen alle befallenen Bestände sofort tötete, hatten die Behörden in Dänemark nur anfänglich schnell agiert. Im Juni waren die ersten mit Corona infizierten Nerzbestände sofort geschlachtet worden.

Am 7. Juli kam der Schwenk: Man hoffte, mit umfangreichen Tests und Schutzmaßnahmen eine weitere Ausbreitung stoppen zu können. Und obwohl das staatliche Serum-Institut ab August täglich weitere Farmen mit Infektionen meldeten, geschah einige Wochen nichts. Am 1. Oktober kehrte man zur ursprünglichen Strategie zurück und ließ die Tiere in allen befallenen Beständen vergasen. Erst einen weiteren Monat später die Radikallösung: die Tötung aller Nerze.

Impfstoffe könnten weniger Wirkung zeigen

„Die Regierung betonte bei Corona immer das Vorsichtigkeitsprinzip, nur ausgerechnet bei den Nerzen nicht“, wundert sich Peder Hvelplund, gesundheitspolitischer Sprecher der linken „Einheitsliste“: Hätten da Rücksicht auf ökonomische Interessen und sozialdemokratische Stammwähler eine Rolle gespielt? Auch Hans Jørn Kolmos, Professor für klinische Mikrobiologie, kritisiert: Man habe erstaunlich lange zugesehen.

Die Gefahr, dass die in Dänemark bei bislang 12 Menschen konstatierte „Cluster 5“-Mutation künftige Impfstoffe weniger wirksam machen könnte, sei weitgehend unerforscht und „noch nicht gut verstanden“, warnt die WHO. Eine einzelne Mutation habe geringe Bedeutung, „da muss es schon viele geben, damit künftige Impfstoffe scheitern“, meint Professor Ali Salanti, Mitglied eines Teams, das an der Uni Kopenhagen gerade einen Corona-Impfstoff entwickelt.

„Verschiedene Coronastämme können entstehen“, vermutet auch der Immunologie-Professor Jan Pravsgaard Christensen. Aber darauf könne man einmal genehmigte Impfstoffe dann jeweils anpassen. Das geschehe schon bei den jährlichen Grippeschutzimpfungen, und jährliche Impfungen werde es auch bei Sars-CoV-2 geben müssen.

Die Entscheidung, den gesamten dänischen Bestand zu schlachten, sei jedenfalls sinnvoll, meint Immunologe Christensen. Die Massentierhaltung von Nerzen stelle ein ständiges Corona-Infektionsrisiko dar. Kolmos bezweifelt aber, ob die verhängte Quarantäne die Ausbreitung von „Cluster 5“ noch verhindern kann. Wahrscheinlich habe sich die Mutation bereits über Dänemark hinaus verbreitet. Die rund 6.000 Beschäftigten in den Pelzfarmen wurden in den letzten Monaten nicht systematisch getestet und konnten unbehindert reisen. Rund die Hälfte kommt aus Osteuropa.

Hans Kluge, Europa-Regionalchef der WHO, unterstützt den Beschluss Kopenhagens: „Es ist besser ‚safe than sorry‘ zu sein.“ Die mit solcher Pelztierzucht verbundenen Tierquälerei solle schon aus Gründen der Volksgesundheit nun in allen europäischen Ländern verboten werden, fordert die dänische Tierschutzorganisation Dyrenes Beskyttelse. Während Großbritannien ein Einreiseverbot für Reisende aus Dänemark bereits am Freitagnachmittag beschlossen hatte und am Sonntag verschärfte, kündigte Norwegens Gesundheitsbehörde die Prüfung eines entsprechenden Schritts an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • taz: "Die Massentierhaltung von Nerzen stelle ein ständiges Corona-Infektionsrisiko dar."

    Dass es im 21. Jahrhundert überhaupt noch so eine Perversität wie Pelztierzuchtfarmen gibt ist erschreckend. Das Coronavirus geht jetzt also in die zweite Runde. Viren sind eben nicht so dumm wie der Homo sapiens und finden Wege sich weiter auszubreiten. Die Wirtschaft und die Politiker denken wieder einmal nur an wirtschaftliche Einbußen, aber nicht an die Gesundheit und das Leben von Millionen Menschen, die dem Virus noch zum Opfer fallen könnten.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Schuld sind die Menschen, nicht die Tiere!

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Da setzen uns die Dänen ,auf der gesammten Länge der deutsch/ dänischen Grenze einen Wildschweinschutzzaun vor die Nase ,zum angeblichen Schutz vor der Schweinegrippe ( obwohl Wildschweine ganz prima schwimmen können) und produzieren zur gleichen Zeit in ihren widerlichen Nerzfarmen ,einen Covid 19 Mutanten.



    Wenn es nicht so furchtbar traurig wäre , müsste man/frau lachen.

    • @91491 (Profil gelöscht):

      Es ging den Dänen in beiden Fällen um den Schutz ihrer Tierwirtschaft, also kein Widerspruch. Die afrikanische Schweinepest gefährdet nur die Schweine und den Fleischexport, nicht die Menschen.

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @91491 (Profil gelöscht):

      Lukker minkfarmene - for evigt !

