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Linke StylekundeKlassenfrage in drei Streifen

Unsere Kolumnistin grübelt über linke Begeisterung für Adidas. Und darüber, wie sich ihr Sozialleben mit der ersten eigenen Markenhose verändert hat.

Eine Trainingsjacke für alle: Karl Marx beim Landesparteitag der Linken in Sachsen-Anhalt Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

I ch habe mich schon immer gefragt, warum die linke Szene so eine krasse Obsession mit Adidas hat. Egal wie sehr wir uns spalten, die Marke ist in jeder linken Gruppierung – von der Dyke*­Or­ga­ni­sie­rung bis hin zum Ü30-Antifa-Treff – beliebt. Dass wir eine Marke feiern, deren Gründer Adi Dassler NSDAP-Mitglied war und im Krieg Zwangs­ar­bei­te­r*in­nen beschäftigte, ist zwar absurd, aber darum geht es hier heute nicht, sondern um die Suche danach, was genau Adidas jetzt mit links sein und Klasse zu tun hat.

Ich war ein absolut unmodisches Kind. Meine Mutter brachte mir Kleidung von Kik und dem einzigen Second-Hand-Laden im Nachbardorf mit: T-Shirts mit fetzigen Sprüchen, neongelbe Schals, graue Sweatshirt-Jacken. Wir hatten kein Geld.

Meine erste Adidas-Hose war ein Glücksgriff: Meine Mutter brachte aus besagtem Second-Hand-Laden eine schlichte Shorts mit – und ich war verliebt. Zu sagen, dadurch hätten sich die abwertenden Blicke der anderen in Luft aufgelöst, wäre zu viel gesagt. Dennoch habe ich das erste Mal in meinem Leben Komplimente für ein Kleidungsstück bekommen.

Klassismus am Körper

Dadurch kommt aber auch die Erkenntnis, dass man anders behandelt wird, wenn man anders aussieht. Und das ist brutal. Mir war es von dem einen auf den anderen Moment wichtig, was ich trug. All mein Taschengeld, über Monate zusammengespart, ging in Markenkleidung. Ich will zeigen, wer ich bin. Das tun alle, die die finanziellen Ressourcen dazu haben: Punks mit ihren Kutten ebenso wie FDPler mit ihren Tommy-Hilfiger-Steppjacken.

Es gibt auch peinliche Ausrutscher – wie als die Luxusmarke Balenciaga kaputte Schuhe für mehrere hundert Euro auf den Markt gebracht hat: Poverty Cosplay.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wir trugen kaputte Kleidung aus Mangel an anderen Optionen, nicht für Style. Ich begehre auch, dass man mir eine Zugehörigkeit ansieht. Klasse und Sportlichkeit in einem Look: Aber dann eben auch nur in einem bestimmten Rahmen. So aussehen, als könnte ich jederzeit Liegestütze machen – aber trotzdem auch eins: sozial akzeptiert. Adidas ist Klasse. Aber welche eigentlich? Adidas ist eine funktionale Sportbekleidungsmarke der Arbeiter*innenklasse.

In den 70er Jahren wurde sie besonders in der britischen Ultraszene populär und war somit Teil eines (männlichen) proletarischen Stils, der sich mit der antifaschistischen Szene überkreuzte. Das ist die einfache Geschichte, warum die Marke bis heute so präsent in linken Kreisen ist. Aber Adidas ist längst mehr als proletarische Ästhetik. Der männliche Habitus und damit auch der Kleidungsstil wurde später von den queeren Bewegungen reclaimed – als Symbol für den Widerstand gegen Geschlechternormen.

Style für alle(s)

Adidas ist zugänglich – man kann die Kleidung neu kaufen oder auf der Straße finden, weil sie ein über Jahre andauerndes Massenprodukt geworden ist. Teilweise ist sie noch Ausdruck von working class – oder eben das Accessoire einer Person, die working class stilisiert.

Denn sind wir mal radikal ehrlich: Eins dieser Sprüche-T-Shirts, die mir meine Mama damals mitgebracht hat, würde ich wahrscheinlich heute nicht mehr tragen und das hat definitiv mit klassistischer Abwertung zu tun. Die Jogginghose hingegen funktioniert überall: In Leipzig ist sie modisch, in der Kunstszene Teil eines jeden Kleiderschranks.

Adidas auf einer Benefizveranstaltung zu tragen, ist lange kein revolutionärer Akt mehr. Es ist ein Kleidungsstück, das problemlos in bürgerliche Kreise diffundiert ist. Man kann sich den Stil aneignen, ohne die realen Konsequenzen von Armut tragen zu müssen. Sie ist inzwischen eine von vielen Marken mit problematischer Vergangenheit (und Gegenwart), die Menschen aus den verschiedensten Subkulturen stilsicher tragen.

