Machtkampf in der Union: Laschet wird zur Last
Kanzlerkandidat Armin Laschet verliert auch im Streit um den Fraktionsvorsitz. Doch noch immer hofft er, eine Jamaika-Koalition anzuführen.
I n „normalen“ Zeiten hätte Armin Laschet am Dienstagabend nach dem Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag greifen müssen. Die wahrscheinlichste Variante ist, dass die Union in der Opposition landet – da ist der Posten des Fraktionschefs der einflussreichste, der für CDU und CSU bleibt. Laschet war Kanzlerkandidat und ist noch immer Chef der größten Schwesterpartei, damit ist er intern der natürliche Kandidat für den Posten des Oppositionsführers. Doch in der Union ist seit dem Wahldebakel am Sonntag nichts mehr normal.
Laschet musste fürchten, die Abstimmung in der eigenen Fraktion zu verlieren. Am Ende schaffte er es nicht einmal, sich mit dem Vorschlag durchzusetzen, dass der alte Fraktionschef kommissarisch im Amt bleibt, bis die neue Regierung steht. Das zeigt, wie schwach der CDU-Chef inzwischen ist. Allein die Angst davor, dass sein Sturz die Chancen auf eine Rettung in eine Jamaika-Koalition weiter verschlechtern würde, verhindert derzeit noch, dass genau dies passiert. Zwar nehmen die Stimmen derer zu, die eine Erneuerung in der Opposition fordern, doch die Mehrheit der Unions-Spitze will wieder an die Macht – trotz allen neuen Geredes von „Demut“ und „zweitem Platz“.
Dabei wird Laschet von den eigenen Leuten fröhlich weiter demontiert. Ganz vorne dabei, wieder einmal: CSU-Chef Söder. Der betonte am Dienstag, dass Scholz die besten Chancen habe, Kanzler zu werden. Gratulierte dem SPD-Kandidaten demonstrativ – und betonte, wie wichtig es sei, das Wahlergebnis zu respektieren. Ein Seitenhieb auf Laschet nach dem nächsten. Damit treibt er all die in der CDU weiter an, die ihren Parteichef lieber heute als morgen loswerden wollen – und die werden täglich mehr.
Vielleicht braucht Söder das, um sein Trauma zu bearbeiten, dass die Union Laschet zum Kanzlerkandidaten kürte, obwohl sie doch auch ihn hätte haben können. Er lenkt damit aber auch vom schlechten Ergebnis ab, das die CSU in Bayern selbst erzielte. Und von seinem eigenen Anteil an dem Debakel. Möglichst viel Schuld bei Laschet in Berlin abladen, das ist Söders Devise.
Ob er darauf hofft, im Spiel über zahlreiche Banden am Ende doch noch Kanzler in einer Jamaika-Koalition werden zu können, wie am Dienstag in einigen Medien spekuliert wurde, ist ungewiss. Sicher aber hat er die bayrische Landtagswahl in zwei Jahren im Blick. Denn zuletzt hat Söders CSU ja nicht nur bei der Bundestagswahl deutliche Einbußen hinnehmen müssen, schon bei der Landtagswahl 2018 sah es nicht besser aus. Ein drittes Mal kann Söder sich das nicht leisten – oder sein Nimbus als starker Macher wäre dahin. Und mögliche Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur 2025 vielleicht auch.
Und Laschet? Der hat am Sonntagabend den richtigen Zeitpunkt verpasst, um noch mit einer gewissen Restwürde zurückzutreten. Seitdem macht er weiter wie zuvor, mit zu vielen Fehlern. Doch Laschets einzige Hoffnung, das ganze Drama politisch doch noch zu überleben, hängt daran, dass er sich in eine Jamaika-Koalition retten kann. Dass der Mann leidensfähig ist und Steherqualitäten hat, das zumindest hat er in den vergangenen Monaten eindrucksvoll bewiesen. Er wird also ausharren, so lange er kann.
Mit anzusehen, wie demütigend das ist, ist schwer erträglich. Auch kann man bezweifeln, ob man einen solchen Kanzler überhaupt will. Machtpolitisch aber besteht durchaus noch eine Restchance, dass es Laschet am Ende ins Kanzleramt schafft. Dann würde sich am Ende trotz allem sein Image als Stehaufmännchen noch einmal durchsetzen. Nur: Wahrscheinlich ist das derzeit nicht.
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