Lithiumabbau in Portugal: Böse Minen zum guten Spiel
Portugal will mit dem Abbau seiner Lithiumvorräte aus der Krise kommen. Das würde die Landschaft großflächig zerstören. Wofür?
Das Metall ist wichtig für die Mobilitätswende. 27 Millionen Tonnen lithiumhaltiges Gestein soll allein rund um den 260-Seelen-Ort Covas do Barroso nahe der Grenze zur spanischen Region Galicien liegen. Die Region wurde erst vor gut einem Jahr von der Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen zum landwirtschaftlichen Weltkulturerbe erklärt.
Da Cruz ist in Frankreich aufgewachsen. Dennoch betrachtet sie den kleinen Ort als Heimat. Ihre Eltern gehören zu denen, die „anderes suchten als Viehzucht und Ackerbau“ und deshalb ausgewandert sind. Jetzt leben sie wieder in einem Dorf. Da Cruz arbeitet in Paris als Juristin, in Covas do Barroso verbringt sie nur ihre Ferien. „Aber dort sind meine Familie, meine Freunde, alles, was mir etwas bedeutet.“
Noch sei die Natur in der gesamten Nordregion intakt, sagt sie. „Das ist unser Kapital. Nachhaltiger Tourismus und Landwirtschaft gibt uns für alle Zeiten genug zu essen. Eine Mine schließt in zehn Jahren und hinterlässt eine zerstörte Landschaft.“ Der Bevölkerung sei das klar, die Versprechungen von Behörden und Industrie verfingen deshalb nicht. Dutzende 150 Meter tiefe Löcher mit einem Durchmesser von bis zu 600 Metern, die die Landschaft zerstören, wolle hier niemand.
Größte Lithiumvorkommen Europas in Portugal
Dass die Mine Arbeitsplätze in der Region schafft, glaubt Da Cruz auch nicht. „Die Bergbaubetreiber bringen einen Teil ihrer Belegschaft mit, und die Fabrik zur Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge soll jetzt doch nicht gebaut werden.“ Hintergrund soll der Mangel an Fachkräften sein. Aber in der Bürgerinitiative geht man davon aus, dass das Metall nach China verschifft und dann dort verarbeitet werden soll.
Rund um Covas do Barroso würden die Narben in der Landschaft und die Folgen des hochtoxischen chemischen Prozesses zurückbleiben, mit dem das Lithium aus dem Gestein gelöst wird. Für ein Kilogramm des begehrten Metalls müssen bis zu einer Tonne Gestein ausgewaschen werden. Portugal hat, so zeigen Studien, die größten Lithiumvorkommen in Europa. Weltweit liegt es auf Platz sechs, hinter Australien, Chile, China, Argentinien und Simbabwe. Bislang findet der Abbau hier in relativ kleinen Mengen für die Keramikindustrie statt.
Das soll sich ändern. Denn die Nachfrage steigt weltweit ständig. Lithium ist Bestandteil der Batterien für allerlei Elektronikgeräte, vom Notebook bis zum Smartphone, und vor allem der Akkus der E-Autos. Bereits heute werden 56 Prozent des verkauften Lithiums in der Batterieproduktion gebraucht. Tendenz steigend.
2030 sollen nach den Plänen der Europäischen Union mindestens 35 Prozent der neu zugelassenen Pkws und Lieferwagen einen Elektromotor haben. Schätzungen gehen davon aus, dass das Lithiumgeschäft in zehn Jahren allein in Europa bis zu 200 Milliarden Euro jährlich bewegen könnte. Doch der Lithiumrausch birgt auch seine Gefahren. Im vergangenen Jahr brach der Weltmarktpreis um 50 Prozent ein. Der Grund: Überangebot durch immer neue Minen.
Lithium soll aus der Krise führen
Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Antonio Costas in Lissabon sieht jedoch die große Chance, das nordwesteuropäische Land endgültig aus der Krise zu führen. Costas steht deshalb voll und ganz hinter den Bergbauplänen. „Wenn wir CO2 reduzieren wollen, ist Lithium unerlässlich“, erklärt Umweltminister João Pedro Matos Fernandes, der auch für den Energiewandel zuständig ist.
Ziel sei, rund um die Minen eine ganze Industrie aufzubauen, die Portugal mit zu den führenden Zuliefernationen für die E-Mobilität mache. Die Regierung geht davon aus, dass allein in den fünf Regionen mit den größten Lithiumvorkommen 3,3 Milliarden Euro investiert werden. In Covas do Barroso könnte es schon im Frühjahr mit dem Bergbau ernst werden. Denn sobald das Umweltgutachten vorliegt – und falls dies positiv ausfällt –, dürfen die Bagger anrücken.
Die Menschen in Covas do Barroso sind nicht die Einzigen, die sich gegen den Abbau des „weißen Goldes“ wehren, wie die Medien das Metall längst nennen. Insgesamt laufen etwa 30 Anträge auf Schürflizenzen überall im Land. Mehr als 3.600 Quadratkilometer Fläche sind davon betroffen.
Das Problem: Portugal ist nicht China oder Chile. Die Lithiumvorkommen liegen nicht irgendwo mitten in der Wüste, sondern in Gebieten, in denen Menschen leben und Landwirtschaft betreiben. Wie in Covas do Barroso. Die dortige Bürgerinitiative hat sich mittlerweile mit einem Dutzend weiteren Gruppen aus anderen portugiesischen Regionen zusammengeschlossen.
Lokaler Protest gegen Bergbau
In den betroffenen Dörfern nehmen sie den Widerstand ernst. So haben Protestierende den Bergbauunternehmen den Zutritt zu privaten und gemeindeeigenen Grundstücken verwehrt, als diese dort Probebohrungen vornehmen wollten. In einem der betroffenen Orte, in Montalegre unweit von Covas do Barroso, boykottierten sie die letzten Parlamentswahlen. „Und wir haben den zuständigen Staatssekretär aus dem Umweltministerium, João Galamba, aus dem Dorf vertrieben, als er hier den Lithiumabbau anpreisen wollte“, sagt Da Cruz.
Landschaftsschutz ist bei Weitem nicht das einzige Argument der Bergbaugegner. Die Umweltschutzorganisation Quercus hat eine Studie erstellt. Die AutorInnen kommen zu dem Ergebnis, dass jedes Lithiumbergwerk pro Jahr 1,79 Millionen Tonnen des Klimakillers CO2 verursachen würde. Das wiederum würde bedeuten, dass Portugal das für 2050 gesteckte Ziel der Klimaneutralität deutlich verfehlen werde.
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