piwik no script img

Marihuana-Legalisierung in KanadaEin Land im Rausch

In Kanada darf jetzt Marihuana konsumiert werden. Der Auftakt zur Legalisierung verläuft allerdings überaus holprig.

Kaum erlaubt, wird Kiffen kompliziert Foto: Unsplash/ Dylan Fout

VANCOUVER taz | Auf diesen Tag hat Chris Clay lange gewartet. Ab heute kann der Kanadier kiffen – und das legal. Denn Kanada gibt als zweites Land weltweit und als erste westliche Industrienation Cannabis landesweit für den privaten Konsum frei. Das erste Land war vor fünf Jahren Uruguay.

„Eine neue Ära hat begonnen – und die Welt schaut hin“, sagt Clay, der auf Vancouver Island lebt. Seit drei Jahren führt er dort einen Laden für Cannabis-Produkte. Verkauft hat er seine Ware bislang vorwiegend an Schmerzpatienten, denn als Medizin ist die Droge in Kanada schon seit sieben Jahren zugelassen. Patienten mussten dazu über 19 Jahre alt sein und ein Rezept eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegen.

Nun ist das nicht mehr nötig. Jetzt darf jeder volljährige Kanadier bis zu 30 Gramm Cannabis mit sich führen – das sind knapp zwei Hände voll. Abhängig von der Region darf auch in der Öffentlichkeit konsumiert werden. Cannabis-Öle sind ebenfalls legal und auch verarbeitete Produkte wie Cannabis-Kekse sollen in einem Jahr zulässig sein. Der Eigenanbau von bis zu vier Hanfpflanzen ist in den meisten Regionen des Landes grundsätzlich gestattet.

Kanadas liberaler Premierminister Justin Trudeau will mit der Legalisierung dem Schwarzmarkt die Grundlage entziehen, denn die Droge ist in Kanada schon seit Jahren leicht erhältlich. In vielen Regionen haben in den letzten Jahren immer mehr Hanf-Apotheken eröffnet, viele davon illegal. Polizei und Behörden hatten den privaten Genuss aber kaum noch verfolgt.

Große Spielräume

Allerdings haben die 13 kanadischen Provinzen und Territorien in dem im Juni verabschiedeten Cannabis-Gesetz große Spielräume erhalten und können eigene Regeln erlassen. Québec und Manitoba etwa wollen keinen Eigenanbau erlauben. Das Mindestalter für den Konsum variiert je nach Region zwischen 18 und 19 Jahren und auch der Vertrieb und Verkauf wird unterschiedlich geregelt. In manchen Regionen darf die Droge nur im privaten Heim konsumiert werden, nicht in der Öffentlichkeit. Einige Provinzen erlauben private Anbieter von Cannabis, andere nicht. An Kanadas Westküste rund um Vancouver soll es staatliche und private Ausgabestellen geben, wobei die Gemeinden bestimmen, an welchen Standorten legale Läden eröffnen dürfen.

Der Auftakt zur Legalisierung am 17. Oktober verläuft allerdings holprig. Das liegt an dem Flickenteppich von Regeln und den Verzögerungen bei der Umsetzung. „Das Durcheinander ist groß und das Angebot zu gering“, sagt Clay. In der Pazifikprovinz British Columbia mit seinen knapp fünf Millionen Einwohnern etwa wird zum Stichtag der Legalisierung nur ein einziger staatlicher Cannabis-Laden seine Türen öffnen.

Die geplante Besteuerung von legalem Marihuana könnte sich noch als Bumerang erweisen

Der Rest der Region wird weiter von Hanf-Apotheken versorgt, die zum Teil noch illegal oder in einer rechtlichen Grauzone operieren. Viele legale Shops wie der von Chris Clay müssen erst schließen – und auf eine neue Lizenz warten, die der neuen Gesetzgebung entspricht. „Das führt dazu, dass viele Patienten, die auf Cannabis angewiesen sind, erst mal mit leeren Händen dastehen“, erklärt er.

Ähnlich sieht es in Kanadas bevölkerungsreichster Provinz Ontario und der Millionenmetropole Toronto aus. Dort wird es zum Start der Legalisierung keinen einzigen offiziellen Shop geben. Wer dort Cannabis legal erwerben will, der muss sich die Droge online bei einem staatlichen Vertriebshändler bestellen. Erst nächstes Frühjahr sollen in Ontario private Verkaufsstellen ihre Pforten öffnen.

Illegaler Markt bleibt

Insgesamt rechnen die Behörden damit, dass es in den nächsten Wochen und Monaten im ganzen Land etwas mehr als 100 legale Shops eröffnen werden. Kritiker halten das für zu wenig. Nach einer Studie der Universität von Waterloo werden die legalen Outlets im ersten Jahr nur zwischen 30 und 60 Prozent des Marktes abdecken können. Der illegale Markt bleibt also vorerst bestehen.

Tatsächlich kann das Angebot an legalem Cannabis mit der Nachfrage nicht Schritt halten. Laut kanadischer Statistikbehörde wollen dieses Jahr rund 5,4 Millionen Kanadier Cannabis konsumieren – das sind rund 15 Prozent der Bevölkerung. Allerdings haben die Behörden bislang nur rund 120 legale Hersteller zugelassen und der Import aus dem Ausland nach Kanada bleibt weiterhin verboten.

Die geplante Besteuerung von legalem Marihuana könnte sich noch als Bumerang erweisen. Noch hat die Regierung die staatlichen Verkaufspreise nicht veröffentlicht, allgemein aber wird mit einem Preis von rund zehn Dollar pro Gramm gerechnet. Dabei fallen pro Gramm auch rund ein Dollar Steuern an, die dem Staat insgesamt rund 400 Millionen Dollar im Jahr in die Kassen spülen sollen.

Auf den Straßen der Großstädte allerdings ist die Droge derzeit bereits zwischen sieben und acht Dollar zu erhalten. Auch in Clays Shop auf Vancouver Island liegt der Preis in diesem Bereich. „Wenn Preis und Steuern zu hoch liegen, wird das den Schwarzmarkt befeuern und nicht beseitigen“, befürchtet er.

Engpässe gibt es auch bei der Polizei. In vielen Regionen fehlt es noch an geschulten Beamten und technischem Gerät, um das neue Gesetz zu überwachen. Das betrifft vor allem Verkehrskontrollen. Mit einer breit aufgelegten Aufklärungskampagne und 15 Millionen Flugblättern versucht die Regierung derzeit, Autofahrer und Jugendliche vor möglichen gesundheitlichen Folgen von Cannabis zu warnen.

Regierungschef Trudeau ist übrigens ein Experte in der Sache: Der Politiker hat zugegeben, in der Vergangenheit selbst Marihuana geraucht zu haben – auch noch nach seiner erstmaligen Wahl ins Parlament in Ottawa.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • Schön, dass mal so eine große Industrienation Versuchskaninchen spielt.

    Wenn in 5 Jahren oder so die positiven Folgen der Legalisierung überwiegen, hat man gute Argumente ähnliches Iin Deutschland durchzuführen.

    Umgekehrt natürlich auch.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Aller Anfang ist schwer. Das wussten schon meine indianischen Vorfahren.

    Solche Politiker wünsche ich mir für dieses rauscharme Land. Fast nur Bierkonsumenten. Das Ergebnis sehen wir Tag für Tag. Trudeau, auf nach Deutschland. Merkel ablösen!

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Ich hoffe sie haben nichts gegen Bierkonsumenten