Partito Democratico in Italien: Reformerin oder Renzi-Treuer?

Italiens größte linke Partei ist zerrüttet – und wählt nun eine neue Spitze. Beide Kan­di­da­t*in­nen setzen auf klassisch linke Inhalte.

Eine junge Frau sitzt in einem TV Studio

Elly Schlein: Kandidatin für den Vorsitz des Partito Democratico Foto: Italy Photo Press/imago

ROM taz | Wer wird in Zukunft die Partito Democratico (PD) anführen, die größte italienische Partei links der Mitte und damit die wichtigste Oppositionskraft gegen Giorgia Melonis rechte Regierung? Wird es der Mittfünfziger Stefano Bonaccini, Präsident der Region Emilia-Romagna, ein Mann mit jahrzehntelanger Parteierfahrung? Oder hat am Ende die 37-jährige Abgeordnete Elly Schlein die Nase vorn, die erst im letzten Dezember in die Partei eintrat und damit wenigstens auf dem Papier als Outsiderin gelten muss?

Chancen hat die Außenseiterin vor allem, weil die PD ein Wahlverfahren hat, das nicht nur kompliziert ist, sondern auch Tür und Tor für Überraschungen öffnet. Die Abstimmung erfolgt in zwei Runden: Zunächst waren nur die Parteimitglieder gefragt, ihr Votum fand in den Ortsvereinen bis zum 19. Februar statt. Dort setzte sich Bonaccini mit 53 Prozent durch. Schlein kam auf immerhin 35 Prozent und übertraf damit die Erwartungen deutlich, während zwei weitere Kan­di­da­t*in­nen mit zusammen rund 12 Prozent weit abgeschlagen waren.

Spannend wird es nun in der zweiten Runde, bei dem am nächsten Sonntag alle An­hän­ge­r*in­nen der Partei, egal ob sie ein Mitgliedsbuch haben oder nicht, zwischen den beiden Bestplatzierten entscheiden dürfen. Damit sind Überraschungseffekte möglich, auf die wohl vor allem Elly Schlein hofft. Denn die PD steckt in einer tiefen Krise – Schleins Versprechen eines radikalen Neuanfangs, sowohl personell als auch programmatisch, ist daher attraktiv.

Bei den letzten Parlamentswahlen hatte die Partei nicht einmal 20 Prozent erreichen können. Das Mitte-Links-Lager – in dem die Fünf Sterne ebenso wie die auf Macron-Kurs segelnde Mitteliste Azione-Italia Viva mit der PD konkurrieren – war zudem gespalten angetreten und hatte damit dem geeinten Rechtsblock unter Giorgia Meloni einen klaren Wahlsieg beschert.

PD ist inhaltlich zerrissen

Zudem war und ist die PD inhaltlich zerrissen. Entstanden war sie erst im Jahr 2007 aus der Fusion der Linksdemokraten (ihrerseits eine Nachfolgepartei der italienischen Kommunisten) und der Mittepartei Margherita, in der frühere Christdemokraten dominierten. Und der PD war es nie gelungen, sich ein klares programmatisches Profil zu verschaffen, die Frage zu entscheiden, ob sie eine dezidiert linke Kraft sein wollte, oder eher auf einem „Dritte-Wegs“-Kurs nach dem Vorbild etwa Tony Blairs unterwegs sein.

Zum wahren Trauma wurden dann die Jahre unter der Führung Matteo Renzis. Er hatte 2013 den Vorsitz mit dem Versprechen übernommen, er werde die alte Parteigarde „verschrotten“ und frischen Wind in die Politik der PD bringen. Das tat er dann auch, als Ministerpräsident Italiens in den Jahren 2014-2016, mit einem neoliberalen Rechtskurs, der zum Beispiel Arbeitsmarktreformen mit sich brachte, die den Kündigungsschutz schwächten und prekäre Arbeitsverträge einfacher möglich machten.

Seitdem ist die Partei noch geteilter – und im Niedergang. Renzis Ära endete, als die PD, die im Jahr 2008 noch über 30 Prozent erreichte, bei den Wahlen von 2018 gerade knapp 19 Prozent schaffte. Renzi selbst spaltete sich mit einer Schar von Gefolgsleuten 2019 von der PD ab und gründete seine eigene Partei Italia Viva. Doch das Gros der Renzi-Anhänger*innen verharrte in der PD und wollte von einem Ende des neoliberalen, mittigen Kurses nichts wissen.

Auf einen solchen Bruch setzten jedoch die starken linken Kräfte in der Partei. Und Elly Schlein ist zum unverbrauchten Gesicht dieses Anliegens geworden. „Links, ökologisch, feministisch“ müsse die PD der Zukunft sein, predigt sie jetzt in ihrer Kampagne. Sie müsse sich klar positionieren: Gegen prekäre Arbeitsbedingungen, für einen Mindestlohn, für eine entschlossene Klimapolitik und ein dezidiertes Eintreten für Bürgerrechte, angefangen bei den Anliegen der LGBTIQ+-Communities.

Schlein wirkt wie ein Gegenentwurf zu Bonaccini

So hat sie es in ihrer politischen Laufbahn immer gehalten: 2014 war sie auf der Liste der PD ins Europaparlament gewählt worden, trat aber schon 2015 aus Protest gegen Renzis Arbeitsmarktreformen aus der Partei aus. Im Europaparlament engagierte sie sich vorneweg für die Rechte von Geflüchteten. 2020 trat sie dann mit einer kleinen linken Liste bei den Regionalwahlen in der Emilia-Romagna an und holte vier Prozent. Fortan war sie die Vizepräsidentin der Region. Und 2022 wurde sie schließlich als unabhängige Kandidatin auf der Liste der PD ins Abgeordnetenhaus gewählt.

Mit ihrer dezidiert linken Positionierung wirkt Schlein wie ein Person gewordener Gegenentwurf zu Stefano Bonaccini. Er war 2013 einer der wichtigsten Unterstützer Renzis, als der nach der Parteispitze griff, wirkte als Koordinator seiner Kampagne bei der Wahl des PD-Vorsitzes, und wird auch heute noch von dem früheren Renzi-Lager in der Partei unterstützt.

Doch auch Bonaccini hat erkannt, welcher Wind an der Basis der PD weht – und hat seine programmatischen Akzente deutlich nach links verschoben. Als er mit Schlein am Montag zu einem TV-Duell aufeinandertraf, überwog der freundliche Ton zwischen den beiden. Inhaltliche Differenzen waren kaum auszumachen. Schlein merkte am Ende etwas hilflos an, die PD-Anhänger*innen sollten sich allerdings fragen, wer den linken Kurs „immer schon vertreten“ und wer seine Meinung erst kürzlich geändert habe.

Und sie hofft, dass ihr Glaubwürdigkeitsvorsprung sie am nächsten Sonntag zum Sieg trägt. Sie wäre damit auch die erste Frau an der Spitze der PD.

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