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Likud-Wahl von Benjamin NetanjahuQuicklebendige Demokratie

Israel zeigt einmal mehr, dass es eine westliche Demokratie mit einem starken Rechtsstaat ist. Das ist manchmal anstrengend.

Demokratie ist manchmal anstrengend, auch in Israel Foto: dpa

E s gibt in westlichen Demokratien viele Selbstverständlichkeiten. Entscheidungen durch Mehrheiten, Gewaltenteilung und die Repräsentanz von Minderheiten etwa. Dass die größte Regierungspartei eine Urwahl des Spitzenkandidaten für eine Parlamentswahl durchführt, ist hingegen nicht selbstverständlich. Meist entscheidet das Parteiestablishment über das Spitzenpersonal. So auch in Deutschland. Hierzulande hat die CDU im November einen Antrag auf eine Urwahl zur Kanzlerkandidatur abgelehnt.

Ganz anders in Israel. Dort hat am Donnerstag die Parteibasis des regierenden Likud über den Parteivorsitz und damit verbunden über die Spitzenkandidatur für die Parlamentswahlen im März abgestimmt. Dabei wurde der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bestätigt.

Die anstehenden israelischen Wahlen werden die dritten innerhalb von zwölf Monaten. Bei den vergangenen beiden Urnengängen scheiterten beide Lager an einer Regierungsbildung. Damit liegt Israel im Trend; in vielen europäischen Ländern ist das politische Spektrum ebenso zersplittert.

In Israel, wo eine niedrige 3,25-Prozent-Hürde (Deutschland: 5 Prozent) gilt, ist es noch leichter, die politische Diversität der Gesellschaft im Parlament abzubilden. Beispielsweise ist mit der Arabischen Liste die drittgrößte Fraktion in der Knesset die Interessenvertretung einer ethnisch-religiösen Minderheit. In Deutschland wäre das unvorstellbar. Doch die größere Vielfalt im Parlament macht es auch schwerer, stabile Mehrheiten zu finden. Demokratie ist eben manchmal anstrengend.

taz am wochenende

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Nun also Versuch Nummer drei, wieder mit Netanjahu. Dabei könnte die israelische Justiz ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Noch im Dezember wird der Oberste Gerichtshof darüber entscheiden, ob eine angeklagte Person – in diesem Fall der wegen Korruptionsverdacht angeklagte Netanjahu – als Ministerpräsident kandidieren darf.

Dass in Israel Polizei und Staatsanwaltschaft gegen den Ministerpräsidenten ermitteln können und die Gerichte über die Demokratie wachen, ist Ausdruck eines starken Rechtsstaates mit vorbildlicher Gewaltenteilung.

Die israelische Demokratie ist quicklebendig. Das ist, trotz aller Unkenrufe, nicht zuletzt aus Europa, ganz selbstverständlich.

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Alexander Nabert war Medienredakteur der taz. 2018 und 2019 recherchierte er im Rechercheressort zu "Hannibals Schattennetzwerk": taz.de/hannibal.
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7 Kommentare

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  • Sie haben es genau auf den Punkt gebracht Herr Nabert.

    Und jetzt lesen Sie mal hier:



    www.boell.de/de/buero-israel-tel-aviv

    Zitat:

    "Das Israel-Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv besteht seit Frühjahr 1998[.......]Ziel der Arbeit des Büros ist es, einen Beitrag zur Demokratieförderung in Israel, [.............] zu leisten.

    Zitat Ende

    The Germans teach the Jews democracy with German Entwicklungshilfe in terms like "einen Beitrag zur Demokratieförderung in Israel....



    ...no shame no limits...

    Dabei werden all die Stichworte geschwungen, die die Israelische Demokratie sich an unserem "deutschen Vorbild" so nötig noch einzuprägen habe.

    Think-Tanks, ökologische Gruppen, Nachhaltigkeit und man sorgt sich um die sozialen Situation der LGBTI Community in Israel, ohne den Blick über die Grenzen Israels hinaus zu benennen.

    Over and over again, I'm embarrassed, what we are witnesses about the German view regarding the jewish community (mentioned in the quote above). Nothing have changed.

  • Ein seltsamer, polarisierender, offensichtlich schlecht informierter Kommentar. Die Gemeinsame Liste hatte bei den letzten Wahlen 13% und muss sich also keine Sorgen um irgendeine Hürde machen. Sie repräsentiert 20% der Bevölkerung. Da scheint ein Vergleich mit Deutschland unsinnig.



    Folgendes Zitat aus dieser Zeitung bietet durchaus Anlass zur Sorge um Demokratie und Gewaltenteilung in Israel: "Miki Zohar, Fraktionsvorsitzender des Likud, kündigte im Fall einer Blockierung Netanjahus an, ein Gesetz voranzutreiben, mit dessen Hilfe das Parlament ein Urteil des Obersten Gerichtshofes aufheben könnte."



    In vielen deutschen Medien wird vereinfachend und polarisierend über Israel berichtet. Die taz hebt sich in der Regel durch ihre kompetenten Korrespondentinnen davon ab. Daher verwundert mich dieser Kommentar.

    • 9G
      90564 (Profil gelöscht)
      @Henk:

      ich verstehe ihre "kritik" nicht so ganz, leider scheint diese einem missverständnis zu folgen, die jointlist wird herangezogen, um die politische diversität zu illustrieren, nicht um die sperrklausel zu thematisieren und REPRÄSENTIEREN tut diese liste ihre wähler!nnen, sprich die 13%, nicht die 20% nichtjüdischer israelis.



      und um ein gesetz in der knesset zu beschliessen, benötigt auch bibi eine mehrheit, welche er aktuell nicht hat, darum muss israel ja auch ein 3tes mal wählen, den herrn nabert empfinde ich an dieser stelle wesentlich kompetenter, als so einige andere taz-kommentator!nnen.

  • komische unterzeile: wenn's jetzt den gideon saar gewählt hätten im likud... wäre dann israel ne östliche demokratie oder eher ne nord-südliche?

    • @christine rölke-sommer:

      Na Servus - but - Ach waz! - & Dachte!



      Sind halt keine Lichte - oder wenig.

      Geschätzte - seinse doch a fine - gnädig



      & verlange mer nich noch durchdachte -



      Jahrenendzeitdenkfigur - …inne taz.

      Als Appetizer - kommt‘s doch das -



      Dem Apologeter voll zupaß.

      Na Mahlzeit

  • 9G
    90564 (Profil gelöscht)

    wir erinnern uns natürlich alle, an die strafprozesse und die harten urteile gegen dr. helmut kohl, schäuble, koch usw

    im übrigen ist die unschuldsvermutung auch bei leuten, die man nicht besonders pralle findet, ein kennzeichen des bürgerlichen rechtsstaats.



    "Quicklebendige Demokratie" bedeutet in dem kontext, dass in israel auch trotz terrorbedrohung, kriegzustand und andauernden raketenangriffen auf israelische zivilist!nnen, regelmässig demokratische wahlen abhält, bei denen alle staatsbürger!nnen frei wählen können, egal, welcher herkunft, geschlecht oder glauben sie haben, im unterschied zu all seinen nachbarstaaten.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich weiß nicht, was an der Wahl Netanjahus "Quicklebendige Demokratie" sein soll, ganz abgesehen davon, dass ich es mit dem Schnellen nie hatte. Trotz einer fixen Auffassungsgabe.

    Für mich wäre es sauber gewesen, zunächst die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes abzuwarten und danach die Likud-Wahl durchzuführen. Gut, aber Politik und Sauberkeit sind eher feindliche Schwestern.

    In diesen Zeiten werden Pferde vorzugsweise von hinten aufgezäumt, manchmal sogar tote, die dann noch zu reiten versucht werden. Ich finde dies eher dümmlich - und neige als jemand, der auch in der Suchttherapie tätig war, dazu den ersten Schritt vor dem zweiten zu machen.

    In "süchtigen Zeiten" mag dies eher ungewöhnlich sein. Vor allem bei nicht-stofflichen Süchten.