piwik no script img

Linkspartei und Tsipras-RegierungGrexit von Links

Die Solidarität mit der griechischen Regierung bröckelt. Tsipras wird in der deutschen Linkspartei nun kontroverser diskutiert.

Grimmig: Alexis Tsipras. Foto: dpa

Berlin taz | An internationaler Solidarität mangelte es in der deutschen Linkspartei zuletzt nicht. Wer ihren Politikern eine ehrliche Meinung über die Syriza-Regierung entlocken wollte, vielleicht ein wenig Kritik an der ein oder anderen Fehlentscheidung, hatte ohne Ausdauer keine Chance.

Mit viel Glück entlockte er seinen Gesprächspartnern nach der vierten Nachfrage einen kleinen Vorwurf, eine Beschwerde über die rein männliche Besetzung zum Beispiel. Ansonsten ließen die deutschen Linken auf ihre griechische Schwesterpartei nichts kommen.

Seit der linke Syriza-Flügel seinem Premierminister offen die Gefolgschaft verweigert, wächst die Enttäuschung aber auch in der Linkspartei: Die Tsipras-Solidarität bröckelt. Der linke Flügel der deutschen Linken schwenkt auf den Kurs ihres griechischen Pendants ein.

Den Anfang machte vor wenigen Tagen die Antikapitalistische Linke (AKL), die fundamentalste Parteiströmung, die sich ohnehin selten mit Kritik an linken Regierungen zurückhält, die von der reinen Lehre abweichen. An die Tsipras-Kritiker innerhalb von Syriza schrieb sie: „Die AKL unterstützt Euren Widerstand gegen alle Versuche, vor den Erpressungen der Troika-Institutionen in die Knie zu gehen.“

Gespaltene Partei

Die Fortsetzung folgte am Donnerstag mit einem Debattenbeitrag der Abgeordneten Nicole Gohlke und der hessischen Fraktionschefin Janine Wissler. „Das Totenglöckchen über Syriza zu läuten hilft genauso wenig wie Korpsgeistreflexe oder falsche Loyalitätsdefinitionen“, schreiben sie in der Tageszeitung Neues Deutschland.

Die Syriza-Regierung müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, ohne Plan B in die Verhandlungen in Brüssel gegangen zu sein. Hätte sie als Alternative zur Einigung mit den übrigen Euro-Ländern selbst mit einem Grexit spekuliert, hätte sie ihre eigene Verhandlungsposition gestärkt. Immerhin könne mit einem geordneten Euro-Austritt „ein neuer politischer Handlungsspielraum entstehen: mit einer selbst gesteuerten Kreditvergabe, eigenen Maßnahmen gegen Kapitalflucht und zur Besteuerung der Reichen ohne Mitsprache durch die Troika.“

Mit dieser Ansicht stoßen sie in ihrer Partei aber auf Widerspruch. „Es ist ein völliger Irrtum, dass ein Grexit für die Griechen besser wäre“, sagte der finanzpolitische Sprecher Axel Troost im Gespräch mit der taz. „Die griechische Wirtschaft ist auf Importe angewiesen und mit einer eigenen, abgewerteten Währung würden Autos, Maschinen und Lebensmittel schlagartig teurer.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Die Linke - egal wo in Europa - hat keine realitätsttüchtige Alternative zur Wirtschaftspolitik. RRRevolution oder Umsturz ist nicht in Sicht, weder in Griechenland, noch in Spanien oder Portugal. Die Bevölkerung straft ihre alten Eliten ab, ohne das Risiko eines Wechsels eingehen zu wollen. Da kann eine Linke an der Regierung nur scheitern. Anstatt das zuzugeben, wird Tsipras für den Machterhalt, die CDUSPDGRÜNE-Parole ausgeben: "Es gibt keine Alternative". Dann folgt bei Zyriza eine Säuberungswelle derer, die Zipras nicht bedingungslos folgen wollen. Regierung bedeutet eben nicht Macht. Die einzige Hoffnung in Griechenland, wie Spanien sind die Widerständigen im Alltag. Da haben wir hier kaum etwas zu bieten - es sei denn von Rechts gegen Flüchtlinge.

    • @Philippe Ressing:

      Wenn die Linke "keine realitätstüchtige Alternative zur Wirtschaftspolitik" hat - hat dann die Rechte irgendsowas?

      Versautes Klima, versaute Meere, fast eine Milliarde Hungernde auf dieser Welt, Krisen in immer kürzeren Abständen, Kriege um Rohstoffe, galloppierendes Auseinanderdriften der Gesellschaft... das soll "realitätstüchtig" sein?

      Und was ist die Ursache?

      Es ist die Gier auf Rendite, der Zins und die Geldschöpfung durch die Privatbanken..

      Der Kapitalismus schafft sich selbst ab - leider uns dabei gleich mit!

    • @Philippe Ressing:

      Damit ist gemeint, dass in Deutschland eher eine Massenbewegung gegen Flüchtlinge zu erwarten ist, als für soziale Gerechtigkeit. Allüberall brennen Flüchtlingsunterkünfte, niemand wird dade erwischt, klammheimliche Zustimmung scheint sich in der Provinz breit zu machen. Das ist Detuschland 2015!

      • @Philippe Ressing:

        Vielen Dank für Ihre Antwort! Mir fällt der berühmt-berüchtigte Stein vom Herzen!!

         

        Und: Leider muss ich Ihnen Recht geben, eher gibt's eine Massenbewegung gegen Flüchtlinge, denen man vielleicht sogar noch vorhält, dass sie nicht im Mittelmeer ertrunken sind (ähnlich wie in der Nachkriegszeit, in denen sich angeblich Überlebende dafür rechtfertigen mussten, überlebt zu haben), als dass für soziale Gerechtigkeit gestritten würde.

         

        Ja, das ist - leider ! - Deutschland 2015, und ich befürchte, es dürfte nicht besser werden.

         

        Meine Frau würde jetzt - wie so oft, wenn wir bspw. im ZDF die Sendung "Terra X" mit geschichtlichen Themen anschauen - wieder sagen "Siehst du, wir Menschen lernen nicht dazu, im Zweifel werden wir dümmer, auf jeden Fall rücksichtsloser".

    • @Philippe Ressing:

      Was meinen Sie denn mit Ihrem letzen Satz in Ihrem Kommentar von 14.12 Uhr ("Da haben wir hier kaum etwas zu bieten - es sei denn von rechts gegen Flüchtlinge.").

       

      Als ich den Satz las, lief es mir eiskalt den Rücken runter.

       

      Ich hoffe jedoch darauf, dass ich Sie da falsch verstanden habe.

  • Die Frage ist doch (auch hier), wieviel politische Kraft die AKL-Gruppe in der Partei "Die Linke" in die Waagschale werfen kann, um die Kritiker ("Drachmisten") von Alexis Tsipras "vor den Erpressungen der Troika-Institutionen" zu schützen und zu helfen, dass die Politik von Tsipras - ohne die, wie er es ja völlig zu recht bezeichnete, "Erpressung" von EU, EZB und IWF - zu ihren Ursprüngen zurück kommen und sie für die GriechInnen wirksam werden kann.

     

    Ich vermute, die Gruppe "AKL" ist eher wort-mächtig und diskussions-stark ... . Das Problem sehe ich darin, dass es oft und vor allem in entscheidenden Situationen weniger auf Worte ankommt. Yannis Varoufakis hat in seinen Interviews und Texten nach seinem Rücktritt bzw. nach der Entscheidung, dass man über die Kapitalhilfe und die Reformen verhandeln wird, das Wichtige dazu gesagt ... .

     

    Die Empörung über dieses Verhandlungsgebaren der Vertreter von EU, EZB und IWF, das Varoufakis ja mit Zitaten beschrieben hat, ist die eine, die Frage, ob und wie man darauf reagieren kann (nicht: reagieren möchte und reagieren müsste, sondern reagieren kann), ist die andere Seite.

  • „Die griechische Wirtschaft ist auf Importe angewiesen und mit einer eigenen, abgewerteten Währung würden Autos, Maschinen und Lebensmittel schlagartig teurer.“

     

    Diesen Schwachsinn liest man ja allenthalben. Um mal ein Bisschen Bewegung in die Debatte zu bringen versuche ich jetzt mal eine realistische Sichtweise:

     

    Nehmen wir als Beispiel mal die Holländischen Importtomaten. Kosten aktuell so um die 2 Euro das Kilo. Nach dem Grexit und der Wiedereinführung der Drachme im Kurs 1:1 findet eine Abwertung der Drachme um sagen wir mal 50 Prozent statt. Neuer Kurs 2 Drachmen pro Euro oder 4 Drachmen für ein Kilo Tomaten.

     

    Für 4 Drachmen pro Kilo, denkt sich da manch geschäftstüchtiger Grieche, könnte ich auch ne Tomatenfarm betreiben, das geht sogar für 3,50 pro Kilo. Und schon bleiben die Holländischen Tomaten im Regal liegen und die griechischen Tomaten werden gekauft. Neue Jobs in Griechenland, weniger Exportabhängigkeit.

     

    Und wo soll da jetzt das Problem sein? dass der Mercedes dopplet soviel kostet wie vorher? Für den normalen Griechen der wieder Arbeit hat dürfte das eher kein Problem sein...

    • Tobias Schulze , Autor des Artikels, Parlamentskorrespondent
      @Grisch:

      Der Mercedes ist vielleicht nicht das Problem, aber vielleicht braucht der Tomatenbauer irgendwann einen neuen Transporter. Blöderweise hat Griechenland bisher keine Autoindustrie und um eine aufzubauen, bräuchte es auch wieder Importe aus dem Ausland.

      Vielleicht haben Sie ja wirklich recht und Griechenland würde unterm Strich von einer abgewerteten Währung profitieren, ich selbst kann das um ehrlich zu sein nicht abschließend einschätzen. Aber die Vorstellung, dass das Land mit der Drachme mittelfristig autark wirtschaftet und Importe nicht mehr zu Buche schlagen, ist sicherlich auch nicht ganz richtig. Insofern würde ich Troosts Argument nicht als kompletten Schwachsinn abtun.