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Massenproteste in KeniaDie Kenianer haben die Schnauze voll

Simone Schlindwein
Kommentar von Simone Schlindwein

Mit brutaler Polizeigewalt kippt Kenias Demokratie immer weiter in Richtung Autokratie. Das sollte Warnung genug für Afrikas Autokraten sein.

Demonstration in Kenia am Mittwoch Foto: Brian Inganga/ap/dpa

K enia galt bislang als eine der wenigen verbliebenen Bastionen der Demokratie in Afrika. Kenias Präsident William Ruto, der seit 2022 an der Macht ist, hat der jungen Bevölkerung Hoffnung gemacht: auf mehr Entwicklung, mehr Jobs, mehr Freiheit und eine bessere Zukunft. Dass die Generation Z nun erneut landesweit auf die Straßen geht, hat viel mit der Enttäuschung dieser Hoffnung zu tun.

Als sich die jungen Menschen im vergangenen Jahr als Bewegung formierten, richtete sich ihr Protest zunächst gegen die geplante Steuererhöhung, die die Preise für das tägliche Leben verteuert hätten. Nach wochenlangen Massenprotesten und über 50 getöteten Aktivisten gab Ruto schließlich nach: „Das Volk hat gesprochen!“, hatte er damals feierlich gesagt. Es war ein Sieg für die Jugend, die fast Dreiviertel der Bevölkerung ausmacht, und letztlich ein Sieg für die Demokratie.

Doch dann kam alles ganz anders. Kenias Polizei macht seitdem systematisch Jagd auf all diejenigen Aktivisten, die 2024 die Proteste online befeuert hatten. Blogger, IT-Fachleute und Online-Influencer wurden verhaftet, eingesperrt, entführt – und letztlich sogar getötet. Es wirkte, als ob der mächtige Polizeiapparat garantieren wollte, dass solche Massenproteste nie wieder stattfinden können.

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Afrikas Jugend darf nicht ignoriert werden

Vor zwei Wochen dann die klare Warnung: Auf direkten Befehl des Vizepolizeichefs wurde der Blogger Albert Omondi Ojwang in einer Gefängniszelle zu Tode geprügelt. Dies war quasi der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Generation Z ging dieses Mal nicht gegen Steuererhöhungen auf die Straße; sondern gegen die massive Polizeigewalt.

Die schiere Masse, die am Mittwoch protestierte, zeigt, dass Afrikas Jugend nicht einfach mehr ignoriert werden kann. Afrikaweit saßen Jugendliche vor ihren Handys, um zu erfahren, was auf Kenias Straßen los ist. „Liebe Ruander“, schreibt ein junger Aktivist aus Ruanda, wo politische Demonstrationen quasi undenkbar sind: „Schaut euch die Kenianer an – sie haben die Schnauze voll und sind auf den Straßen!“ Dies sollte anderen autoritären Regimen in der Region eine Warnung sein.

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Simone Schlindwein
Simone Schlindwein, Jahrgang 1980, lebt seit 2008 in Uganda und ist taz-Korrespondentin für die Region der Großen Seen: DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda, Zentralafrikanische Republik, Südsudan. Von 2006 bis 2008 war sie u.a. Moskau-Korrespondentin des Spiegel. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. mit dem Journalistenpreis »Der lange Atem« sowie dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte sie die Bücher »Diktatoren als Türsteher Europas« (mit Christian Jakob) und »Tatort Kongo« (mit Dominic Johnson und Bianca Schmolze).
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2 Kommentare

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  • Und jetzt bitte Aufklärung darüber mal in der Zeit und nicht erst wenn es vorbei ist, recherchieren dazu welche außer genuine Interessen aus der Bevölkerung, noch dahinter stecken könnten oder sogar belegbar sind.

    Sprich was ist die geopolitische Perspektive hierzu?

  • Das abrutschen der Demokratie in die Autokratie zu verhindern ist sicher einfacher, als die Rückkehr oder erstmalige Errichtung einer Demokratie. Was ja heute als Regimechange tituliert wird, werden Autokraten zu verhindern wissen, man sieht es in Russland und Iran.



    Ich fürchte mal das in den autokratischen Nachbarländer Kenias jetzt schon mal vorbeugend die Daumenschrauben angezogen werden.