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Linksunten beim BundesverwaltungsgerichtKurzer Prozess für Indymedia?

Ob die fünf Freiburger Kläger überhaupt gegen das Vereinsverbot der linken Internetplattform vorgehen können, ist fraglich.

Demonstrierende vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Foto: Sebastian Willnow/dpa

Freiburg taz | An diesem Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über das Verbot der linksradikalen Internetplattform linksunten.indymedia. Der Prozess könnte allerdings platzen, bevor die spannenden Fragen auch nur zur Sprache kommen.

Im August 2017 hatte der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) linksunten.indymedia dichtgemacht. Die mutmaßlich in Freiburg betriebene, aber bundesweit bedeutsame Webseite habe es „ermöglicht und erleichtert“, dass dort Straftaten gebilligt und Anleitungen zu Straftaten veröffentlicht wurden. De Maizière versuchte damit, kurz nach den autonomen Ausschreitungen beim Hamburger G20-Gipfel staatliche Stärke zu zeigen.

Fünf Freiburger, denen damals die Verbotsverfügung ausgehändigt wurde, klagten gegen das Verbot. Sie sollen als vermeintliche Betreiber der Seite den Verein „linksunten.indymedia“ gebildet haben. Nur durch die Konstruktion eines Vereins konnte der Innenminister das Verbot der Webseite auf das Vereinsgesetz stützen.

Nach zweieinhalb Jahren verhandelt nun endlich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig über die Klage. Das BVerwG ist bei Vereinsverboten die erste und einzige Instanz. Nachdem am Samstagabend in Leipzig eine militante Autonomen-Demo (Aufruf: „wir suchen die direkte Konfrontation“) auf das Verfahren aufmerksam machte, ist das öffentliche Interesse besonders groß.

Zwei Personen und ein gemeinsamer Wille

Und es stellen sich zahlreiche interessante Rechtsprobleme in diesem Prozess. Eines der einfachsten ist noch die Konstruktion eines Vereins. Um eine Struktur nach dem Vereinsgesetz verbieten zu können, ist nach bisheriger Rechtsprechung kein förmlicher Verein mit Vorstand und Satzung erforderlich. Es genügt, dass sich mindestens zwei Personen zusammenschließen und sich einem gemeinsam gebildeten Willen unterordnen.

In anderen Fragen müsste das BVerwG juristisches Neuland betreten. Ist Indymedia von der Pressefreiheit geschützt? Müssten nicht zunächst einmal die Landesmedienanstalten die Löschung illegaler Posts verlangen, bevor der Bund mit dem Vereinsverbot zuschlägt? Und sind die veröffentlichten Posts überhaupt der Plattform zurechenbar?

Möglicherweise kommt es aber nicht zur Klärung dieser Fragen. Denn es ist durchaus umstritten, ob die fünf Freiburger überhaupt gegen das Verbot klagen können. Denn nach bisheriger Rechtsprechung können nur die verbotenen Vereine selbst gegen ihre Auflösung klagen, nicht aber Einzelpersonen. Die fünf Freiburger könnten nach dieser Sichtweise das Verbot nur dann überprüfen lassen, wenn sie sich als Vertreter des Vereins präsentieren würden. Das haben sie bisher aber nicht getan. Sie haben bislang nur argumentiert, dass ihre Mitgliedschaft nicht bewiesen sei.

Niemand muss sich selbst strafrechtlich belasten

Ihre Anwälte argumentieren: Von den Klägern könne nicht verlangt werden, dass sie sich als Betreiber der Plattform outen. Schließlich müsse sich im Rechtsstaat niemand strafrechtlich selbst belasten. An einer Klärung, ob linksunten.indymedia legal ist, hätten sie aber schon deshalb Interesse, weil immer noch Gegenstände von ihnen beschlagnahmt sind.

Bisher wurden die fünf Freiburger strafrechtlich nicht belangt. Bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe gab es zwar mehrere Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit linksunten.indymedia. Manche bezogen sich auf strafbare Datenschutzverstöße, weil auf der Plattform gehackte Daten von AfD-Mitgliedern veröffentlicht wurden. Andere Ermittlungen sahen das Projekt als „kriminelle Vereinigung“. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellte die Verfahren jedoch im August vorigen Jahres ein, weil sie sich nicht auf bloße Verfassungsschutz-Erkenntnisse stützen wollte.

Sollte das Verbot gegen linksunten.indymedia bestehen bleiben, müsste die autonome Szene sich weiterhin mit der nichtverbotenen Seite de.indymedia.org begnügen, von der sich linksunten.indymedia 2008 abgespalten hat.

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10 Kommentare

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  • 9G
    99140 (Profil gelöscht)

    "Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe stellte die Verfahren jedoch im August vorigen Jahres ein, weil sie sich nicht auf bloße Verfassungsschutz-Erkenntnisse stützen wollte."



    Muss/ darf man sich auf der Zunge zergehen lassen.

    • @99140 (Profil gelöscht):

      Die weiß eben genau, was von dem „Verein“ zu halten ist.