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10 Kommentare

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  • Ist vielleicht euer Ding in Leipzig. Ansonsten ist mir nie eine Fixierung auf Adidas bei Linken aufgefallen. Auf Jogginghosen schon mal gar nicht.

  • Warum man allerdings Sportklamotten tragen muss, wenn man nicht zum Sport geht erschließt sich mir nicht, generell auch auch dieser Markenunfug, wenn man dass auch Markenemblem auch noch sieht. Mittlerweile ist es schwierig Herrenoberbekleidung ohne diese peinlichen Applikationen zu kaufen.

  • Und wo ist die Kritik am Produkt, das bei Mode einfach dazugehört? Adidas sollte maximal ein Zufallsprodukt aus dem Mülleimer oder dem Altkleidercontainer, maximal dem Secondhand-Shop sein. Nicht als Lifestyle-Element, um sich zeigen und der Gesellschaft dazugehören zu können.

  • Auf einem Parkplatz der Ford-Werke, hat jemand 1990 seine blauen Adidas Trainer stehengelassen, ich habe sie annektiert und bis zum Zerfall weitergetragen. Danach Billigtreter, diverse Vans und andere Versuche. Dann wieder Adidas Trainer Marathon - erst blau, dann grün, dann schwarz und alle hielten immer bis zu 6 Jahre und zwei Waschgänge in der Maschine durch. Bei mir lag es an der Qualität dieder speziellen Sorte Schuh. Klar, war man auch ein wenig Bruce Lee in seinem gelben Dress und und ein völlig zugedröhnter Rasta in Adidas-Jacke. Aber muss man das propagieren? Ich hatte selber nie andere Klamotten von Adidas außer Sportschuhen, nie BW- oder DM-Stiefen, aber mehrere Paar andere Alltags-Stiefel mit Stahl und roten Schnüren... dann wieder Sport- und Wanderlatschen mit der Tendenz zu haltbaren Arbeitschuhen. Cofra... hüst

  • "Das tun alle, die die finanziellen Ressourcen dazu haben: Punks mit ihren Kutten ebenso wie FDPler mit ihren Tommy-Hilfiger-Steppjacken."



    Die Kutten sind eher so ein Motorradrocker/Metalding, die Punkerlederjacken noch ohne viel Gelumpe dran waren/sind ned unbedingt teuer weil second hand und ne Jeansjacke gibts neu für 30 Tacken. Die Aufnäher/Nieten/Feuerzeugbleche/Ketten/Sicherheitsnadeln kosten nu ahh ned die Welt. Und sind ansonsten im Gegensatz zu den Jungdynamischen mit PulloverumSchulterFetisch ned "Zugangsvoraussetzung".

  • "Linkes Bewusstsein" in Markenscheisse , die von Kindern in asiatischen Ausbeuterklitschen zusammengenäht werden...my Ass!

  • ganz einfach: immer dann, wenn irgendwie eine marke sichtbar wird: nicht kaufen, nicht tragen.

  • Ich fand es allerdings immer ein wenig deplatziert, wenn (der da schon angejahrte) Fidel Castro für die Herzogenauracher Werbung lief…

    • @Earl Offa:

      Da war er aber auch im Krankenhaus und musste was bequemes tragen.

  • Danke für den Artikel.



    Ich finde es immer ansprechend, wenn die Notwendigkeit zur notdürftigen Bekleidung erläutert wird. Bei uns " erbte " man/frau noch Klamotten von Verwandten, sprich, Geschwistern, Cousinen und Cousins.



    Der Second Hand Kauf und Flohmärkte war dann mit der Entwicklung des eigenen Stils verbunden.



    Der in diesem Zusammenhang genannte Punk sah bei uns etwas anders aus: aus der Not geboren, aber eben auf eine spezielle Art cool.



    "Verkleidung" als Punk ist mir erst später begegnet, als ich dieser Phase entwachsen war.



    Im Zusammenhang mit Hamburger Schule waren Jacken mit drei Streifen natürlich auch schon mal angesagt.



    Heute merke ich, dass mich das Alles nur noch sehr wenig interessiert und das gefällt mir gut . Es ist mir nicht egal, aber mir ist nicht mehr wichtig, was Andere sehen wollen. Es ist gut irgendwann den eigenen Stil gefunden zu haben, abseits von fast Fashion und selbstgewählter oder einsortierter Schubläden.