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Maskengeschäfte-Urteil in MünchenWindige Deals, unklare Rechtslage

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Ein Münchner Gericht hat entschieden, dass die Maskengeschäfte zweier CSU-Abgeordneter legal waren. Der Bundesgerichtshof könnte das anders sehen.

Alles legal? Der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein im Januar 2021 Foto: Christoph Hardt/imago

ber diesen Fall wird noch viel diskutiert werden. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat entschieden, dass sich Georg Nüßlein (als damaliger CSU-Bundestagsabgeordneter) und Alfred Sauter (als CSU-Landtagsabgeordneter) bei ihren dubiosen Maskengeschäften nicht strafbar machten. Sie hatten als Vermittler für eine Textilfirma bei den Gesundheitsministerien im Bund und in Bayern lobbyiert und dafür 660.000 Euro (Nüßlein) und 1,2 Millionen Euro (Sauter) erhalten.

Das war keine Abgeordnetenbestechung, entschied nun das OLG München. Hier liege eine Strafbarkeitslücke vor. Das Geld, das die Abgeordneten bekamen, habe sich nicht auf ihre Mandatsausübung bezogen. Wirklich?

Hätten die Abgeordneten die gigantischen Provisionen auch ohne ihr Mandat erhalten? Natürlich nicht. Als einflussreiche Politiker waren sie äußerst nützliche Türöffner. Alfred Sauter war einer der größten Strippenzieher der CSU. Und Georg Nüßlein war als Fraktionsvize für Gesundheitspolitik zuständig. Das Gesundheitsministerium war bei vielen Projekten auf seinen guten Willen angewiesen.

Wer solchen Leuten Geld gibt, kauft sich Einfluss. Die Abgeordneten haben ihr Mandat genutzt und sich dafür bezahlen lassen.

Strafbarkeit bezieht sich nur auf parlamentarische Tätigkeit

Dennoch sind die Münchner Entscheidungen nicht unbedingt falsch. Die OLG-­Rich­te­r:in­nen haben nämlich auch gute Argumente auf ihrer Seite. Als der Strafparagraf zur Abgeordnetenbestechung (§ 108e) im Jahr 2014 verschärft wurde, haben alle Fraktionen betont, dass sich die Strafbarkeit nur auf die parlamentarische Tätigkeit beziehen darf.

Es sollte vermieden werden, dass Abgeordnete, die sich ständig für oder gegen etwas einsetzen, allzu leicht von politischen Gegnern angeschwärzt werden können. In der Begründung des damaligen Gesetzentwurfs heißt es ausdrücklich, dass es nicht strafbar sein soll, wenn jemand gegen Geld „die Autorität des Mandats“ oder seine Kontakte nutzt.

Der Wortlaut des Gesetzes spricht also für die Strafbarkeit der beiden Politiker, der Wille des Gesetzgebers spricht dagegen. In einigen Monaten wird der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, denn der Münchener Generalstaatsanwalt hat Rechtsmittel eingelegt. Bevor man also nach einem neuen Gesetz ruft, sollte man das BGH-Urteil abwarten. Gut möglich, dass der BGH anders entscheidet als das OLG München.

Am Ende sollte klar sein, dass man Abgeordnete nicht kaufen darf. Nicht als Stimmvieh im Parlament, nicht als Einflussagent in der Fraktion und auch nicht als Türöffner für windige Geschäfte mit Ministerien. Wer hier keine klare Grenze zieht, beschädigt die Demokratie. Das beste Anschauungsbeispiel haben Nüßlein und Sauter mit ihren Maskendeals geliefert.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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7 Kommentare

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  • Der Fehler liegt allerdings nicht bei der Justiz, und weniger im System, sondern vorallem beim Wähler und dessen Wahlverhalten.



    Wenn wir bevorzugt finanzgeile Akteure (nennen sich gerne "Vertrags- oder Unternehmensberater, -Makler Wirtschaftsprüfer) oder Rechtsanwälte und Akademiker in den BT gewählt haben (weil die im Wahlkampf irgendwie suggerierten, daß sie UNS besser vertreten könnten, weil sie etwas "Besseres" seien, als unser Nachbar, der Schlosser, der Hilfsarbeiter oder der Angestellte), dann haben wir hier die Quittung für diesen "Fehler". Erfolgreich, gebildet, schlau oder reich sind eben keine Synonyme für "besser"!



    Da darf/muss sich jeder selbst an die nase fassen. Alle schreien nach der Frauenquote - zu Recht - aber das löst nicht das Problem. Warum gibt es denn keinen Arbeitslosen, keinen Hilfsarbeiter, keinen Rentner und so wenige Migranten in unserer Volksvertretung? Weil wir denen nicht zutauen, UNSERE Interessen ordentlich zu vertreten! Wie blöd sind wir eigentlich, dass wir das dann einem "Vertragsvermittler" zutrauen? Oder dem Ex-Vorstand eines Kapitalriesen?



    Wir haben einfach die "falschen" Leute gewählt.

    • @FoolOnTheHill:

      Tja, wenn man eine LISTE wählen musss sind immer ein aar Krampen dabei ... und oft genug weit obem auf den Listen.

      So läuft das Spiel.

  • Ich weiss nicht, was ich trauriger finde. Dass sich die Gesetzgeber*innen solche Gesetze selbst zurechtbasteln, oder dass sie danach überhaupt jemals wiedergewählt werden.

    Würde die CSU jetzt zwei Legislaturperioden keinen Fuss mehr auf den Boden kriegen, dann würden sie schon dafür sorgen, dass so etwas nicht oft passiert.

    • @tomás zerolo:

      Das glauben auch nur sie.



      Denn wie heißt es so schön: Kommt Zeit, kommt Tat ...

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich habe längst kein Vertrauen mehr in die Justiz!

  • Nur mal kurz die Rechnung aufgemacht:



    Für einen seilschaftsgestützten Maskendeal das akkumuierte Lebenseinkommen des deutschen Durchnittsverdieners (d. h., das, was von einem Arbeitsleben übrigbliebe, wenn man nix ausgeben würde!) kassieren....



    Wenn das nicht äußerst zeitnah (a) zu einer Überarbeitung der entsprechenden Gesetze durch Leute, die ihr Handwerk vestehen, führt; und (b) dazu, dass die rechtmäßigen Profiteure der alten Rechtslage und deren Unterstützer vor die Tür zumindest aller politischen Institutionen gesetzt werden, darf man sich nicht wundern, wenn auch die wackersten Demokraten dem deutschen Parlamentarismus die Treue aufkündigen...

  • RS
    Ria Sauter

    Es lebe die unabhängige Justiz!😡