Lembergs Bürgermeister über die Ukraine: „Poroschenko ist kein Messias“
Andrij Sadowy ist optimistisch. Und der Lemberger Bürgermeister erläutert, was er vom neuen ukrainischen Präsidenten und von der EU erwartet.
taz: Herr Sadowy, was erwarten Sie von dem neuen Präsidenten Petro Poroschenko?
Andri Sadowy: Wir wissen, dass Poroschenko kein Messias ist, sondern ein Manager. Er muss ein persönliches Vorbild sein und viel daran arbeiten, dass in der Ukraine das europäische Recht gilt.
Schon die Orange Revolution hatte sich 2004 die Bekämpfung der Korruption auf die Fahnen geschrieben. Danach ging es weiter wie vorher. Warum soll das nun anders sein?
Die Leute erwarteten ein Wunder. Irgendwer sollte es richten. Heute mit der Revolution der Würde ist das anders. Die Menschen verstehen, dass sie auf eigene Kräfte setzen müssen.
In Lemberg hat die rechte Partei Svoboda seit 2010 die Mehrheit im Stadtrat. Wie ist ihre Position heute?
Sie hat Einfluss verloren. Das sind Populisten. Praktisch haben sie nichts Vernünftiges zustande gebracht. Bei der nächsten Kommunalwahl werden sie zwei Drittel ihrer Wähler verlieren. Bei der Präsidentenwahl hat der Svoboda-Kandidat ein Prozent erhalten.
Was erwarten Sie konkret von der Europäischen Union?
Ich gehe davon aus, dass das Assoziierungsabkommen noch im Juni unterzeichnet wird. Ich hoffe, dass die Einführung einer europäischen Gesetzgebung die Korruption in der Ukraine minimiert. Das wird mehr Investoren ins Land bringen.
Wird das Assoziierungsabkommen mit der EU den Handel mit Russland gefährden?
Nein. Russland ist ein wichtiger Handelspartner. Aber Russland versteht nur die Sprache der Macht. Deshalb muss die Ukraine ihre Wirtschaftskraft steigern, dann wird es mit Russland keine Probleme geben. Wenn wir die Beziehungen zu Europa verbessern, werden wir Zugang zu neuen Märkten bekommen. Dann ist Russland nicht mehr so wichtig.
Was kann die Westukraine künftig in die EU exportieren?
Die IT-Industrie in Lemberg ist in den letzten Jahren um 25 Prozent gewachsen. Die neuen Technologien sind unsere Chance. Wir produzieren eine Niederflur-Straßenbahn, die technologisch so gut ist wie die von Siemens. Aber sie kostet nur ein Viertel. Wir haben gute Böden. Wenn wir die Landwirtschaft technologisch entwickeln, könnten wir ganz Europa ernähren.
Gaspreise und Lebenshaltungskosten steigen, die Auflagen des IWF deckeln Löhne und Renten. Sehen Sie die Gefahr, dass die Gesellschaft sozial zerrissen wird?
Wenn der Patient krank ist, muss man ihn heilen. Wenn er nicht geheilt wird, stirbt er.
Das IWF-Programm wird zur Heilung beitragen?
Da bin ich sicher. Das Potential der Ukraine ist sehr hoch.
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