Mali drei Wochen nach dem Putsch: Zuversicht und Unsicherheit
Gut drei Wochen nach dem Staatsstreich werden die Entwicklungen in Malis Hauptstadt genau verfolgt. Trotz Anspannung gibt es viel Hoffnung.
Vor allem seit dem vergangenen Jahr hat die Organisation Regierung und besonders Militär scharf kritisiert. Im Zentrum des Landes rund um die Stadt Mopti kam es zu zahlreichen Massakern an Peul, die auch von Sicherheitskräften verübt wurden. Zumindest verhinderten diese die tödlichen Überfälle nicht. „Uns Peul setzt man immer mit Dschihadisten gleich. Dabei gibt es auch Bambara, Songhai oder Tuareg, die Dschihadisten sind,“ klagt Sow.
Für das schlechte Image verantwortlich ist Amadou Koufa, Gründer der Befreiungsfront von Macina, der in den vergangenen Jahren gezielt Peul rekrutiert hatte. Außerdem kam es zu Kämpfen zwischen Selbstverteidigungsmilizen der Peul sowie der Dogon, die ebenfalls in der Region leben.
Die unsichere Lage ist ein Grund gewesen, weshalb ab Juni der Widerstand gegen Keïtas Regierung immer lauter wurde. Dazu rief das Protestbündnis M5-RFP unter Führung des charismatischen Imams Mahmoud Dicko auf.
Folgen des Putsches kaum zu spüren
Der Putsch gelang allerdings am 18. August einer Gruppe von Soldaten um Oberst Assimi Goïta, die den Militärstützpunkt in Kati besetzten und anschließend den Präsidenten und zahlreiche weitere führende Politiker verhafteten. An der Macht ist nun das Nationale Komitee zur Errettung des Volkes (CNSP). Sow hofft, dass die Gewalt unter dem CNSP ein Ende haben könnte – trotz der traumatischen Erlebnisse mit den Streitkräften. „Zumindest sind wir weniger besorgt.“ Um Einzelheiten zu besprechen, wartet er bereits seit Tagen auf ein Treffen mit der Militärführung.
Rund 500 Vertreter*innen der Militärregierung, Zivilgesellschaft und politischen Opposition haben sich am Samstag in Bamako getroffen, um über die Zukunft Malis zu verhandeln. Nicht anwesend war Assimi Goïta, Führer des jetzt regierenden "Nationalen Komitees zur Rettung des Volkes" (CNSP). Nach Beginn des Treffens kam es zu Protesten der Bewegung M5-RFP, die seit Juni Demonstrationen gegen Ex-Präsident Ibrahim Boubacar Keïta organisiert hatte. Jetzt fühlt sie sich von der CNSP-Führung ausgeschlossen.
Malis gestürzter Präsident Ibrahim Boubacar Keïta ist zur medizinischen Behandlung in die Vereinigten Arabischen Emirate geflogen worden. Er habe das Land Samstagabend mit seiner Frau, einem Attaché, zwei Ärzten und vier Sicherheitskräften verlassen, berichtete die Nachrichtenagentur AP. Keïta solle in einem Militärkrankenhaus in Abu Dhabi behandelt werden. Zur Gesundheit des 75-Jährigen waren Fragen aufgekommen, als er nach seinem Sturz im August durch das Militär ins Krankenhaus eingeliefert wurde.
In Sikasso, Malis Wirtschaftszentrum im Süden in Grenznähe zur Elfenbeinküste und Burkina Faso, versucht Kalifa Sanogo, Bürgermeister der Stadt und Zwölfter der Präsidentschaftswahlen von 2018, so diplomatisch wie möglich zu klingen: „Natürlich muss ein Staatsstreich verurteilt werden.“ Ein paar Sätze später ist es vorbei mit seiner Vorsicht. „Ehrlicherweise war der Coup doch nicht vermeidbar.“ Vor allem die grassierende Korruption sei überall bekannt gewesen. Man habe das Zentrum des Landes zerstört.
Von den Folgen des Putsches sei in Sikasso selbst aber nichts zu spüren. „Unser Leben hat sich bisher nicht geändert und unsere Stadt auch nicht“, so Bürgermeister Sanogo. In der Stadt war es Anfang Mai nach Bekanntgabe der Parlamentswahlergebnisse zu Protesten gekommen. Denkbar knapp hatte dort nach Ansicht des Verfassungsgerichts die Liste gewonnen, zu der Keïtas RPM (Sammlung für Mali) gehört.
Als angespannt erlebt Issa Boncana, Präsident des Jugendrates von Gao, allerdings die Situation in seiner Heimatstadt im Norden Malis. Immerhin sei es nicht zum Stillstand des öffentlichen Lebens gekommen. Banken etwa waren lediglich für 24 Stunden geschlossen. Jetzt würden die Bewohner*innen die Entwicklung mit Sorge beobachten. „Niemand weiß, wie der morgige Tag aussehen wird.“
In Gao habe der Putsch schließlich Erinnerungen an den März 2012 geweckt, als Soldat*innen der Sturz des damaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré gelang. Das nutzten islamistische Gruppierungen aus und besetzten zehn Monate lang den Norden. Sie verübten Gräueltaten, außerdem wurde die Versorgungslage immer schwieriger. Die Erinnerungen seien bis heute präsent, sagt Boncana.
Allerdings würde die Präsenz der malischen Soldat*innen sowie der UN-Mission für die Stabilisierung Malis (Minusma) ein Gefühl von Sicherheit geben. Eine zweite monatelange Besatzung durch Terrorgruppen gilt als unwahrscheinlich.
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