Linke kämpft um Verbleib im Bundestag: Mission (almost) accomplished
Gregor Gysi und Bodo Ramelow gastieren mit ihrer „Mission Silberlocke“ in Berlin-Friedrichshagen und offenbaren dabei: „Jesus würde links wählen“.
![Das Foto zeigt ein Plakat mit den drei Linksparteipolitikern Bodo Ramelo, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch. Das Foto zeigt ein Plakat mit den drei Linksparteipolitikern Bodo Ramelo, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch.](https://taz.de/picture/7531023/14/501531635-1.jpeg)
Dank Presseausweis geht es in den zweiten Stock, wo vor der kunstvoll gestalteten Holztür zum Ratssaal aber wirklich Stopp ist. Bis vor den Türrahmen ist der Raum voll, auch auf der Treppe davor sitzen Leute. Aus dem Saal dringt immerhin eine Stimme. Und, ja klar, die gehört dem, dessentwegen sie ja alle hier sind: Gregor Gysi. Der Mann, der im Wahlkreis Treptow-Köpenick, zu dem Friedrichshagen gehört, seit 2005 immer das Bundestagsmandat geholt hat und das auch am 23. Februar tun soll.
Wobei Gysi nicht allein ist. Neben ihm, durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen einigermaßen zu erkennen, sitzt Thüringens Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow. Zusammen mit Gysi und dem früheren Fraktionschef im Bundestag, Dietmar Bartsch, bildet er das ältere Herrentrio zwischen 66 und 77 Jahren, das Ende November die „Mission Silberlocke“ ausrief. Ihre Linkspartei lag damals in den meisten Umfragen bei 3 Prozent und drohte aus dem Bundestag zu fliegen.
Einzige Rettung schien zu sein, erneut wie 2021 mit drei Direktmandaten die 5-Prozent-Hürde auszuhebeln – damals siegte die Linkspartei in Treptow-Köpenick, Lichtenberg und Leipzig-Süd. Weil Lichtenberg nach der BSW-Abspaltung keine sichere Bank mehr war, wollten die drei es richten: Gysi in Berlins Südosten, Ramelow in Erfurt und Bartsch in Rostock. Hinter Rostock stand gleichwohl ein sehr großes Fragezeichen – bei der Europawahl im vergangenen Juni wurde die Linke dort nur fünftstärkste Partei, weit hinter AfD und SPD.
Großer Andrang
Am Donnerstagabend in Friedrichshagen wirkt die Direktmandate-Mission schon fast überflüssig. Auf 6 Prozent ist die Linkspartei in Umfragen inzwischen gestiegen, nachdem die CDU vor zwei Wochen im Bundestag für einen Abstimmungserfolg erstmals AfD-Stimmen in Kauf nahm. So ist die Stimmung alles andere als bedrückt im Ratssaal, in dem schätzungsweise über 200 Zuschauer sitzen und an den Wänden stehen, Senioren genauso wie Menschen um die 20. Gysi und Ramelow sitzen auf Holzstühlen vor einem roten Linkspartei-Banner, erst mit einer Moderatorin, dann allein.
Es ist nicht so, dass da nun zwei ältere Herren Geschichten von früher erzählen und eine Polit-Version des Muppet-Show-Duos Waldorf und Statler präsentieren würden. Es geht konkret um die Krankenhausreform, um vernachlässigte Ost-Errungenschaften wie Polikliniken und Gemeindeschwestern. Wobei die beiden immer mal wieder einen Kalauer einflechten.
Etwa, wenn Ramelow in jenen drei Millionen, die nach der Wende den Osten verließen, Aufbauhelfer sieht und erklärt: „Wir haben den Laden im Westen am Laufen gehalten.“ Oder Gysi sich in einer Klinik doch weiter ein derzeit Privatversicherten vorbehaltenes Einzelzimmer wünscht, um nicht mit einem CDUler zusammen liegen zu müssen: „Dann würde der nie gesund werden.“
Gar nicht witzelnd beansprucht Ramelow mehr oder minder das C der Christdemokraten für seine Partei. Weil die CDU aus seiner Sicht ein System stützt, in dem wenigen Milliardären ein großer Teil des Vermögens im Land gehört. Das hat für Ramelow nichts mit christlicher Nächstenliebe und Fürsorge zu tun. „Jesus würde links wählen“, sagt er. Von Gysi ist das schon seit Jahren zu hören.
Was im Saal ungesagt bleibt: Beide können die Behauptung zu Jesu Wahlpräferenz auf eine gewisse Kenntnis bauen. Sie haben nämlich Christi Stellvertreter auf Erden persönlich erlebt– Ramelow, bekennender Protestant, hat Papst Franziskus 2016 getroffen, Gysi war 2019 bei ihm in Rom. Ob das am 23. Februar Wunder wirken lässt? Spätestens am Morgen nach dem Silberlocken-Abend scheint das gar nicht mehr nötig: Da sieht die neueste Umfrage die Linkspartei auf 7 Prozent gestiegen und damit deutlich weiter im Bundestag.
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