Macron macht leichte Zugeständnisse: Rentenreform ohne Alter
Der französische Präsident Emanuel Macron macht beim Gesetzentwurf für die Rentenreform leichte Zugeständnisse – und warnt vor einer Eskalation.
Die Vorlage beinhaltet die Vereinigung der heute 42 separaten Kassen in einer einzigen, die Umstellung auf ein Punktesystem zur Berechnung der Höhe der Renten während des ganzen Erwerbslebens statt anhand der 25 besten Jahre im Privatsektor oder der letzten sechs Monate für die Beamten sowie eine geringfügige Erhöhung der Mindestrenten. Der langfristig wichtigste Punkt der Reform besteht darin, dass in Zukunft die Gesamtausgaben für die Renten den heutigen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 14 Prozent nicht übersteigen sollen.
Die ursprünglich angekündigte schrittweise Einführung einer Erhöhung des Rentenalters auf 64 Jahre steht dagegen nicht mehr explizit in dem Text. Dieser überträgt aber der Regierung die Kompetenz, je nach Finanzlage die Altersgrenze für den Ruhestand mit dem Anspruch auf eine volle Pension anzupassen – es sei denn, die Sozialpartner einigen sich auf eine andere Lösung zur langfristigen Finanzierungen der Renten. Die Gewerkschaften und die linke Opposition sind gegen diese Reform.
Nach 50 Tagen Demos und Streiks im öffentlichen Verkehr und im Gesundheitswesen, in der Verwaltung, in den Schulen, Kraftwerken sowie Blockaden in den Häfen und vor Raffinerien machen sich aber bei den Gegnern Ermüdungserscheinungen und der Druck der finanziellen Einbußen bemerkbar. Sie haben die öffentliche Meinung angeblich auf ihrer Seite, da laut einer letzten Umfrage für den Fernsehsender BFM-TV 61 Prozent gegen diese Reform sind.
Misstrauen gegenüber Macron
Negativ für die Regierung wirkte sich aus, dass eine „Impact“-Studie über die absehbaren positiven oder negativen Folgen für die verschiedensten Kategorien und Jahrgänge mit Fallbeispielen erst am Freitag publiziert wurde. Diese soll es allen ermöglichen, zu prüfen, ob sie zu den Gewinnern oder Verlierern des neuen Systems gehören. Alle haben aber bereits verstanden, dass sie für gleich viel oder weniger länger arbeiten sollen als bisher.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
In Frankreich arbeitet bislang weniger als ein Drittel der 60- bis 64-Jährigen. Der Mangel an Transparenz beim Vorgehen der Regierung, die heute einräumt, dass viele Punkte noch geklärt werden müssten, hat das Misstrauen noch verstärkt.
Die Zehntausenden, die am Freitag erneut demonstriert haben, wollen daran glauben, dass die Bewegung unvermindert weitergeht und dass Präsident Macron zur „Einsicht“ kommt und die Reform doch noch zurückzieht. Der Staatschef warnte dagegen seine Gegner, in ihrer Wut auf eine gewaltsame Eskalation zu setzen. Er hat persönlich in den letzten Tagen Morddrohungen erhalten. Und bei einem Theaterbesuch vor einer Woche versuchten Demonstranten, den Saal zu stürmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen