Männliche Brustprivilegien: Zeit für Nippel-Gleichberechtigung
Das Land Berlin räumt ein, dass der Rauswurf einer Frau aus einem Wasserspielplatz wegen ihres fehlenden Oberteils diskriminierend war. Geht doch!
D ie Aufregung war groß, als Gabrielle Lebreton im Sommer 2021 von der Security rabiat von einem Wasserspielplatz in Berlin geworfen wurde, weil sie sich ohne Badeoberteil gesonnt hatte. Ihr Freund, ebenfalls oben ohne, blieb hingegen unbehelligt. Schnell entbrannte bundesweit eine Diskussion über männliche Brustprivilegien im öffentlichen Raum.
Auf einer Demo wenige Tage später radelten Feminist*innen über das Tempelhofer Feld, die Männer im BH und die Frauen oben ohne. Die Initiative „Gleiche Brust für alle“, ein Zusammenschluss von Aktivist*innen aus Berlin, Dresden, Göttingen, Augsburg und anderen Städten, startete eine Petition: Darin fordern sie, „dass alle Personen unabhängig des Geschlechts sich gleichermaßen ohne Einschränkungen mit freiem Oberkörper bewegen dürfen“.
Auch Gabrielle Lebreton ließ sich das nicht gefallen: Weil die Architektin in der Ungleichbehandlung eine Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erkannte, verklagte sie das Land Berlin nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), eine bundesweit einmalige Regelung, mit der Bürger*innen gegen staatliche Diskriminierung vorgehen können.
Doch dem Tiger wurden zunächst die Zähne gezogen: Das Landgericht Berlin wies die Klage im vergangenen Jahr ab und erklärte die Ungleichbehandlung wegen des Schutzes eines „geschlechtlichen Schamgefühls“ in Teilen der Gesellschaft für gerechtfertigt. Ein Rückschlag nicht nur für das LADG, das dadurch quasi wirkungslos geworden war, sondern auch für die feministische Bewegung.
Schluss mit der unerwünschten Sexualisierung!
Doch Lebreton wollte sich damit nicht zufriedengeben, immerhin wurde sie aufgrund ihres weiblichen Körpers vor den Augen ihres Sohnes öffentlich gedemütigt. Mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte legte sie Berufung ein – mit Erfolg: Das Land Berlin erkannte nun an, dass Frauen nicht schlechter behandelt werden dürfen als Männer, wenn sie sich in der Öffentlichkeit sonnen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Freilich erst, nachdem das Berliner Kammergericht deutlich gemacht hatte, dass eine Schlechterbehandlung gegenüber männlichen Besuchern anzunehmen sei, an deren Rechtfertigung Zweifel bestünden. So oder so bekam Gabrielle Lebreton nach über zwei Jahren in zweiter Instanz Recht.
Die Folgen des Urteils sind weitreichend: Zum einen bekommt das LADG seine Zähne zurück. Denn was nützt es, wenn gegen eine klare Diskriminierung nicht vorgegangen werden kann, weil irgendjemand etwas anstößig finden könnte. Zum anderen herrscht im öffentlichen Raum in Berlin nun Nippel-Gleichberechtigung. Und das nicht nur im Freibad, wie es in einigen Städten wie Göttingen oder Hamburg und mittlerweile auch in Berlin bereits der Fall ist.
Ganz zu Ende ist die Geschichte damit allerdings noch nicht: Denn das Land Berlin erkennt die Diskriminierung zwar an, will dafür jedoch nicht so richtig zahlen. Statt der geforderten 10.000 Euro Entschädigung bietet es lediglich 750 Euro. Eine Frechheit, findet Lebretons Anwältin Leonie Thum: „Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein“, sagt sie. Schließlich gehe es darum, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Bei 750 Euro Strafe könnte sich allerdings selbst das stets klamme Berlin noch die ein oder andere Diskriminierung leisten.
Gabrielle Lebreton wünscht sich für die Zukunft vor allem eines: „Dass die systematische und unerwünschte Sexualisierung des weiblich gelesen Körpers aufhört.“ Dafür allerdings braucht es mehr als Gesetze.
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