„Lockerung“ in Saudi-Arabien: Einsperren statt Auspeitschen
Die archaische Strafe des Auspeitschens wird in Saudi-Arabien in Zukunft durch Geld- und Haftstrafen ersetzt. Doch Kritik bleibt lebensgefährlich.
So solle künftig die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards hinsichtlich körperlicher Bestrafungen in Saudi-Arabien gewährleistet werden, heißt es in der jüngst getroffenen Entscheidung des Gerichtshofes.
Die Menschenrechtskommission der saudiarabischen Regierung begrüßte den Beschluss. „Gemäß dieser Entscheidung werden frühere Urteile zum Auspeitschen durch Gefängnisstrafen und Geldstrafen ersetzt“, erklärte Awad Al-Awad, der Vorsitzende der Kommission. Die Reform sei „ein großer Schritt nach vorn“.
Zuvor stand das von Menschenrechtsorganisationen heftig angeprangerte Auspeitschen als Strafe auf Tötungsdelikte, aber auch auf die Störung der „öffentlichen Ordnung“ sowie auf außereheliche Beziehungen. Die Richter sollen in diesen Fällen künftig neben den Haft- oder Geldstrafen auch Strafen zur gemeinnützigen Arbeit verhängen.
Menschenrechtsaktivist stirbt in der Haft
Der Schritt erfolge im Zuge der Reformen unter Führung des saudiarabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, hieß es weiter in Riad. Der Kronprinz, der seit 2017 de facto die Politik des Landes bestimmt, strebt eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Öffnung des streng konservativ-islamischen Königreichs an, die jedoch nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen von einer verstärkten Repression gegen Kritiker begleitet wird.
Die Veröffentlichung der Gerichtsentscheidung erfolgte, nachdem der Menschenrechtsaktivist Abdallah al-Hamid am Freitag im Gefängnis an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben war. Der 69-jährige al-Hamid hatte eine elfjährige Freiheitsstrafe verbüßt, laut Amnesty International unter anderem, weil er die „Treue zum Königshaus“ gebrochen und die „öffentliche Ordnung“ gestört habe.
In den vergangenen Jahren hatte der Fall des Bloggers Raif Badawi für Schlagzeilen gesorgt. Weil er sich öffentlich für Meinungsfreiheit engagiert hatte, wurde Badawi 2014 wegen Beleidigung des Islam zu tausend Peitschenhieben und zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Neben den drakonischen Strafen wie dem Auspeitschen prangern Menschenrechtsorganisationen den häufigen Vollzug der Todesstrafe in Saudi-Arabien an. „Saudi-Arabien hat 2019 eine Rekordzahl von Menschen hingerichtet – trotz eines allgemeinen Rückgangs der weltweiten Hinrichtungszahlen“, heißt es im jüngsten Amnesty-Jahresbericht zur Todesstrafe. Demnach wurden im vergangenen Jahr in dem Königreich 184 Menschen hingerichtet und damit mehr als in den Jahren zuvor. „Die zunehmende Anwendung der Todesstrafe in Saudi-Arabien, auch als Waffe gegen politische Dissidenten, ist eine alarmierende Entwicklung“, erklärte Amnesty.
Corona-Ausgangssperren gelockert
Zugleich hat Saudi-Arabien die Ausgangssperre zur Eindämmung des Coronavirus teilweise gelockert. Ab Sonntag und bis vorerst 13. Mai dürfen Menschen ihre Häuser täglich zwischen 9 und 17 Uhr wieder verlassen, wie König Salman der staatlichen Nachrichtenagentur SPA zufolge anordnete. In der Stadt Mekka, dem wichtigsten Wallfahrtsort für Muslime, besteht die komplette Ausgangssperre aber weiter.
Ab kommenden Mittwoch und für zunächst zwei Wochen dürfen Einkaufszentren sowie Groß- und Einzelhändler wieder aufmachen, Fabriken und Bauunternehmen können ihre Arbeit ebenfalls wieder aufnehmen. Cafés, Restaurants, Sportclubs, Kinos und Friseure müssen weiterhin geschlossen bleiben.
In Saudi-Arabien haben sich nach offiziellen Angaben etwa 16.300 Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert. Damit ist das Königreich im arabischen Raum am stärksten vom Coronavirus betroffen. Saudi-Arabien hatte wegen der Pandemie bereits Pilgerfahrten in die Städte Mekka und Medina ausgesetzt.
Auch die Wallfahrt Hadsch, die Ende Juli beginnt, könnte wegen des Virus ausfallen. Muslime wurden aufgerufen, vorerst keine Vorbereitungen für die Wallfahrt zu treffen.
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