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Letzter SED-Regierungschef der DDRHans Modrow ist tot

Kurz führte er den Arbeiter- und Bauernstaat, später saß er für die PDS im Bundestag. Die Wiedervereinigung sah er stets kritisch. Am Samstag starb er 95-jährig.

Hans Modrow beim Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf dem Friedhof Friedrichsfelde am 13. Januar 2019 Foto: Markus Schreiber/ap

Berlin dpa/taz | Der letzte DDR-Ministerpräsident der Staatspartei SED, Hans Modrow, ist tot. Er starb in der Nacht zum Samstag im Alter von 95 Jahren, wie die Linke im Bundestag mitteilte. „Damit verliert unsere Partei eine bedeutende Persönlichkeit“, erklärten der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und der frühere Fraktionschef Gregor Gysi. Von November 1989 bis April 1990 lenkte Modrow die Geschicke der DDR. Er verhandelte nach dem Fall der Mauer die ersten Annäherungsschritte mit der Bundesregierung.

Der langjährige SED-Funktionär und spätere PDS- und Linke-Politiker galt als überzeugter Sozialist, der sich zu DDR-Zeiten ein kleines Stück kritische Distanz zur allmächtigen SED bewahrt hatte. In den 1970er Jahren wurde Modrow deshalb von der Machtzentrale in Berlin als 1. Bezirkssekretär in die Provinz nach Dresden geschickt. Nach dem Fall der Mauer qualifizierte ihn das für Führungsaufgaben in der sich erneuernden SED. Nur vier Tage danach wurde Modrow am 13. November 1989 zum Vorsitzenden des Ministerrates der DDR als Nachfolger von Willi Stoph gewählt – für rund 150 Tage.

Bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 verlor die SED-PDS die Macht und Modrow einen Monat später sein Amt. Ihm folgte als letzter Ministerpräsident der DDR bis zur Wiedervereinigung der CDU-Politiker Lothar de Maizière.

In seiner fünfmonatigen Amtszeit versuchte Modrow mit seinem Drei-Stufen-Plan noch, ein Stück DDR zu retten. Als Preis für die deutsche Einheit forderte er eine militärische Neutralität des neuen Staates. Im März 1990 gründete seine Regierung die Treuhandanstalt, die den Übergang von der Plan- in die Marktwirtschaft organisieren sollte. Mit dem sogenannten Modrow-Gesetz ermöglichte der DDR-Ministerpräsident zahlreichen Haus- und Hof-Besitzern, die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen und die oft nach dem Krieg enteignet worden waren, sehr preiswert zu kaufen.

„Der gesamte friedliche Verlauf der Herstellung der Deutschen Einheit war gerade ein besonderes Verdienst von ihm. Das wird sein politisches Vermächtnis bleiben“, schrieben Bartsch und Gysi in ihrem Nachruf.

Nach der Wiedervereinigung saß Modrow von 1990 bis 1994 für die PDS im Deutschen Bundestag und vertrat sie von 1999 bis 2004 im Europaparlament. Den neuen Staat sah der Sozialist durchaus kritisch. Zu schnell sei die deutsche Einheit vollzogen worden, zu bedingungslos sei die DDR untergegangen, und zu einseitig sei sie als „Unrechtsstaat“ verdammt worden, rügte Modrow in vielen Interviews. Als Mann der alten Garde trauerte er den einstigen kommunistischen Idealen der DDR hinterher.

Bis ins hohe Alter beriet er die Linke als Vorsitzender deren Ältestenrats. Er machte dabei deutlich, dass er sich als früherer Ministerpräsident „weiter in Verantwortung auch den ehemaligen DDR-Bürgern gegenüber“ sehe.

Zuletzt hatte er allerdings mit Auslassungen zum Ukraine-Krieg für große Empörung in der Linkspartei gesorgt. In einer „Mitteilung über die Beratung des Ältestenrates“ relativierte er den Überfall Russlands auf seinen Nachbarn. Der Parteivorstand distanzierte sich daraufhin von Modrow und berief ihn als Vorsitzenden des Ältestenrates ab. Parteimitglieder werteten insbesondere seine außenpolitischen Ansichten als zunehmend skurriler und befremdlicher.

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4 Kommentare

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  • Die Wiedervereinigung mit voran gegangener friedlicher Revolution lässt sich sicher kritisch betrachten. Wäre es möglich gewesen die marode Planwirtschaft sozialverträglicher in den Wettbewerb zu überführen? Viele Menschen hatten wenig bis gar kein Vertrauen in die politische Führung und der Rausch der (Reise-)Freiheit hat vieles überdeckt. Am Ende sind blühende Landschaften entstanden.

    Modro ist auch nach der Wiedervereinigung seinen politischen Idealen treu geblieben und durfte ungeschoren eine andere Meinung haben und Kritik äußern. So ist es doch gut.

  • Ruhe in Frieden, Hans!

    Venceremos

  • Hans Modrow vor ziemlich genau einem Jahr: „Die Frage, wie weit der Krieg in der Ukraine nun ein Einmarsch russischer Truppen ist oder sich als ein innerer Bürgerkrieg der Kräfte in den neuen Ost-Staaten und faschistischen Elementen im Westen der Ukraine darstellt, steht im Raum.“ taz.de/Modrows-Rel...nekriegs/!5844232/

    Altersweisheit geht anders. Dennoch Gute Reise, Genosse!

  • SED-PDS-DIE LINKE



    Bundestagsabgeordneter - Europaabgeordneter



    Ein Leben im Zeichen des Märchenauges



    Hans Modrow während der Eröffnung des Parteilehrjahres der SED



    www.deutschefototh...df_hpm_0004385_001



    Sekretär der SED- Bezirksleitung Berlin. Zuständig für Agitation.



    www.deutschefototh...bildarchiv_0007237



    Erster Sekretär der Bezirksleitung der SED in Dresden



    ...Am 3. Oktober 1989 ließ er 1320 Dresdner festnehmen, die bei der Durchfahrt der Flüchtlingszüge aus Prag demonstrierten. Am 13. Oktober 1989 legte die Dresdner Polizeiführung unter seinem Kommando einen detaillierten Geheimplan zur Unterdrückung der Bürgerunruhen vor....



    .... Ich war Bezirksvorsitzender der SED und insofern liegt auch bei mir Verantwortung für das geschönte Ergebnis,Wahlfälscher war ich nicht...



    "Gorbatschow hat die DDR preisgegeben"



    www.moz.de/nachric...ben_-48969540.html



    Reise Hans Modrow