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Lobbyarbeit für und gegen ProstitutionDas Bordell Europas

Das geplante Prostituiertenschutzgesetz ist umkämpft. BefürworterInnen der Sexarbeit ist es zu streng, GegnerInnen zu lasch.

SPD-Politikerin Leni Breymaier, Sozialarbeiterin Sabine Constabel und die ehemalige Prostituierte Huschke Mau bei der Pressekonferenz des Vereins „Sisters“. Foto: dpa

berlin taz | Prostituierte haben einen „emotionalen und seelischen Dachschaden“. Weil sie von „Männern in den Arsch gefickt werden, bis sie heulen“, und einen „Schwanz tief in den Rachen gerammt kriegen“. Wer redet so? Huschke Mau redet so. Sie war mal eine Sexarbeiterin und ist vor dreieinhalb Jahren aus dem Rotlichtmilieu ausgestiegen.

Huschke Mau, Anfang 30, halblange Perücke, stark geschminktes Gesicht, große schwarze Brille, sitzt am Montagmorgen im Berliner Regierungsviertel und erzählt, wie das war, als sie mit 18 Jahren in die Prostitution eingestiegen ist. Und wie es war, als sie nach zehn Jahren wieder raus wollte. In der Beratungsstelle, die sie aufgesucht und von der sie Beistand und Schutz erwartet hatte, sei ihr gesagt worden: „Dann geh doch einfach nicht mehr ins Bordell.“ Huschke Mau sagt: „So einfach ist das nicht. Prostituierte haben mit Drogen, Süchten, Schulden und Abhängigkeiten zu tun.“ Sie kenne keine Frau, die mit Hilfe einer Beratungsstelle ausgestiegen sei.

Mau weiß genau, was Sexarbeit bedeutet. Das hört man, und das spürt man. Die Ex-Hure hat sich dem gerade gegründeten Bündnis Sisters angeschlossen, das sich „für den Ausstieg aus der Prostitution“ starkmacht.

Sexarbeit und wie Deutschland damit umgehen soll – gesellschaftlich, juristisch, als Arbeitsmarkt – ist derzeit ein heiß umkämpftes Feld. Das geplante Prostituiertenschutzgesetz von Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht unter anderem eine Anmeldepflicht für SexarbeiterInnen vor. Darüber hinaus sollen sich Frauen und Männer im Sexgeschäft gesundheitlich beraten lassen. Dagegen wehren sich Prostituierten- und Frauenverbände, aber auch Sozialvereine sowie die Deutsche Aids-Hilfe. Das Gesetz, das 2016 in Kraft treten soll, werde „schaden statt schützen“, wertet die Juristin Maria Wersig vom Deutschen Juristinnenverband.

Das ist Lobbyarbeit: für Prostitutierte. Sisters betreibt auch Lobbyarbeit: gegen Prostitution. Die Debatte über Prostitution sei „eskaliert“, findet Sabine Constabel. Die Sozialarbeiterin betreut in Stuttgart Prostituierte und hat die Gründung von Sisters maßgeblich vorangetrieben.

Beide Seiten argumentieren überspitzt

Lobbyarbeit ist üblich hierzulande. Warum nicht auch bei der Prostitution? Das Problem hierbei allerdings ist, dass jede Seite mit überaus zugespitzten Argumenten arbeitet.

Prostituierte haben mit Schulden und Süchten zu tun

Huschke Mau, Ex-Prostituierte

So sagte Undine, eine Hamburger Hure, die über ihre Website gebucht werden kann, in der taz über Zwangsprostitutierte: „Ich bin seit 20 Jahren Sexarbeiterin und habe Kolleginnen aus aller Herren Länder. Aber ich kenne kein einziges Opfer.“ Huschke Mau hingegen kennt „keine Prostituierte, die keine Gewalt erlebt hat“ und den Job freiwillig mache. Unter Zwang versteht Mau nicht nur, dass eine Frau von einem Freier in die Sexarbeit gedrängt werde. Unter Zwang litten auch Frauen, die kein Geld haben und in der Prostitution einen letzten Ausweg sähen, ihr Leben zu finanzieren. Sowie Frauen, die in ihrer Kindheit und Jugend missbraucht und misshandelt worden seien.

