piwik no script img

Lindner gegen „Titanic“Am Ende könnte es auf einen Schwanzvergleich hinauslaufen

Ex-Finanzminister Christian Lindner will gegen die „Titanic“ klagen. Kann er machen, entgegnet die Redaktion des Satire-Magazins. Aber ob das eine gute Idee ist?

Will gegen das Satiremagazin ‚Titanic‘ klagen: Christian Lindner Foto: Georg Wendt/dpa

Ex-FDP-Finanzminister Christian Lindner will rechtlich gegen das Frankfurter Satiremagazin Titanic vorgehen. Zuletzt hatte der bekannte Medienanwalt Christian Schertz dem Magazin eine Unterlassungsaufforderung geschickt, nun droht er mit einer Klage.

Anlass des Rechtsstreits ist die Januar-Ausgabe, die Christian Lindner und seine Ehefrau Franca Lehfeldt auf dem Cover zeigte. Darunter war ein Ultra­schallbild eines Babys montiert, das auf sinkende Börsenkurse blickt. Die Überschrift lautete: „Baby-Glück im Eimer. Es wird ein Low Performer!“

Zudem stand dort: „Lindner stellt Eilantrag zur Abschaffung von § 218.“ Die Titelseite in ihrer konkreten Gestaltung verletze die Persönlichkeitsrechte seiner Mandanten „aufs Schwerste“, schrieb Anwalt Schertz laut einem Bericht der FAZ.

„Titanic ist sich sicher, dass wir zu 100 Prozent gewinnen“, sagt Titanic-Redakteur Sebastian Maschuw der taz. Es tue ihm leid, dass der Ex-Finanzminister wieder keinen Erfolg feiern könne. Einschüchterungsversuche finde man nicht lustig. „Wir wären froh am Ende, wenn sich beim Verfahren beide Parteien auf einen Schwanzvergleich einigen können.“

Nicht so einer wie der Vater

Torsten Gaitzsch von Titanic weist zudem darauf hin, dass man noch nicht wisse, wie die Klage konkret aussehen werde. „Also Schmerzensgeld ist das wahrscheinlichste, aber in welcher Höhe oder in welcher Form – das steht noch in den Sternen.“

Nun warte man ab, wie der Vorgang sich tatsächlich präsentiere. „Wir hätten uns natürlich eine persönlichere Auseinandersetzung gewünscht“, so Maschuw. Die Redaktion habe sich entschieden, dem Kind ein lebenslanges Titanic-Abo zu schenken, „damit’s nicht auf die schiefe Bahn gerät und nicht so einer wird wie der Vater.“

Außerdem habe man ein Aktienpaket, einen Zukunftsfonds für das Lindner-Baby, zusammengestellt – mit ETFs, die Aktien von Gosch, Cartier, Rotkäppchen und Porsche enthalten.

Dabei ist der Fall Lindner ganz gewiß nicht der erste Versuch einer prominenten Persönlichkeit, juristisch gegen Titanic vorzugehen.

„Die meisten Politiker sind eigentlich erstaunlich klug“

Zuletzt war die katholische Kirche ein namhafter Gegner des Magazins. Insgesamt kam es bereits achtmal zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Besonders viel Aufmerksamkeit erregte der Streit im Jahr 2012, als sich Papst Benedikt XVI. durch das Titelbild mit der Schlagzeile „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden“ in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt sah. Der Vatikan erwirkte eine einstweilige Verfügung, zog die Klage jedoch überraschend kurz vor der Gerichtsverhandlung zurück

Auch aus der Politik kam es immer wieder zu juristischen Drohungen. So etwa im Jahr 2000, als Friedrich Merz erst mit rechtlichen Schritten drohte, dann aber sich mit deutlich weniger zufrieden gab.

„Die meisten Politiker sind eigentlich erstaunlich klug“, meint Titanic-Redakteur Torsten Gaitzsch rückblickend.

