piwik no script img

Leitzinserhöhung um 0,5 ProzentpunkteDie heikle Mission der EZB

Die außergewöhnlich hohe Inflation sorgt die Währungshüter. Sie heben die Zinsen im Euroraum um 0,5 Prozentpunkte an.

EZB-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag in Frankfurt Foto: Wolfgang Rattay/reuters

Berlin taz | Politikwechsel nach elf Jahren: Die Europäische Zentralbank erhöht nächste Woche die Zinsen, erklärte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag. Mit der Anhebung um 0,5 Prozentpunkte reagiert die Notenbank, die die gemeinsame Währung Euro herausgibt, auf die hohe Inflation im Euroraum. Diese betrug im Juni 8,6 Prozent.

Ursprünglich hatte das Leitungsgremium nur eine Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte angepeilt. Man sei jedoch „zu der Einschätzung gelangt, dass ein größerer erster Schritt angemessen ist“, hieß es. Schließlich liegt die Inflationsrate weit über den 2 Prozent jährlich, die für akzeptabel gehalten werden. Der Sprung von 0,5 Prozentpunkten gilt nun jeweils für die drei Zinssätze der Zentralbank. Der Tarif, zu dem sich Geschäftsbanken mittelfristig Geld leihen können, steigt von 0 auf 0,5 Prozent. Weitere Anhebungen könnten bald folgen, kündigte Lagarde gleich mit an.

Außerdem beschloss der EZB-Rat ein neues Programm, um die Folgen der Zinserhöhung für stark verschuldete Euro-Mitglieder wie Italien zu dämpfen. Im Notfall könnten damit Staatsanleihen gekauft werden. Dies würde verhindern, dass die Verschuldungskosten für manche Länder zu sehr steigen.

Private Spare­r:in­nen dürfen nun hoffen, dass auch sie bald nominale Zinsen zum Beispiel für Guthaben auf ihren Spar- und Festgeldkonten erhalten. Im Zuge dessen werden auch Lebensversicherungen und andere private Rentenverträge wohl wieder etwas mehr Rendite abwerfen. Das muss aber nicht bedeuten, dass der bisherige Wertverlust von Guthaben zum Stillstand kommt. Wenn die Inflation höher ist als der nominale Zins, kann die reale Verzinsung trotzdem negativ ausfallen, allerdings nicht mehr so stark wie vorher.

Kredite werden teurer

Mit der Zinserhöhung werden auch die Kreditzinsen wachsen, die Bür­ge­r:in­nen zahlen müssen, wenn sie sich Geld bei Banken leihen. Das heißt: Baukredite werden teurer, Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen unter dem Strich möglicherweise ebenso.

Außenwirtschaftlich betrachtet dürfte die Zinserhöhung den Kurs des Euro gegenüber anderen Währungen, vor allem dem US-Dollar, unterstützen. Importe nach Deutschland könnten deshalb relativ etwas billiger werden. Andererseits steigen die Preise hiesiger Exportgüter für ausländische Käufer:innen, was die Geschäfte der einheimischen Firmen leicht beeinträchtigen mag.

Wobei die Mission der EZB augenblicklich heikel ist. Einerseits muss sie etwas gegen den Preisauftrieb unternehmen. Ihre Aufgabe besteht schließlich im Wesentlichen darin, die Geldwertstabilität des Euro zu sichern, mithin die Kaufkraft der Bürger:innen. Andererseits schwächt sich gerade die Wirtschaftsdynamik ab, die Wachstumsraten gehen zurück. Ursachen dafür sind Probleme im globalen Handel nach Corona, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, die Sanktionen des Westens und der mögliche Gasboykott durch Moskau.

Erhöhung birgt Gefahren

Eine Rezession, also Schrumpfung der Wirtschaftsleistung, im kommenden Jahr ist denkbar. In einer solchen Situationen verbieten sich Zinserhöhungen eigentlich. Sie bremsen die Ökonomie zusätzlich, weil dadurch auch Kredite für Unternehmen und deren Investitionen teurer werden. Die beiden Ansätze lassen sich schwer vereinbaren.

Öko­no­m:in­nen begrüßten die EZB-Entscheidung überwiegend. Kritik wurde unter anderem daran geübt, dass sich die Notenbank zu viel Zeit gelassen habe. „Das ist viel zu wenig und kommt viel zu spät“, bemängelte etwa der CSU-Europapolitiker Markus Ferber. „Die EZB muss in den kommenden Wochen einen Zahn zulegen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Wie wär's mit ner kurzen Anmerkung, dass die Zinserhöhung angesichts der Gründe dieser Inflation nichts zur Geldwertstabilisierung beitragen wird? Das soll doch Journalismus sein, oder?