„Wir sind das Bordell Europas geworden“, findet Sozialarbeiterin Constabel. In Stuttgart erlebe sie, wie das Geschäft mit osteuropäischen Sexarbeiterinnen laufe: Ganze Familienverbände seien darin verstrickt, da würden Männer mit jungen Töchtern nach Deutschland reisen und ihr sagen, sie werde in einer Küche arbeiten. Dann lande das junge Mädchen, das vielleicht nicht mal lesen und schreiben kann, im Bordell und habe ihren ersten Sex mit fremden Männern. Das Geld, das sie dabei verdiene, werde an die Familie geschickt, die würde davon Essen und Strom bezahlen.

Zimmermädchen statt Prostituierte?

„80 bis 90 Prozent der Prostituierten in Stuttgart sind Osteuropäerinnen“, sagt Constabel. Zumeist Rumäninnen, früher seien es Tschechinnen und Polinnen gewesen. Sie seien dem „System hilflos ausgesetzt“, sagt Constabel. Die Sozialarbeiterin und der Verein Sisters streben „eine Welt ohne Prostitution“ an.

Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere auch, da sind sich BefürworterInnen und GegnerInnen ausnahmsweise einig. In welchen Bereichen sollten Aussteigerinnen arbeiten? Zum Beispiel als Reinigungspersonal, schlägt Constabel vor: „Oder als Zimmermädchen oder als Küchenhilfen.“ Also in schlecht bezahlten und sozial nicht gut angesehenen Jobs.

Huschke Mau sagt, sie führe jetzt ein bürgerliches Leben. Wie das aussieht und welchen Job sie hat, sagt Mau nicht.

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10 Kommentare

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  • P.S. Im übrigen möchte ich bezweifeln, dass wir tatsächlich "das Bordell Europas" sind. Und selbst WENN... ist das SOO schrecklich? Lieber das "Bordell Europas" - als der "Zuchtmeister Europas" - man denke an die Griechenlandpolitik der Eurokraten die unter dem Primat der Bundesrepublik Deutschland ein ganzes Land in den Ruin treiben ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Oder wie wäre es stattdessen mit "Der Waffenschieber Europas"? Immerhin verdient sich die deutsche Rüstungsindustrie eine Goldene Nase mit Waffenlieferungen an Saudi-Arabien - und die Saudis unterstützen die ISIS. Aber über SOWAS regen sich die ehrenwerten "Sisters" nicht weiter auf - genausowenig wie etliche ForistInnen, die hier und anderswo in Rettungspornografie schwelgen. "Bordell Europas" - so what? Ich jedenfalls kann mich nicht erinnern, dass jemals in der Geschichte der Menschheit eine Hure einen Krieg vom Zaun gebrochen hätte!

  • Nun ja, wir haben mal darüber gesprochen. Das Deutschland der Mega-Puff Europas geworden ist, das kommt auch einigen Kreisen in der Politik nur recht, sprudeln doch Steuern, boomt der Tourismus dadurch.

     

    Die Toleranz aber gegenüber der Branche hat ihre Kehrseite und die heißt: Moderne Sklaverei.

     

    Unsere Freier und die vielen Sex-Touristen schaffen einen Markt für (meist weibliche) Sklaven nud werden dafür nicht mal im Ansatz thematisiert. Wer mit einer Frau gegen Geld schläft, die dazu gezwungen wird, der macht sich moralisch strafbar, legal nicht, jedenfalls nicht hier in Deutschland. Aber jeder Euro durch so einen Deal landet bei Sklavenhändlern und befeuert das Geschäft, sorgt für weitere Frauen, die da reinprügelt oder psychologisch reintrickst werden und meist den Ausgang nicht mehr ohne Polizei finden können.

     

    Und ganz so leicht ist das Ganze auch nicht, weil strikte Verbote teilweise das Ganze noch befeuern. Aber die Politik darf nicht wegsehen, wenn junge Frauen wie Vieh nach Deutschland verkauft werden und hier teilweise im Akkord Freier bedienen müssen, dabei sogar noch arm bleiben, weil sie von ihrem Verdienst nix behalten dürfen.

