Letzte Stunden im US-Wahlkampf: In Dixville Notch gewinnt Biden
Demokrat Joe Biden plant selbst am Wahltag noch weitere Auftritte in Philadelphia. Donald Trump warnt mal wieder vor der Briefwahl.
Am letzten Tag des höchst ungewöhnlichen Wahlkampfs warnte der republikanische Präsident Donald Trump erneut ohne Beweise vor Wahlmanipulation. Briefwahlen seien gefährlich, sagte er erneut mit Blick auf die Auszählung von Stimmen in Pennsylvania. Der Präsident drohte mit rechtlichen Schritten, um die Auszählung von Briefwahlunterlagen nach dem Wahltag zu unterbinden.
Das oberste Gericht Pennsylvanias hatte zuvor entschieden, dass Wahlunterlagen auch berücksichtigt werden, wenn sie bis zu drei Tage nach der Wahl am Dienstag, also bis zum Freitag, eintreffen. Dies sei „sehr gefährlich, und ich meine gefährlich, physisch gefährlich“, sagte Trump bei einer Wahlkampfkundgebung in Avoca. Es könne betrogen werden, „wie du es noch nie gesehen hast“, sagte Trump.
Trumps demokratischer Herausforderer Joe Biden konzentrierte sich ebenfalls auf Pennsylvania. Dort warb er um die Stimmen schwarzer Bürger. „Die Macht, dieses Land zu verändern, liegt in euren Händen“, sagte Biden bei einer Kundgebung im Freien in Homewood, einem überwiegend von Schwarzen bewohnten Viertel in Pittsburgh. Er sprach von der Covid-19-Pandemie, von der die schwarze Gemeinde in den USA unverhältnismäßig stark betroffen ist. Zudem erläuterte Biden seine Pläne, wie er die wirtschaftliche Situation von Schwarzen verbessern wolle.
Schluss mit Trump
Der Demokrat griff auch Amtsinhaber Trump an und versprach einen neuen Politikstil. Mit dem Chaos, Rassismus, den Tweets, der Wut, dem Hass, Versagen und der Verantwortungslosigkeit sei es vorbei, erklärte Biden. Einige hupten bei der Kundgebung, bei denen Anhänger in ihren Autos saßen. Andere saßen in ihre Decken gehüllt und beobachteten den Kandidaten.
Bidens Siegeschancen in Pennsylvania hängen vor allem von den Stimmen von Schwarzen und Latinos ab. Er und seine Vizekandidatin Kamala Harris haben dort etliche Wahlkampfauftritte absolviert, die vor allem auf Angehörige von Minderheiten abzielten.
Sowohl Trump als auch Biden gaben sich siegessicher, doch Bidens Chancen, die nötigen 270 Stimmen der Wahlmänner und -frauen zu gewinnen, sind größer. Trump hofft auf den Enthusiasmus seiner loyalsten Unterstützer, während Biden selbst am Wahltag noch weitere Auftritte in Philadelphia und in seiner Heimatstadt Scranton plante. Harris wollte am Dienstag noch Detroit besuchen, eine überwiegend von Schwarzen bewohnte Stadt im umkämpften Staat Michigan. Beide Ehepartner sollten ebenfalls auftreten. Laut dem Stand am Montag hatte Trump am Dienstag keinen Auftritt mehr geplant.
Derweil waren kurz nach Mitternacht (Ortszeit) die ersten Entscheidungen der US-Präsidentenwahl bereits gefallen – in dem kleinen Örtchen Dixville Notch in New Hampshire, dessen Wahllokal seit 1960 am Wahltag bereits um Mitternacht öffnet. Biden hat die Abstimmung dort mit 5 zu 0 Stimmen gegen Donald Trump gewonnen. Im Nachbarort Millsfield setzte sich der Republikaner Trump mit 16 zu 5 Stimmen gegen Biden durch, wie hier kurz nach Mitternacht (Ortszeit) auf einer handbeschriebenen Tafel verkündet wurde.
Weniger als ein Dutzend registrierte Wähler in Dixville Notch
Da es in dem Skiort Dixville Notch nahe der kanadischen Grenze weniger als ein Dutzend registrierte Wähler gibt, sind Stimmabgabe und -auszählung schnell abgewickelt. US-Fernsehsender übertrugen Abstimmung und Auszählung live. Bei der Wahl 2016 hatte hier die Demokratin Hillary Clinton mit 4:2 gegen Trump gewonnen.
Dass man so früh votieren darf, ist einem Gesetz in New Hampshire zu verdanken. Es erlaubt Gemeinden mit weniger als 100 Einwohnern, sowohl bei den Vorwahlen als auch dann bei der Präsidentenwahl schon um Mitternacht ihr Wahllokal zu öffnen. Damit sollte Eisenbahnarbeitern die Möglichkeit gegeben werden, wählen zu gehen, sich aufs Ohr zu legen und dann pünktlich zur Arbeit anzutreten. Längst nicht immer spiegelten die Resultate aus den kleinen Orten, wer dann am Ende Präsident wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers