Linke PD in Italien: Die Außenseiterin macht das Rennen
Elly Schlein wird neue Vorsitzende der PD – als erste Frau überhaupt. Sie will aus der zerstrittenen Partei eine starke linke Kraft in Italien machen.
![Elly Schlein lächelnd bei der Wahl Elly Schlein lächelnd bei der Wahl](https://taz.de/picture/6120457/14/32277217-1.jpeg)
Rund 5.500 Abstimmungslokale hatte die PD am Sonntag in ganz Italien von Südtirol bis Sizilien eingerichtet; abstimmen konnten nicht nur die Parteimitglieder, sondern alle Sympathisant*innen der Partei, die per schriftlicher Erklärung bestätigten, sie seien Wähler*innen der PD. Schon deshalb war die Wahl für Überraschungen gut. In der ersten am 19. Februar abgeschlossenen Runde, reserviert für die PD-Mitglieder, hatte Bonaccini noch mit 53 Prozent klar vor Schlein gelegen, die 35 Prozent erreichte.
Doch die 37-jährige Außenseiterin hatte von Beginn an darauf gesetzt, im breiteren Wahlvolk zu mobilisieren. Ihr Ansage: Sie wolle einen radikalen Bruch bei „Gesichtern, Methode, Vision“ der Partei vollziehen, die PD zu einer klar links profilierten, feministischen und ökologischen Kraft machen, mit deutlich verjüngtem Personal, in dessen vorderen Reihen kein Platz mehr sei für die alten Platzhirsche, die den Niedergang der vergangenen Jahre zu verantworten hatten.
Zu diesen Platzhirschen gehört Schlein ganz gewiss nicht. Sie war nach kurzer Mitgliedschaft schon 2015 aus der PD ausgetreten, aus Protest gegen den Kurs des damaligen Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Matteo Renzi, der auch gegen gewerkschaftlichen Widerstand neoliberale Arbeitsmarktreformen durchboxte.
Schlein setzt auf die Außenseiter-Rolle
Ihren 2014 errungenen Sitz im Europaparlament allerdings behielt sie bis 2019 bei, kandidierte dann bei den Regionalwahlen 2020 in der Emilia-Romagna mit einer kleinen radikal linken Liste, die aus dem Stand fast vier Prozent holte – und wurde Vizepräsidentin der Region, unter eben jenem Bonaccini, gegen den sie jetzt bei der PD-Vorsitzendenwahl antrat.
Um kandidieren zu können, war sie allerdings erst im Dezember 2022 wieder in die PD eingetreten. Schon deshalb galt sie allgemein als chancenlos gegen den fest in der Partei verankerten Bonaccini. Schließlich kann der 55-Jährige auf eine jahrzehntelange Karriere in der PD und ihren Vorgängerparteien zurückblicken.
Doch Schlein setzte offensiv auf ihre Rolle als Außenseiterin und damit auch als Hoffnungsträgerin der in Depression verfallenen Partei. Nie hatte die PD – und auch keine andere Partei der italienischen Linken – eine Frau als Vorsitzende gesehen. Auch dies half ihr – gerade auch, weil Italiens Rechte unter der Führung der Postfaschistin Giorgia Meloni steht.
Und Schlein präsentiert sich jetzt als der Gegenentwurf zu Meloni. „Ich bin Frau, ich bin Christin, ich bin Mutter, ich bin Italienerin!“ – dieser Spruch wurde zum Markenzeichen der Postfaschistin. Die neue PD-Vorsitzende konterte in ihrer Kampagne mit den Worten „Ich bin Frau, ich liebe eine andere Frau, ich bin keine Mutter, bin aber deshalb nicht weniger Frau“.
Vor allem Städter*innen sind begeistert von Schlein
Mit solchen Äußerungen ebenso wie mit ihrer dezidiert linken Positionierung für gesellschaftliche ebenso wie für soziale Rechte, für eine humane Aufnahmepolitik gegenüber Migrant*innen konnte sie vor allem jenes urbane Publikum für sich begeistern, das sich in den letzten Jahren enttäuscht von der PD abgewandt hatte. In der Metropole Mailand zum Beispiel erreichte sie am Sonntag etwa 70 Prozent der Stimmen.
Zunächst aber muss sie die Partei zusammenhalten. Nicht umsonst freut sich jetzt Matteo Renzi, der sich im Jahr 2019 von der PD abgespalten und seine eigene Kleinpartei Italia Viva gegründet hatte: Er hofft, dass die eher moderat-neoliberal gestimmten Kräfte in der PD jetzt den Abmarsch hin zu ihm vollziehen.
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