  • 1G
    15797 (Profil gelöscht)

    Tierhaltung und Grundnahrungsmittel Produktion gehören in bäuerliche Hände mit voller strafrechtlicher Verantwortung. Und Haltung von Tieren nur wegen ihres Fells ganz verboten.

  • Nun jede Krise birgt jedoch auch eine Chance. Z.B. die dass wir alle jetzt solche Bilder präsentiert bekommen und Menschen sich mal über das Ausmass der Vergehen an Tier und Natur (und der Folgen) Gedanken machen müssten! Da kann man fast nur hoffen, dass dies das letzte Vergehen an dieser Stelle bleibt und die Profiteure leer ausgehen bei Corona Hilfen. Nicht dass ein weiter so wie bisher gibt und es zu einer Wiederaufzucht kommt.

    Auch wenn es gut ist wiederholt zu berichten und aufzuzeigen, wäre es doch wünschenswert, wenn Informationen auch gut recherchiert und aufgearbeitet werden und nicht nur in neuem Gewand präsentiert werden.



    Die 12 übergesprungenen Fälle sind die Info von Anfang an. Logischerweise bleibt es nicht bei diesen Zahlen. Z.B. berichtete die Tagesschau schon vor 2 Tagen von über 200 Cluster5 Fällen.

    www.tagesschau.de/...ert-nerze-101.html

    Die entscheidene Frage ist doch wie entwickelt sich das Ganze jetzt weiter ? Nicht wie war der Status am Anfang oder was kann man nicht Aussagen und trotzdem unfachlich verquirken.

    Danke auch an SchwarzerPudel, dieses richtig zu stellen.

    • 9G
      93559 (Profil gelöscht)
      @BlackHeroe:

      Neulich war im Fernsehen der tränenumflorte Blick eines solchen Züchters zu sehen, der sich doch so um seine Tiere sorgt und dieses Schicksal so schrecklich fand.



      Man musste annehmen, dass sie bei ihm in einem Nerz-Paradies leben.

  • Die Zwischenüberschrift "Impfstoffe könnten weniger Wirkung zeigen" passt kaum zu dem, was dann im Text tatsächlich folgt. Und was da steht ist schwer verständlich.

    "Eine einzelne Mutation habe geringe Bedeutung, „da muss es schon viele geben, damit künftige Impfstoffe scheitern“, meint Professor Ali Salanti, Mitglied eines Teams, das an der Uni Kopenhagen gerade einen Corona-Impfstoff entwickelt."

    Mit "einer Mutation" meint Salanti wahrscheinlich eine Mutation in der Genomsequenz des Virus. Denn solche sind häufig, ganz normal, und ändern jede für sich sehr wenig. Im restlichen Text wird "Mutation" aber sehr umgangssprachlich benutzt, wenn eigentlich die Mutante gemeint ist, die ein Resultat vieler Mutationen sein kann. (Genauer gesagt geht es ja um eine Gruppe von verwandten Mutanten, die sich signifikant ähneln, deswegen ja "Cluster 5", denn sich auf eine einzelne Mutante zu beziehen macht wenig Sinn.) Jedenfalls ist durch diese Begriffsungenauigkeit das Zitat absolut uninformativ darüber, ob die Mutationen, die zu den Cluster 5 Mutanten geführt haben, künftige Impfstoffe weniger wirksam machen.

    Dazu auch im Text von der WHO ein eindeutiges: wir wissen es nicht. Der einzige Anhaltspunkt, die verminderte Antikörperreaktivität, wird hier im Artikel weder erewähnt noch von Expert*innen erklärt und eingeordnet. Stattdessen dieses nichtssagende Zitat.

    Und dann halt diese Teilüberschrift. Uff.

  • Einfach nur schrecklich. Schon alleine der Zustand, dass so viele Tiere in diesen Käfig-Anlagen gehalten wurden.



    Die Menschheit hat hier mal wieder ihr Monopol auf das Grauen dieser Welt unter Beweis gestellt.



    Ich hoffe das bedeutet den finalen Ruin für die gesamte Branche.

  • Mir kommen die Tränen, wenn ich an all diese armen Tiere denke.

    Hauptabnehmer für Pelze ist China. Ich finde, die Haltung sollte verboten werden und wer Pelz tragen will, muss sich mit gebrauchten zufrieden geben, die es jetzt bereits gibt. Das Leid dieser Tiere ist mit nichts zu entschuldigen, nicht mit Arbeitsplätzen und nicht mit Wirtschaft.

    • @siri nihil:

      Achja es geht natürlich nicht nur um Pelzraub. Die Kadaver werden z.B. auch zu Biokraftstoff und Baumaterial weiterverarbeitet. Ist diese vollständige Verwertung jetzt als gut zu bewerten und Ok zu nutzen oder lässt sich das vermeiden ?

    • @siri nihil:

      Ich finds auch echt abartig.



      Genauso abartig wie die massenhafte Haltung und Mästung von z.B. Schweinen bei uns, aber der Zweck eines schicken Pelzmantels macht es noch absurder. Das sollte noch verzichtbarer sein als ein Schnitzel.

    • @siri nihil:

      Volle Zustimmung.

  • Warum auch immer, dieses Gräuel der Massentierhaltung zu "Pelzgewinnung" gehört beendet. Sofort! Überall!