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Malawi ohne Corona-ImpfstoffImpfstoff aus Vorsicht vernichtet

Weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen war, vernichtete Malawi Ende Mai Tausende von Impfdosen. Das Problem: jetzt hat das Land keine mehr.

Imfpstoffvernichtung in Malawi am 19. Mai Foto: Jacob Nankhonya/ap

Lilongwe taz | Als Malawi im vergangenen Monat Tausende ungenutzter Covid-19-Impfdosen vernichtete, weil ihr Haltbarkeitsdatum abgelaufen war, wurde dies zunächst als verantwortungsvoll gepriesen. Malawi war das erste Land Afrikas, das sich diesen Schritt traute. Aber nun hat Malawi keine Impfdosen für die fälligen Zweitimpfungen mehr, und der Schritt vom Mai scheint im Rückblick wenig durchdacht.

Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Center for Disease Control (CDC) in den USA hatten Malawi geraten, die abgelaufenen Impfdosen nicht zu vernichten, da sie noch wirksam seien. Aber die Regierung von Präsident Lazarus Chakwera sah das anders und zerstörte 19.610 AstraZeneca-Impfdosen. Das war der Rest einer Ende März von der Afrikanischen Union (AU) bereitgestellten Lieferung von 102.000 Impfdosen, die alle das Haltbarkeitsdatum 13. April trugen und nicht alle bis dahin aufgebraucht werden konnten.

Vergangene Woche nun hat Malawis Regierung erklärt, sie habe keine Impfstoffe mehr. In der Wirtschaftsmetropole Blantyre sagte Gift Kawalazira, Direktor der Gesundheitsbehörde: „Die Öffentlichkeit wird hiermit informiert, dass dem Gesundheitsamt des Distrikts Blantyre ab dem 17. Juni 2021 die Impfdosen ausgegangen sind.“ Eine ähnliche Erklärung machte sein Kollege Alinafe Mbewe Tambala in der Hauptstadt Lilongwe und fügte hinzu: „All jene, die ihre zweite Impfung nicht nach 12 Wochen bekommen haben, bekommen ihre Impfung später.“

Hauptproblem ist, dass Indien die Lieferungen eingestellt hat

Über die Hälfte der Impfzentren Malawis haben nun geschlossen. Impfwillige werden abgewiesen. „Man kann sagen, dass wir voreilig handelten, als wir die Impfstoffe entgegen der Empfehlungen von Experten zerstörten“, sagt der Analyst Lisimba Muyila. „Die Engpässe jetzt bremsen eine Impfkampagne aus, die ein Vorbild für andere Länder war.“

Die Krise ist nicht rein hausgemacht. Malawi leidet vor allem darunter, dass Indien seine Exporte von Impfstoffen an das internationale Covax-Programm im März wegen Eigenbedarfs einstellte. Die Regierung hofft nun auf die Weltbank, um den Einkauf von Impfstoffen zu finanzieren. Die Weltbank hat dafür 30 Millionen US-Dollar an Malawi bewilligt.

„Das wird Malawi helfen, sichere und effektive Impfstoffe zu erwerben und einzusetzen“, sagte Gesundheitsministerin Khumbize Kandodo Chiponda. Malawi mit knapp 20 Millionen Einwohnern hat rund 35.000 Covid-19-Infektionen bestätigt, mit 1.177 Toten. Nur rund 380.000 Menschen haben mindestens eine Impfung erhalten, 33.200 sind komplett geimpft.

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4 Kommentare

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  • Ein richtiges disaster für das arme Land!

  • Eine wirkliche Katastrophe ist, dass der chinesische Impfstoff, auf den sich sehr viele ärmere Länder verlassen haben, im Gegensatz zu den in Europa verwendeten AstraZeneca und BionTec Produkten anscheinend nicht ausreichend gegen die Delta-Variante schützt - und diese scheinbar auch für jüngere Menschen gefährlicher ist, ein Albtraum für Afrika mit seiner jungen Bevölkerung.

    Das ist ein Grund mehr, die Patente frei zu geben und so schnell wie möglich überall Produktionen der Impfstoffe hoch zu ziehen. Es gibt keinerlei Sicherheit vor dem Szenario, dass nicht - wie 1918 bei der Spanischen Grippe - unerwartet eine viel gefährlichere Variante auftaucht, gegen die bestehende Impfstoffe nicht mehr gut wirken. Ebenfalls kann sehr wohl eine Variante entstehen, die für Kinder gefährlich ist. Jeder Schutz davor kann nur auf globaler Ebene und für alle funktionieren.

    Hinter der Verweigerung von effektiver und umfassender Hilfe durch die Länder Europas stehen letztlich Hartherzigkeit, Machtdenken, und neoliberale Asozialität und Regierungen, denen es an elementarer Menschlichkeit fehlt. Wir können nur hoffen, dass diese nicht auf uns zurück fallen, denn unser in Not geratenes Raumschiff Erde ist viel zu klein geworden für so enges Denken.

    • @jox:

      Ob Patente freigegeben werden ist nicht entscheidend. Entscheidend ist – wie Sie richtig schreiben- der Aufbau von weltweiten Impfstoff-Produktionen. Dazu ist eine globale Impf-Entwicklungshilfe notwendig, gerne unter UN-Führung.

      Die in vielen Industrieländern gewonnene Expertise in Herstellung und Impf-Organsation muss für die restliche Welt genutzt werden.

      Ich halte es jedoch nicht für sinnvoll den Finger auf irgendwelche Länder zu zeigen und Vorwürfe zu machen. Dies erzeugt im Zweifel eher eine Abwehrhaltung. Hier ist aber eine konzertierte Aktion erforderlich, die alle Länder mitnimmt, die Unterstützung geben können.

      • @Black & White:

        Muss ich zustimmen.



        Der Markt hat hier versagt und ein einfaches aufheben des Patentschutzes ist zu wenig.



        Die Bekämpfung der Pandemie muss nun eine fokussierte Multinationale Anstrengung sein.



        Geld sollte von der UN bereitgestellt werden. Die Produktionsfirmen Global aufgebaut werden und die Impfstoffe Lokal unentgeltlich produziert werden.

        Die Aufhebung des Patentschutzes würde nur Investoren anlocken die auf schnelles Gels aus sind und den Impfstoff so billig wie möglich produzieren und so teuer wie möglich verkaufen.

        Wenn der Patentschutz aufgehoben wird, dann müssen die Impfdosen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.



        Wer damit Geld verdienen will, kann ruhig auch Patentgebühren zahlen.



        Und muss sich auch vor dem Patentgeber rechtfertigen und ein Lizenzverlust fürchten.