    • @Andreas_2020:

      Werter Mitforist - die deutsche Politik sollte auch nicht wegsehen, wenn junge Frauen als Arbeitstiere in den Fleischfabriken schuften, 14 Stunden am Stück am Band stehen für einen Hungerlohn, dann in ihre Schlaffabriken gekarrt werden, wo die Betten im Schichtbetrieb belegt sind und genauso arm wieder nach Hause fahren wie sie hergekommen sind, weil der Löwenanteil ihres Hungerlohnes ihnen vom Quartierwirt wieder abgenommen wird - und der ist nicht selten ein Strohmann ihres Arbeitgebers. AUCH DA sollte die Politik nicht wegsehen - tut sie aber... Wir hatten vor geraumer Zeit in meinem Heimatort einen Fall von Kindesaussetzung. Die Mutter des Säuglings konnte ermittelt werden: eine Werksvertragsnehmerin eines hiesigen Metzgerei-Großbetriebes. Diese Frauen sind nicht einmal erreichbar für aufsuchende Sozialarbeit , weil sie wie Gefangene gehalten und von der Öffentlichkeit abgeschottet werden - die ärmste Straßenhure ist besser dran als sie....

  • Praktiken wie "in den Arsch gefickt werden", oder „Schwanz tief in den Rachen gerammt kriegen“ kommen im Zusammenhang mit Prostitution immer besonders reißerisch rüber, sind aber keineswegs Erfindungen der Prostitution und haben auch herzlich wenig mit einem „emotionalen und seelischen Dachschaden“ zu tun. Die Debatten über Prostitution versickern leider auch in der taz regelmäßig in latenter Sexualfeindlichkeit gepaart mit elender Pseudopsychologie.

  • Ohne Bedingungsloses Grundeinkommen (für Alle) lässt sich das Thema einfach nicht sinnvoll diskutieren.

    Insbesondere ist das Konzept von der "Freiwilligen Sexarbeit" einfach völlig abseitig und realitätsfern, solange es sowieso quasi keine völlig freiwillige Erwerbsarbeit gibt.

    Wer das Thema Soziale Sicherheit vermeidet, spielt hier also den Verbotsbefürwortern in die Hände, auch wenn offensichtlich weder ein totales, noch ein skandinavisches Verbot, noch eine straffe Regulierung alle Probleme im Zusammenhang mit Prostitution lösen können.

    • @Eric Manneschmidt:

      Soziale Sicherheit ist ohne Zweifel extrem wichtig, wenn man sinnvoll diskutieren will.

       

      Allerdings ist das bedingungslose Grundeinkommen absolut ungeeignet, um soziale Sicherheit zu erzeugen. Mehr Privateinkommen ohne zusätzliche Produktionskapazität führt schlicht und einfach zu Inflation.

       

      Arbeitsplatzgarantien im öffentlichen Dienst, hingegen, würden sowohl Ausstiegsalternativen anbieten, als auch zusätzliche Leistungen zur Verfügung stellen.

      • @BigRed:

        Auch wenn der Kommentar vermutlich satirischer Art war...zur Sicherheit:

        Ein BGE hat nichts mit einem "Mehr an Privateinkommen" zu tun, da es (in praktisch allen diskutierten Varianten) in erster Linie steuerfinanziert wird.

         

        Dass Arbeitsplatzgarantien im öffentlichen Dienst zusätzliche Leistungserbringung zur Folge hat...ist dann wohl der eindeutig satirische Teil.

    • @Eric Manneschmidt:

      Ich stimme @ERIC MENNESCHMIDT in Sachen BGE zu. Dann würde einiges anders aussehen.

       

      ABER - zwei Ergänzungen:

       

      1. Prostitution ist NICHT identisch mit Zwangsprostitution!!!

       

      2. Es gibt nur eine einzige Klientel, die berechtigt und in der Lage wäre, sowas wie ein Prostituiertenschutzgesetz dem Inhalt nach zu erstellen: die Vertreter der Prostituierten selber

       

      Die sind aber keine Opfer und haben einen ganz anderen Blick auf das Thema.

