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Lockerung der Corona-MaßnahmenVernünftig, aber widersprüchlich

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Der deutsche Föderalismus ist der Krise gewachsen. Die Liste der Ungereimtheiten ist jedoch lang – besonders was die Schulen angeht.

Sie kann bald wieder zum Friseur: Szene in Köln Foto: Bernd von Jutrczenka/ap

N icht zu schnell zu viel. Die Lage soll unbedingt beherrschbar bleiben. Das ist pi mal Daumen die Richtung von Bundesregierung und Ländern. Angela Merkel lässt sich von einem Schlüsselargument leiten: Schon ein geringfügiger Anstieg der Ansteckungsrate kann den Flächenbrand, den man gerade ausgetreten hat, wieder entfachen.

Deswegen sind die Lockerungen äußerst vorsichtig. Demnächst werden ein paar Schulen und Geschäfte wieder öffnen, aber die harten Einschränkungen bleiben: Das Kontaktverbot bleibt bestehen. Demos bleiben eher verboten, auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Hürde dafür etwas höher legt.

Das komplexe föderale System ist der Krise einigermaßen gewachsen. Angesichts des Zeit- und Problemdrucks könnte es zu langsam und manövrierunfähig sein. Aber abgesehen von ein paar Profilierungsversuchen von Armin Laschet und Markus Söder funktioniert der Föderalismus. Der Bund steckt das Terrain ab – die Ausgestaltung bleibt den Ländern überlassen.

In Berlin startet die Schule schneller, für Abiturklassen schon nächsten Montag, in Bayern erst später. Manches wirkt dabei einsichtig, weil auch die Coronafälle unterschiedlich verteilt sind – anderes nicht. Warum bleiben in Brandenburg die Schulen weitgehend geschlossen, während die Oberstufen in Mecklenburg-Vorpommern bald wieder Schule haben?

Rätselhafte Öffnung der Friseurläden

Die Liste der Ungereimtheiten ist länger. Rätselhaft scheint, dass Friseure bald wieder Haare schneiden, während in manchen Bundesländern auch ältere SchülerInnen, die soziale Distanz durchaus einhalten können, zu Hause bleiben müssen. Was tun die Eltern, die in jenen Geschäften arbeiten, die nun wieder öffnen, wenn die Kitas weiter geschlossen bleiben?

Zu der App, die Wunder wirken soll, erfährt man nur lapidar, dass sie irgendwann einsatzfähig sein soll. Die präzise nachvollziehbare Begründung, warum was wann geschieht und wie es weitergehen kann, fehlt streckenweise. Die war auch noch nie Angela Merkels Stärke.

Andererseits: Wenn man den zwischen Verharmlosung und Panikattacke irrlichternden Kurs von Boris Johnson und Donald Trump anschaut, wirkt die Bundesrepublik wie ein Hort der Vernunft. Merkel und Olaf Scholz erscheinen wie Krisenmanager, die ihr Bestes tun, um im Nebel zu navigieren. Manche dünne Begründung und widersprüchliche Regel mag verwunderlich oder ärgerlich sein. Schlimm sind sie nicht – verglichen mit den Kühlwagen, in denen anderswo vor Krankenhäusern Leichen liegen. Die tastende Bewegung von Bundesregierung und Ländern in Richtung Öffnung ist grosso mode einleuchtend.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Andererseits: Wenn man den zwischen Verharmlosung und Panikattacke irrlichternden Kurs von Boris Johnson und Donald Trump anschaut, wirkt die Bundesrepublik wie ein Hort der Vernunft.""



    ==



    Johnsons und Trumps Verhalten kosten Menschenleben - beide gehen über Leichen - und zwar Kühlhäuser voller Leichen. Erschreckend - vor allem die Propagandattacken - als ob sie Ihre unglaubliche Fehlbesetzung für Ihre Jobs jeden Tag immer wieder aufs Neue beweisen müßten. Rechtspopulismus killt die Fähigkeit zum rationalen Denken und Handeln zum Schaden aller - kann derzeit in Uk & USA eindrucksvoll besichtigt werden.

    BaWü, Bayern und NRW als bevölkerungsreichstes Bundesland sind stärker von der Krise betroffen als andere - wenn Söder zu sehr den Lockdown aufschliesst mit der Gefahr, das sich die Reproduktionszahl wieder erhöht sähe es in Bayern düster aus -



    dann wäre der Shutdown in den letzten 4 Wochen umsonst gewesen. Dieses Risiko kann er nicht eingehen - MacPom oder Bremen schon.

    Ansonsten - unmöglich in dieser Situation Entscheidungen treffen zu können die den Konsens von allen findet - irgendjemand wird sich immer unsanft auf die Füsse getreten fühlen. -

    Was jetzt kommt ist Try und Error - und das mit den Friseuren ist ein Versuchsballon. Wenn die es schaffen KEINE neuen Infektionsnester - und -ketten auszulösen ist wohl einiges andere auch möglich. Das war wohl der Gedanke bei dieser weniger ins Bild passenden Maßnahme.

  • Warum sollen Bayern oder Baden-Württemberg zusammen mit 14 Ländern gemeinsame Regelungen schaffen? Jedes dt. Bundesland hat eine souveräne, demokratisch gewählte Regierung. Diese soll, muss so handeln, wie es die Fallzahlen, personelle und materiellen Voraussetzungen verlangen. Nicht wie Laschet es gern hätte. Der Corona-Virus hat einen Flickenteppich unterschiedlicher Fallzahlen, Todeszahlen hinterlassen, sonst Keiner. Merkel hat sich da heraus zu halten, Schulen, Bildung ist Ländersache! Die Probleme können nicht die Parteiideologie, persönliche Wohlempfinden von Laschet/Streeck/Mronz/Dieckmann, Eltern, Künstler, Bildung sein.

    • @Vordenker112:

      so ist es: Föderalismus ist bei der Gefahrenprognose unerlässlich. Im übrigen sollte die TAZ aufhören die Studie von Streeck abzuwerten. Sie ist nicht parteipolitisch angelegt. Das sieht nunauch Drosten: www.zdf.de/politik...pril-2020-100.html