Aktuell führt das Magazin eine Solidaritätsaktion unter dem Motto: „Jetzt Totalverweigerer sanktionieren und endgültige Satire unterstützen!“ Unterstützen kann man sie durch Spenden sowie durch digitale oder Print-Abos.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Die Titanic hatte ich schon fast vergessen und den Titel finde ich schon sehr lustig, weil er die Ideologie der Neoliberalen gut auf's Korn nimmt. Aber lustig ist auch wie jemand, der gerne austeilt und da keine Rücksicht auf Gürtellinien nimmt, gleich rechtliche Schritte androht, wenn er selber im Zentrum steht. Aber ja, so isser halt, der Christian.

  • Satire darf alles? Die Justiz wird aufzeigen, ob es für die Titanic nicht



    auch Grenzen gibt.

  • "„Die meisten Politiker sind eigentlich erstaunlich klug“, meint Titanic-Redakteur Torsten Gaitzsch rückblickend."

    Bei Chr. Lindner bin ich mir in dem Punkt nicht ganz sicher. Friedrich Merz hatte sicher fundierte Einsichten und Gründe, um die sog. "Schuldenbremse" umgehend wie eine heiße Kartoffel fallenzulassen.

    Der anschließende heftig-disruptive Rekurs auf die Ideen und Hauptvertreter des Libertarismus ging dann aufgrund von schwerwiegenden Verwechslungen mit dem Liberalismus auch noch intellektuell komplett in die Hose und fand entsprechend wenige Devotees. Für die Aufnahme in den Club der class-a-performer reicht die Verinnerlichung des Ayn-Rand-Mantras „Achievement of your happiness is the only moral purpose of your life, and that happiness, not pain or mindless self-indulgence, is the proof of your moral integrity, since it is the proof and the result of your loyalty to the achievement of your values.“ nicht aus. Deshalb verweigerte E. Musk auch den ersehnten Ritterschlag.

    Ansonsten fand ich das Titelbild von der Idee und Umsetzung wenig geschmackssicher. Es gab bereits deutlich tiefsinnigere. Von daher wirkt das Agieren Lindners ziemlich hilflos.

  • unvergessen: der damalige SPD-Chef Kurt Beck zur Zeit des überaus lästigen bayrischen Problembärens Bruno... "Knallt die Bestie ab!"... hatte damals beim allabendlichen Späti-Besuch Tränen in den Augen... und das nicht wegen des armen Tieres, für das es am Ende tatsächlich nicht gut aus ging... das waren noch Zeiten...

  • Die Familie hält man raus, und Kindestötung derart zu thematisieren ist schon grenzwertig.



    Zugleich trifft diese FDPoide Abwertung von "Minderleistern" schon auch die Lindner-Ideologie. Und die FDP hat noch nie sonderlich am § 218 gehangen.

  • Na hoffentlich verliert das Magazin die Klage und hoffentlich fällt das Schmerzensgeld recht hoch aus. Spätestens wenn es um Babys geht muss Schluss sein.

    Wäre doch ganz wunderbar, wenn Familie Lindner dann zukünftig mit einem neuen Porsche unterwegs wäre mit Aufkleber "Sponsored by Titanic" (Wobei das Schmerzensgeld doch hoffentlich noch etwas höher ist als die Anschaffungskosten eines Porsches).

  • Helmut Kohl war diesbezüglich ziemlich cool. Ich glaube, die Titanic hatte ihn über 80 Mal auf dem Titel – und titulierte ihn meistens als „Birne“. 😁😂



    Der hat nie geklagt, das war ihm einfach völlig egal.

  • Hoffentlich fühlt sich das Magazin nicht zu sicher. In einem anderen Beitrag konnte man lesen, dass das Cover keinen Zusammenhang zu einem Artikel im Heft hatte und dewegen auch nicht als Satire zu werten sein.



    Mal sehen, wie der Spaß ausgeht.