       

      Die modernen Huren und selbsternannten "Bitches" und "Pornosternchen", die zum Sex oder gar Gangbang mit ihren Usern einladen, kann man mindestens auf zwei Arten sehen:

       

      1. sie beuten die Sexualität ihrer Kunden aus

       

      oder

       

      2. sie leisten eine wichtige Sozialarbeit, die das Verlangen nach Umarmung, Hautkontakt und Zuwendung bietet

       

      Egal wie man es sehen möchte - warum werden die Rechte dieser Frauen nicht gestärkt? Warum kriminalisieren Länder die Freier? Beides kommt einer Entmündigung erwachsener Menschen gleich!!!

       

      Es gibt nur eine vollständig richtige Lösung: Kapitalismus endlich abschaffen - dann erledigt und löst sich das Problem Prostitution von ganz allein...wetten dass???

      • @BeobachterHH:

        Auch in den Ländern des real existierenden Sozialismus gab/gibt es Sexarbeit. Ansonsten stimme ich Ihnen zu: SexarbeiterInnen brauchen keinen "Schutz", sondern gesellschaftliche Akzeptanz. Die geplante Neufassung des Prostitutionsgesetz, wie sie das Ministerium Schwesig plant ist überflüssig wie ein Kropf. Es gibt bereits die einschlägigen Paragraphen im StGB: §232 (Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung,) §§176 und 182 (sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen) §177 (sexuelle Nötigung und Vergewaltigung). Anstatt in Rettungspornographie zu schwelgen und gegen Amnesty International zu geifern, sollte sich die Front der ProstitutionsgegnerInnen lieber für ein Opferschutzgesetz stark machen, dass diesen Namen wirklich verdient und das z.B. für Aussagewillige Geschädigte Bleiberecht garantiert. Dieses Opferschutzgesetz sollte dann aber bitteschön für SÄMTLICHE Branchen gelten die auf Ausbeutung und menschenunwürdiger Behandlung von Menschen fußen - also zum Beispiel auch die Fleischverarbeitende Industrie und - neuerdings- die Pflege. Aber um auf DIESEM Gebiet etwas zu erreichen, muss man etwas dickere Bretter bohren - in wohlfeiler sittlicher Entrüstung machen, genügt da nicht. Im übrigen: wenn ich mir anschaue, in was für Jobs die "Rettungsorganisationen" ausstiegswillige Sexarbeiterinnen vermitteln wollen, kann ich nur lachen. Putzhilfe, Zimmermädchen, Reinigungshilfe? Liebwerte Frau Constabel- aus GENAU diesen Branchen rekrutieren sich doch etliche ihrer "Schützlinge". Die wollen RAUS aus der finanziellen Misere - DARUM gehen sie auf den Strich. Und wenn Sie tatsächlich so weltfremd sind, und einer gut verdienenden Escort-Lady oder einer selbständig arbeitenden Domina DIESE Jobs anbieten, dann dürfen Sie sich nicht wundern, dass man Sie nicht ernst nimmt!

        • @Almuth Wessel:

          Bist du eine Prostituierte? Ganz sicher nicht, sonst würdest du nicht so ein dummes Zeug schreiben. Entweder hast du keinen Funken Empathie für mißhandelte und mißbrauchte Menschen oder du möchtest gerne mit Prostitution deine paar Euro für ne Kante Brot verdienen (mehr Geld bleibt den sexuell ausgebeuteten Frauen und Mädchen nicht). Ich BITTE dich: dann ergreife doch diesen "Beruf" und überlaß täglich bis zu 10 Männern deinen Körper. Deine Seeele und dein Konto werden es dir bestimmt danken und deine Familie und Freunde werden neidisch auf dich sein, weil du so leicht und voll lustbetont deine Geldberge verdienst. Dein Freund oder Mann werden sich freuen, wenn du deinen Körper an hunderte andere Männer "verschenkst" und das Geld säckeweise nach Hause trägst. Diese Anerkennung die du erhalten wirst, wird dir unermeßliche Freude bereiten. Alle werden mit dir befreundet sein wollen. Und du kannst deine Töchter auch in diesen "Beruf" einführen. Wer würde sich für seine kleinen Mädchen nicht wünschen, daß sie SOLCH EINEN Job ergattern. Viel Glück!