Männer-Bundesligaauftakt: Schwurbelnd und kremlfreundlich
Union Berlin macht es unserem Autor schwer, vor allem aus politischen Gründen. Er trainiert sich seine Union-Leidenschaft jetzt ab.

Fußball ist noch immer harte Männersache. Da täuschen großartige Frauenspiele ebenso wenig darüber hinweg wie mutige Schiedsrichterinnen oder offenbar kein Risiko scheuende Trainerinnen. Auf dem Platz, auf den Rängen, in der Kneipe bestimmt „er“. Und auch die Funktionärsschar ist eine reine Männertruppe.
Das Tragische besteht darin, dass sich kein Fan seine Mannschaft aussuchen kann – das Team ist auf einmal einfach da, es kommt, und schon ist es geschehen. Vielleicht hat das niemand so treffsicher beschrieben wie Nick Hornby in seinem Erstlingsroman „Fever Pitch“ 1992. Mir ging es ähnlich: Mein Vater spielte in den 1950er/60er Jahren als Halb- oder Dreiviertelprofi. Er war eine kleine regionale Bekanntheit. Wo ich aufwuchs, am Ostberliner Müggelsee, war es selbstverständlich keine Debatte wert, dass jeder Fan des 1966 gegründeten 1. FC Union war.
Allerdings stand die Mauer und damals war es selbstverständlich, dass ein Unioner auch Fan von Hertha auf der anderen Seite der Mauer war. Damals wie heute geht es immer auch um Politik und Ideologie. Ich habe viel mit Union mitgemacht: schreckliche faschistische Erfahrungen mit einer größeren Fangruppe in den 1980er Jahren, ebensolche Erfahrungen in den 1990er Jahren begleitet vom sportlichen Absturz und etlichen Skandalen.
2004 wurde Dirk Zingler Präsident. Was er in den folgenden Jahren nach holprigem Start leistete, ist kaum zu beschreiben. Aus dem Underdog wurde der Champions-League-Teilnehmer und der mitgliederstärkste Sportverein weit und breit.
Politik zog in den Verein ein
Und dann zog die Politik in den Verein ein. Zuerst wurde das sichtbar an der Personalie Oliver Ruhnert, ein sympathischer Aufsteiger aus dem Ruhrpott. Noch im tiefen Westen engagierte er sich seit 2007 für die Linkspartei. Als er 2017 zu Union kam, wurde er Chefscout und trug maßgeblich zum Sensationserfolg von Union bei – er hatte Urs Fischer verpflichtet.
Irgendwann scheint der Erfolg allen zu Kopf gestiegen zu sein. Der Pressesprecher Christian Arbeit schwurbelt seit Jahren durch die sozialen Medien und verbreitet Abenteuerliches. Dirk Zingler verbreitet seit Jahren in unsportlichen, aber sehr ideologischen und politischen Interviews Thesen, die Union und den Osten als Underdogs, als vom Westen erwünschte Verlierer, als Bollwerk gegen den Westen malen. Und Ruhnert trat aus der Linkspartei aus und wollte mit Wagenknecht und ihrer Russland-Sekte in den Bundestag einziehen.
Kooperation mit Holger Friedrich
Der neueste Coup: Union geht mit dem Berliner Verlag von Holger Friedrich zusammen, dessen Organe als kremlnah gelten. Auf den Union-Dauerkarten darf sich jeder über Weltbühne-Werbung „freuen“, im Stadion ist die Bandenwerbung auf Berliner Zeitung abgestellt. Doch nicht nur die Führungscrew scheint das Problem zu sein, auch aus der Fankurve höre ich bislang keine Kritik.
Fußball bietet alles, was eine Gesellschaft ausmacht. Auch Enttäuschungen. Ich trainiere mir jetzt meine Union-Leidenschaft ab. Aber natürlich bin ich bereit, das zu revidieren, wenn die politisch-ideologische Führung von Union wieder eine sportliche wird.
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