    • @BigRed:

      Wie kommen Sie dazu?



      Meine Meinung:



      Sie haben Recht, dass die momentane Inflation nicht auf die Geldmengenausweitung zurückzuführen ist. Die momentane Inflation ist ein Resultat aus steigenden Rohstoffpreisen und Lieferkettenschwierigkeiten - also ein Angebotsproblem. Darüber hinaus war die staatliche Unterstützung (insb. in den USA) etwas zu großzügig. D.h. insgesamt trifft eine zu hohe Nachfrage auf ein zu geringes Angebot. Die steigenden Zinsen sollen die Nachfrage und das Angebot wieder mehr in Einklang bringen - im Prinzip die bewusste Abkühlung der Konjunktur. Die Erwartungen über eine Rezession (insb. in den USA, wo die Zinsen deutlich höher sind), haben bereits dafür gesorgt, dass dieEnergiepreise in der jüngeren Vergangenheit deutlich gesunken sind.

  • Fehler Nr. 1: Verwechslung der Politiker einer Nationalwährung wie dem US Dollar mit einer Multinationalwährung wie der Euro, ökonomisch untragbar, rein politisch gewollt, einzige Stärke, die schiere Masse. Ansonsten negative Auswirkungen auf alle Arbeitsmärkte, Arbeitslosenzahlen, die gehen hoch, weil nächst schwächerer Parameter durch Wegfall der Devisenkurse, Abwertungsmöglichkeiten, die heute verteufelt werden, von Euro Anhängern, die von nichts eine _Ahnung haben. Folge: Hassadeure, welche die EZB lenkten und lenken, griffen und greifen zu Billonen Euro Geldschöpfungen, um knastvermeidend über den Zweitmarkt verbotene Staatsfinanzierung zu betreiben mittels Staatsanleihenaufkauf von Banken, welche die in deren Auftrag gekauft haben. Der Irssinn hört nicht auf, Diese Experimentalwährung wird untergehen und mit ihr die verführten Mitgliedsstaaten mit ihen Konjunkturen. Eine Rückkehr zu Nationalwährungen ist die einzige Lösung. Quod erat demonstrantum.

    • @Karl Ecker:

      Nur ist der US$ halt nicht irgendeine Nationalwährung sondern die internationale Buchwährung sowie Währung in mehr Ländern als nur den USA.

    • @Karl Ecker:

      Was ist den so anders an den Dollar-Staatenkonglomerat USA die agieren doch wirtschaftlich auch auf höchst unterschiedlichem Niveau.

      • @guzman:

        Ganz einfach: der Arbeitsmarkt ist viel flexibler: die sprechen überall dieselbe Sprache und die Sozialstandards sind auch überall dieselben (also null, aber das ist eine andere Diskussion)

  • Und natürlich wird die EZB mit ihrem neuen Programm z.B Italien weiter finanzieren. Die Begründung lautet ja, salopp gesagt dass man Spekulanten ein Bein stellen wolle.



    Sehe ich mir aber die aktuellen Entwicklungen in Italien an, so sehe ich steigende Risikoprämien für italienische Staatsanleihen als absolut gerechtfertigt an! Die EZB - und all die (linken) Unterstützer des 'Stützprogramms' machen sich hier zum Steigbügelhalter einer faschistischen Regierung.

    • @Emmo:

      klar doch, die Linken sind schuld. Immer. Jetzt sind sie auch an den Verbrechen der Rechten schuld.

      • @guzman:

        Nein, die Linken sind nicht immer schuld - die Italiener selbst sind es, die die Faschisten wählen.



        Und hier soll nun auch noch Europa die Kosequenzen der Entscheidungen der Italiener finanzieren? Plädieren Sie echt dafür?

  • "Das muss aber nicht bedeuten, dass der bisherige Wertverlust von Guthaben zum Stillstand kommt. Wenn die Inflation höher ist als der nominale Zins, kann die reale Verzinsung trotzdem negativ ausfallen, allerdings nicht mehr so stark wie vorher."

    Logisch. Kein Sparer wird damit real etwas verdienen. Ein spannender Punkt, der hier nicht ewähnt wurde: die Zinsabschlagssteuer, mit der der Staat einen Teil dieser "Gewinne" abgreift, wird nun wieder mehr in die Staatskasse spülen. Wir zahlen dann auf diesen realen Verlust auch noch Steuern.

  • Ein halbes Prozent. Na, da kann man ja deutlich sehen, wie sich da gesorgt wird.