  • „Es genügt, dass sich mindestens zwei Personen zusammenschließen und sich einem gemeinsam gebildeten Willen unterordnen.“

    Das wär dann aber neu. Nach meiner Kenntnis brauchte man bislang immer mindestens s i e b e n Mitglieder, um überhaupt einen rechtskräftigen Verein gründen zu können.

    siehe BGB: www.gesetze-im-int...t.de/bgb/__56.html

    • @Rainer B.:

      im Artikel steht doch sehr präzise und richtig, dass es auf eine formelle Vereinsgründung gar nicht ankommt. Sonst wäre das Verfahren sehr kurz, denn solch einen formellen Verein gab es ja nun ganz sicher nicht.

      • @Dr. McSchreck:

        Und ich hab doch in meinem Kommentar recht präzise angegeben, warum ich diese Information/Auslegung für falsch halte.



        Es ist doch schlicht absurd eine - wie auch immer geartete - Struktur als Verein gesetzlich zu verbieten, die es so als Verein nach dem Gesetz gar nicht gibt - wie Sie es hier ja auch übereinstimmend feststellen.

        • @Rainer B.:

          Sie sprechen von "eingetragenem Verein" (Mindestmitgliederzahl 7). Es gibt auch NICHT eingetragene Vereine (Mindestmigliderzahl 2)

  • JURISTISCH ist die Frage der Klagebefugnis/Aktivlegitimation der fünf Freiburger natürlich ein einfaches Einfallstor dafür die Prozessakte SEHR SCHNELL schließen zu können.



    Mangels weiterer Informationen ist es schwer abzuschätzen, ob für den Fall, dass einer der Fünf sich als Vereinsbetreiber outet, wirklich auch für die behaupteten Plattform-Straftaten zu verantworten hätte. Analogie: Wenn der rechte Mob in den sozialen Netzwerken offen zu Aktionen, die tatsächlich Straftaten sind aufruft, dann kommt unser Rechtsstaat auch nicht auf die Idee deren Betreiber strafrechtlich zur Verantwortung ziehen zu wollen. Sondern dann begnügt sich der Rechtsstaat damit, dass die Löschung dieser gemeldeten Verstöße innerhalb des vorgegebenen Zeitraumes erfolgt.



    POLITISCH ist das Ganze doch so oder so schon ein Skandal. Denn wo sehen wir die Anstrengungen unseres Staates gleichartig gelagerte Fälle der politisch rechten Szene auszutrocknen. Der Innenminister hätte hier genügend Aktionsfelder „politische Stärke“ zu demonstrieren.



    INSGESAMT entsteht zunehmend verifizierbar der Eindruck, dass unsere Regierenden die Zunahme der politischen Rechten eher gutheißen, ja begrüßen. Ist es doch für CDU/CSU, FDP, GRÜNE weitaus angenehmer mit der AfD ins Koalitionsbettchen zu hüpfen, als mit den Parteien links davon (wozu ich die SPD seit Schröder nicht zwingend dazuzählen möchte).



    Hat eigentlich noch eine der drei staatlichen Gewalten eine Vorstellung davon, wohin der politische Zug für Deutschland und Europa eigentlich fahren soll, und wie das „Ziel“ (der Wand) aussieht, auf die unsere Verantwortlichen den Zug mit Volldampf zurasen lassen?

  • Wie kann es sein, dass jemand als Verantwortlicher eines nicht-existenten Vereins zur Rechenschaft gezogen werden soll, man ihm seine Gegenstände konfisziert, er aber dagegen keine Handhabe hat, solange er nicht behauptet, Mitglied des nicht-existenten Vereins zu sein? Das ist ja so als würde man als Terrorist bezeichnet werden, kann sich dagegen aber nicht wehren, bis man nicht einen Terror-Anschlag verübt hat. Denn vorher würde ja kein Gesetz und kein Recht greifen? Absolut skurril, die Entscheidung linksunten als Verein zu betrachten kann doch aus dieser Betrachtung gar keinen Bestand haben! Kann der Staat jetzt von jedem alles konfiszieren, wenn er behauptet, die Beschuldigten seien Mit-Betreiber von linksunten gewesen? Und niemand hat eine Handhabe, um das zu Verhindern oder sich zu wehren? Das ist kein Rechtsstaat, sondern eine Bananenrepublik. Großes Danke an die Misere für das Elend, dass er für uns geleistet hat. Nicht.

    • @LennyZ:

      hier geht es nicht um die Rückgabe der Gegenstände. Sondern um das Verbot.

    • @LennyZ:

      Es wurde bislang ja genau keiner zur Rechenschaft gezogen, das steht im Artikel.

      NAtürlich können trotzdem Gegenstände sichergestellt werden. Wenn Sie mit dem Auto Ihrer Oma einen Banküberfall machen, wird auch das Auto sichergestellt, obwohl Ihre Oma nichts damit zu tun hat.

      Und dass der Verein existiert, steht ja eher nicht in Frage, wie Herr Rath schreibt.