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Männer-BundesligaauftaktSkepsis nach dem Aufstieg

Zwei der verlorenen Großklubs sind wieder da, darunter der alte Dino HSV. Doch nach einer schweren Vorbereitung ist die Euphorie verflogen.

Nur der HSV! Aber wie lange in Liga 1? Trainingsauftakt mit Coach Merlin Polzin Foto: Christian Charisius/dpa

Euphorie ist nie ein guter Ratgeber. Kein Wunder, dass überall, wo diese Euphorie ruch- und spürbar wird, sofort der Ruf nach der entsprechenden Bremse laut wird. So auch, hoffentlich, in Hamburg. Einst im Mai, als man das Volksparkstadion nach dem so symptomatisch dramatischen 6:1-Sieg über Ulm auseinandergenommen hatte als sei 1979, durfte man sich als Heimkehrer fühlen, als Dino, der nach den eingeschlagenen Kometen doch wieder auf die Erde zurückgekehrt ist, sogar die gute, alte Stadionuhr war wieder im Gespräch. Jetzt im August aber ist die Euphorie nahezu verflogen, der Hamburger SV ist fast sieglos durch eine äußerst schwere Saisonvorbereitung gegangen und hat sich nur mit Müh und Not nicht in Pirmasens im Pokal blamiert.

Damals im Mai, es ist drei Monate her, habe ich den endlichen Wiederaufstieg des HSV prosaisch allein zu Hause gefeiert; Weib und Kind schliefen, die Fußballguckkneipe war weit, weit weg. Die Kumpels vom inoffiziellen Fanklub gaben sich in den sozialen Medien schon damals skeptisch, zu prägend war die Zeit, und auch ich musste mich erst daran gewöhnen, dem Zweitliga-Auftakt weniger Interesse entgegenzubringen. Was geht mich Darmstadt 98 noch an? Es waren sieben lange, sieben harte Jahre.

Und doch erinnere ich mich auch an den Türsturz, unter dem ich den Abstieg in besagter Kneipe miterleben musste. Ich stand da und soll nach Angaben von Zeugen geweint haben; an die Tränen erinnere ich mich nicht, an das Gefühl der Verlorenheit, dem Ende einer dieser lebenslangen Leidenschaften durchaus.

Es soll nie wieder so sein, natürlich, aber es kann durchaus wieder passieren. Es sollten alle, die mit dem Traditionsverein aus dem Norden der Hansestadt halten, gewarnt sein, nicht nur wegen der öffentlichen Stimmen, die den Wiederabstieg voraussagen, dem unsicher wirkenden Kader, der mangelnden Qualität in der Breite und den üblichen Querelen in der Medienlandschaft und im Verein selbst (sogar das schöne HSV Live-Heft wurde eingestellt, scheiß Seitenwende). Ich habe ähnliche Szenarios nämlich bereits in Köln erlebt, wo auch so ein ehemaliger Großklub nach durchrauschten Aufstiegsnächten doch wieder runtermusste im Folgejahr. Und das nicht nur einmal.

Absoluter Fehlstart droht

Die Auslosung – Auslosung? Wie geht das eigentlich genau vonstatten? – der ersten Spieltage in der ersten Bundesliga schien dann auch wie ein schlecht ausgedachter Witz: Erst geht es für den HSV auswärts nach Gladbach, sozusagen das Rückspiel zum Abstiegsspiel damals, dann kommt die Stadtmeisterschaft zu Hause und dann geht es zum FC Bayern. Nicht nur, dass ein absoluter Fehlstart droht – es könnte am Ende demütigend werden. Die letzten Derbys in Liga zwei und die 2:27-Quote bei den Bayern hat man nicht so schnell vergessen, so man die Raute im Herzen trägt. Das sind Narben, die einen zeichnen.

Apropos Bayern: Nicht nur die scheinen gerade zu zeigen, wie man durch einen eingeschmuggelten Maulwurf im Management die eigene Position unterminiert. Gut, Stefan Kuntz, eigentlich ja Pfälzer, hatte als Sportdirektor bisher ein gutes Gespür für die Befindlichkeiten am Tor zur Welt. Aber groß was reißen am Transfermarkt konnte man für diese Saison bislang nicht; und was bzw. wer gekommen ist, muss sich erst einarbeiten.

Es wird ein Lehrhalbjahr werden für den Verein mit der großen Geschichte. Man kann nur hoffen, dass der HSV am Ende der Vorrunde nicht allzu abgeschlagen ist und man daraufhin keine Panikreaktionen zeigt. Sollte man das schaffen, ist ein mühsamer Schwimmkurs ans rettende Ufer in der Rückrunde durchaus möglich. Man muss nur dran glauben.

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