Linda Yaccarino verlässt X: Sie lässt Musk sitzen
CEO Linda Yaccarino hat angekündigt, X zu verlassen. Kurz zuvor war der plattforminterne Chatbot Grok mit antisemitischen Ergüssen aufgefallen.
Linda Yaccarino ist zurückgetreten. Am Mittwochnachmittag veröffentlichte die Chefin von X, ehemals Twitter, auf der Plattform einen Beitrag, in dem sie bekanntgab, sich nach „zwei unglaublichen Jahren“ als CEO zurückzuziehen. Konkrete Gründe dafür nannte sie nicht. Jedoch war nur einen Tag zuvor der Chatbot Grok, mit dem X-Nutzer*innen kommunizieren konnten, heftig kritisiert worden, weil er mit antisemitischen Äußerungen und Hitler-Verherrlichungen aufgefallen war.
Die künstliche Intelligenz gehört zum Unternehmen xAI, zu dem auch X gehört, seitdem Besitzer Elon Musk es im März eingegliedert hat. Grok hatte gegenüber Nutzer*innen von „Beobachtungen“ berichtet, laut denen Menschen mit jüdischen Nachnamen oft „antiweiße Narrative“ verbreiten würden. Als Lösung für den „abscheulichen Hass gegen Weiße“ schlug der Bot Adolf Hitler vor. Später nannte Grok seine Äußerungen „schwarze Satire“.
Linda Yaccarino wurde von Musk im Mai 2023 zur CEO von X ernannt. Davor war sie die Werbeverkaufschefin des Medienunternehmens NBC Universal gewesen. Yaccarino bezeichnete den neuen Job in ihrer Nachricht von Mittwoch rückblickend als „Chance meines Lebens“. Mit ihrem Engagement sollten Werbekund*innen zurückgewonnen werden, die Twitter den Rücken zugewandt hatten, als sich das Klima veränderte, immer mehr Hassrede, rassistische, queerfeindliche und antisemitische Inhalte sowie Desinformation die Atmosphäre der Plattform stark verändert hatten.
Diese Wandlung lag nicht nur darin begründet, dass Musk zwei Drittel der Belegschaft entlassen hatte, sondern auch in den neuen Moderationsregeln, die er nach seinem Twitter-Kauf im Oktober 2022 durchsetzte – unter dem Deckmantel, die Meinungsfreiheit stärken zu wollen. Tatsächlich entdeckten viele Werbekund*innen X wieder – nachdem Donald Trump, unterstützt durch Kampagnen von Musk, die Wahl zum US-Präsidenten gewonnen hatte.
Auf die Meinungsfreiheit kam auch Yaccarino in ihrem Beitrag über ihren Abgang zu sprechen. „Ich bin ihm (Elon Musk; Anm. d. Red.) immens dankbar dafür, dass er mich mit der Verantwortung betraut hat, die freie Meinungsäußerung zu schützen, die Firma umzukrempeln.“
Expert*innen sehen auf X keine Verbesserung der freien Meinungsäußerung. Stattdessen war in den letzten Jahren immer wieder ein Exodus von User*innen zu beobachten, die marginalisierten und diskriminierten Gruppen angehören oder sie unterstützen. Dadurch erlangten andere Plattformen Zuwachs, so etwa der Kurznachrichtendienst Threads vom Unternehmen Meta, zu dem auch Facebook, Whatsapp und Instagram gehören, oder auch das dezentrale Fediverse, hinter dem kein Konzern steckt.
Auch der Schutz von User*innen, insbesondere von Kindern, den X, so schreibt Yaccarino, priorisiert haben will, ist nicht feststellbar. Minderjährige werden auf der Plattform weiterhin mit Desinformation konfrontiert, und das in einem Sozialraum, in dem rechte Ideolog*innen in den letzten Jahren immer mehr Einfluss gewinnen konnten.
Während Yaccarino große Lobesworte für X fand, kommentierte Musk den Weggang spärlich unter ihrem Beitrag: „Danke für deine Mitarbeit.“ Wohin Yaccarino als nächstes geht, ist bisher nicht bekannt. „Ich werde euch weiterhin anfeuern, während ihr weiterhin die Welt verändert“, beendet sie ihre Nachricht.
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