Machtkampf in Niedersachsens AfD: Missglückter Putsch von oben
Bei einem Geheimparteitag in Hannover scheitert AfD-Landeschef Hampel mit der Entmachtung der Basis – und droht mit Rücktritt.
„Irritiert und mit Unverständnis“ hätten die Mitglieder der rechtspopulistischen Partei auf die Rücktrittsdrohung ihres Landesvorsitzenden reagiert, so Wilharm zur taz. Zwar sei auch er selbst am Sonntag bei dem Geheimtreffen nicht mehr vor Ort gewesen, schränkt Hampels im Januar zurückgetretener Ex-Vize ein – allerdings hätten ihm zahlreiche Anwesende den Auftritt des Landesvorsitzenden „unisono“ so geschildert.
Unabhängig überprüfen lässt sich das kaum: Der AfD-Landesparteitag in Niedersachsens Landeshauptstadt fand ohne jede Information der Öffentlichkeit statt, die Presse war nicht eingeladen. Begründet wird dies mit einer angeblichen Gefährdung der Treffen der Rechtspopulisten durch Störer. Hampel selbst stilisiert seine Partei gern zum Opfer: Nach der Kommunalwahl warf er Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und dessen Innenminister Boris Pistorius (beide SPD) vor, die AfD nicht gegen die „kriminelle Arbeit politischer Aktivisten“ zu schützen.
Die Geheimniskrämerei hat für den Ex-Journalisten Hampel entscheidende Vorteile: Informationen über AfD-internen Streit erscheinen nur mit Verzögerung. Der einstige ARD-Auslandskorrespondent versucht so offenbar, die Berichterstattung gezielt zu steuern: Selbst nach dem Eklat vom Sonntag war er für die taz, aber auch für andere Medien wie die Hannoversche Allgemeine oder Bild nicht zu erreichen, schwieg eisern.
Armin-Paul Hampel, geboren 1957 in Bielefeld, führt Niedersachsens AfD seit 2013 an.
Konservativ war der Ex-Journalist schon immer: Volontiert hat Hampel beim staubtrockenen Bonner Generalanzeiger, wechselte dann zum von CDU-Kanzler Helmut Kohl geschaffenen Privatfernsehen.
Nach dem Ende der DDR wurde er Nachrichtenchef beim MDR, berichtete als Korrespondent aus den USA. Als letzte Karrierestation leitete Hampel das Südasien-Studio der ARD in Neu-Delhi.
Dort verabschiedete er sich 2008 mit nur 51 Jahren. Heute lebt der Ex-Reserveoffizier in der Lüneburger Heide.
Dafür reden andere. Hampel sei mit seinem Versuch gescheitert, den ultrakonservativen Vertriebenenfunktionär Wilhelm von Gottberg als seinen Stellvertreter zu installieren. Der 75-jährige Ex-Christdemokrat, der seit 1991 als Bürgermeister von Schnega im Kreis Lüchow-Dannenberg amtiert, soll Aktivitäten des rechtsextremen Verlegers Dietmar Munier unterstützt haben: Der will in der russischen Exklave Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, Russlanddeutsche ansiedeln, um dort „neue Fakten für eine deutsche Perspektive“ zu schaffen.
Doch der 59-jährige Hampel, der selbst Sohn Vertriebener ist, scheiterte. Statt Gottberg amtiert künftig Astrid zum Felde aus Grünendeich bei Stade als stellvertretende Landeschefin. Die sei „engagiert und fleißig“, ist aus der AfD zu hören – ein weiterer Seitenhieb auf Hampel, der selbst zu offiziellen Terminen oft verspätet anreist.
Versuchter Griff in die Kassen der Kreisverbände
Nicht umsetzen konnte der einstige Fernsehmann auch Satzungsänderungen, mit denen Posten von Generalsekretär und Landesgeschäftsführer ebenso gestrichen werden sollten wie der „Konvent“ genannte kleine Parteitag. Hampel plane einen Putsch von oben, habe versucht, seine Position als Landeschef langfristig abzusichern, glauben deshalb viele AfDler.
Empört hat viele Funktionäre auch der Versuch, den Landesverband mit einem tiefen Griff in die Kassen der Kreisverbände finanziell besser aufzustellen. Aktuell erhalten die Kreisverbände 60 Prozent der Mitgliedsbeiträge. Wäre es nach Hampel gegangen, hätte dieser Anteil in Krisenfällen auf bis zu 28 Prozent abgesenkt werden können – doch dieser Teil des Putsches scheiterte ebenfalls.
Trotzdem glaubt in der AfD kaum jemand an einen dauerhaften Abgang des Landeschefs: Seit Jahren halten sich bei den Rechtspopulisten Gerüchte, Hampel sei finanziell knapp. Parteiinterne Erfolge brauche er deshalb dringend – für ein Bundestagsmandat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin