Libyen-Konferenz in Berlin: Tropfen in der libyschen Wüste

Mit der Einheitsregierung und einem vereinbarten Wahltermin geht die Stabilisierung Libyens voran. Gefährlich und problematisch bleiben die Söldner.

US-Außenminister Blinken am Tisch mit dem libyschen Regierungschef Dbeibeh vor den beiden Flaggen

US-Außenminister Antony Blinken im Gespräch mit dem libyschen Premierminister Dbaiba Foto: Andrew Harnik/ap

Die politische Roadmap für Frieden und Stabilität in Libyen bleibt eine große Baustelle – daran ändert auch die internationale Libyen-Konferenz in Berlin, zu der Deutschland und die UNO geladen hatten, wenig. Die wichtigste Neuerung: Erstmals gab es mit der im Februar geschaffenen Übergangs-Einheitsregierung einen von allen Seiten anerkannten einzigen libyschen Gesprächspartner und sogar eine Gesprächspartnerin, mit dem die internationale Gemeinschaft verhandeln kann.

Premierminister Abdulhamid Dbaiba und seine Außenministerin Najla Mangoush waren in Berlin die Hoffnungsträger für die Fortsetzung des politischen Prozesses und der Wiedervereinigung des gespaltenen Landes, die am 24. Dezember in Parlamentswahlen münden sollen. Das ist eine positive Entwicklung und wäre noch vor dem Waffenstillstand, auf den sich beide Seiten letzten Oktober geeinigt hatten, völlig undenkbar gewesen.

Aber das Gespenst der Spaltung geisterte in Berlin vor allem in Form jener Mächte herum, die in dem nordafrikanischen Land immer noch den verschiedenen Seiten der einstigen Bürgerkriegsparteien vor allem mit Söldnern zur Seite stehen. Der türkische Konferenzgast unterstützt die Milizen im Westen des Landes und in der Hauptstadt Tripolis mit türkischen Militärberatern und angeheuerten syrischen Söldnern. Gast Russland mischt im Osten des Landes mit Söldnern der russischen Wagner-Gruppe mit.

Dort haben auch die Arabischen Emirate, ebenfalls in Berlin anwesend, sudanesische Söldner auf ihrer Gehaltsliste. So gibt es zwar eine Einheitsregierung in Libyen, aber die beiden alten Bürgerkriegsparteien beäugen sich noch immer misstrauisch, unterstützt von verschiedenen ausländischen Mächten, die mit Hilfe ihrer Söldner einen Fuß im ölreichen Libyen haben und ziemlich ungern gehen würden. Diese Dynamik zu brechen, war eine der Hauptaufgaben der Berliner Konferenz.

Überschwänglich optimistische Außenministerin

In der Abschlusserklärung heißt es einmal mehr, dass der vollständige Abzug aller ausländischen Kämpfer „ohne weitere Verzögerung“ stattfinden muss. Aber wie viele Fortschritte hier erzielt werden, macht sich leider nicht an Konferenzpapieren fest. Schon bei der letzten Libyen-Konferenz in Berlin, die Anfang vergangenen Jahres stattfand, gab es vollmundige Absichtserklärungen aller Seiten zum Abzug ihrer Söldner. Geschehen war seitdem nichts.

Nun gibt es einen erneuten Anlauf, und zumindest Libyens neue Außenministerin gab sich zum Abschluss der Konferenz in Berlin geradezu überschwänglich optimistisch und verlieh ihrer Hoffnung auf einen Abzug der Söldner schon in den kommenden Tagen Ausdruck. Ob das tatsächlich ein konkreter Plan oder mehr Wunschdenken geschuldet ist, muss sich jetzt zeigen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas gab sich verhaltener.

Er glaube, es gäbe eine Verständigung zwischen Russland und der Türkei, ihre Söldner abzuziehen. Das werde aber sicherlich nicht über Nacht geschehen, warnte er. Und von den Emiraten und ihren sudanesischen Söldnern sprach er erst gar nicht. Ein Beamter des US-Außenministeriums, dessen Chef Antony Blinken ebenfalls Konferenzgast war, redete davon, dass sich Russland und die Türkei geeinigt hätten, erst einmal auf beiden Seiten 300 Söldner abzuziehen.

Ein Tropfen, der ganz schnell im libyschen Wüstensand versickern und verdunsten wird. Die UNO schätzt, dass sich derzeit in Libyen 20.000 ausländische Söldner befinden. Um da wirklich ans Ziel zu kommen, müssen noch viele Libyen-Konferenzen in Berlin angesetzt werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.