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Lehrerin über AfD-Online-Pranger„Wir fühlen uns nicht schuldig“

Die AfD will ihr Denunziationsportal für kritische Lehrer auch in Niedersachsen online stellen. Lehrerin Miriam Pegesa will sich selbst anzeigen – aus Protest.

Fühlen sich vom Meldeportal der AfD an den Pranger gestellt: Lehrer Foto: dpa
Andrea Maestro
Interview von Andrea Maestro

taz: Frau Pegesa, warum wollen Sie sich als Lehrerin selbst melden, sobald in Niedersachsen die AfD-Plattform online ist?

Miriam Pegesa: Ich möchte in meiner Profession als Lehrerin ein politisches Statement setzen, gemeinsam mit meinen Kollegen. Wir stehen für kritischen Unterricht – und achten dabei das Neutralitätsgebot. Wir verstehen darunter nur nicht das Gleiche wie die AfD. Zensurversuche einer Partei haben im Unterricht nichts zu suchen.

Die AfD kritisiert, dass „verblendete Ideologen unter den Lehrern“ einseitig und zuungunsten der Partei unterrichten würden.

Wenn die AfD über neutralen Unterricht spricht, meint sie damit, dass es keine Kritik an der AfD geben soll. Die AfD in Sachsen-Anhalt hat zum Beispiel versucht, die Gelder für das Netzwerk Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage zu stoppen. Daran zeigt sich, dass es nicht um Neutralität geht.

Was genau wollen Sie damit bezwecken, dass Sie sich selbst melden?

Wir wollen klarmachen, dass das Neutralitätsgebot nicht bedeutet, dass man wertneutral unterrichtet. Ich unterrichte in meinem Klassenzimmer nicht in einem politisch sterilen Raum.

Was bedeutet Neutralität für Sie?

Dass ich sachlich unterrichte und Einseitigkeit vermeide. Man muss den Schülerinnen und Schülern so viele Rohmaterialien aufbereiten, dass sie zu einer eigenen Meinung kommen können. Themen, die kontrovers sind, müssen im Unterricht auch kontrovers dargestellt werden. Wir haben aber auch einen Bildungsauftrag und sind verpflichtet, Rassismus oder Menschenfeindlichkeit kritisch zu thematisieren.

Bild: privat
Im Interview: Miriam Pegesa

31, unterrichtet Gesellschaftslehre und Französisch an der IGS Garbsen. Am gestrigen Montag fand nach Redaktionsschluss ein Treffen in der Schule statt, um über die geplante Selbstanzeige zu informieren.

Was sagen Sie denn Ihren Schülern über die AfD?

Bisher habe ich die AfD noch nicht konkret thematisiert, aber jetzt ist gerade die Nationalstaatsbildung im 19. Jahrhundert in der Sekundarstufe II dran und da passt es, weil ich Theorien über Natio­nalstaaten und Nationalismus durchnehme. Wenn AfD-Mitglieder darüber sprechen, Waffengewalt an deutschen Grenzen zu gebrauchen, eignet sich das gut, um zu analysieren, wie solche Aussagen mit Nationalismus zusammenhängen.

Unterscheidet sich die Art und Weise, wie Sie die AfD und andere Parteien im Unterricht thematisieren?

Es ist wichtig, jede Partei sachlich-kritisch zu betrachten. Allerdings gibt es bei der AfD Aussagen, bei denen ich finde, dass es wichtig ist, auch ein Statement zu setzen.

Meldeportale der AfD

Die niedersächsische AfD will am 17. Dezember ein eigenes Onlineportal mit Namen „Neutrale Lehrer“ vorstellen, bei dem Schüler und Eltern AfD-kritische Lehrer melden können.

Der AfD-Kreisverband Ems-Vechtewollte nicht abwarten und hat bereits dazu aufgerufen, eine E-Mail an die AfD zu senden, wenn Lehrer angeblich gegen die Neutralitätspflicht verstoßen, berichtet die Ems-Zeitung.

In Hamburg gibt es die Plattform bereits, in Bremen ist sie für das kommende Jahr angekündigt. Schleswig-Holsteins AfD hat das Medienberichten zufolge erst einmal nicht vor.

Gegen die bereits bestehenden Meldeportale gab es kreativen Protest. Auch die Heute Show hatte dazu aufgerufen, der AfD Beschwerden zu schicken: „Wenn ihr das neue Album von Drake voll lame findet, glaubt mir, die AfD interessiert sich für alles. Schreibt denen, so oft ihr könnt.“

Ein Beispiel?

Wenn Björn Höcke sagt, dass die Menschen in Afrika und hier unterschiedlich hohe Geburtenraten haben und das auf herbeigezogene evolutionäre Unterschiede zurückführt, ist es wichtig, das auch als Rassismus zu bezeichnen. Das ist dann in Ordnung, das auch zu sagen.

Wo ist für Sie die Grenze?

Wenn man unterrichtet und die Schülerinnen und Schüler danach den Eindruck hätten, sie dürften die AfD nicht wählen. Man muss ihnen die Tools in die Hand geben, damit sie das kritisch betrachten können, aber am Ende entscheiden sie selbst.

Wie viele Lehrer machen bei der Aktion an Ihrer Schule mit?

Das steht noch nicht ganz fest. Wir sammeln noch Unterschriften unter den 170 Lehrkräften. Initiiert haben wir es zu zweit.

Haben Sie nicht die Sorge, dass Ihre Aktion letztlich Werbung für das Portal ist?

In den anderen Bundesländern hat sich gezeigt, dass das Thema große Medienaufmerksamkeit bekommen hat – egal, ob dagegen protestiert wurde oder nicht.

Die AfD hat in anderen Ländern bereits Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Lehrer gestellt. Befürchten Sie, dass Ihre Meldung nachteilig für Sie sein könnte?

Nein. Unter den Lehrkräften schwankt das Gefühl zwischen Verunsicherung und Empörung. Gerade am Anfang waren viele Lehrkräfte verunsichert. Das hat sich aber gelegt, weil unser Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) einen offenen Brief rumgeschickt und uns die volle Unterstützung zugesagt hat.

Die AfD lege das Neutralitätsgebot gezielt falsch aus, hat er gesagt. Es sei „Aufgabe von Schule und von Lehrkräften, über strittige Themen zu informieren und zu diskutieren und unterschiedliche Meinungen darzustellen.

Wir fühlen uns deshalb im Moment ganz gut aufgehoben. In anderen Bundesländern wurden Anzeigen der AfD bisher von den Landesschulbehörden auch eher ad acta gelegt. Ich finde es richtig, die Meldung trotz des Risikos zu machen, weil ich nicht irgendwann in einer Welt aufwachen möchte, in der es normal ist, dass es solche Denunzia­tionsportale gibt.

In Hamburg haben Lehrer davon abgesehen, sich selbst anzuzeigen, weil das impliziere, dass man sich schuldig gemacht habe.

Wir fühlen uns gar nicht schuldig.

Haben sich an Ihrer Schule schon einmal Schüler oder Eltern über AfD-Kritik von Lehrern beschwert?

Nein, ich habe das noch nicht als Problem wahrgenommen. Die Schülerinnen und Schüler lassen sich nicht instrumentalisieren. Darauf vertraue ich wirklich.

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2 Kommentare

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  • Wenn die AfD als Partei eine Dienstaufsichtbeschwerde gegen einen Lehrer einlegt, so ist im weiteren Vorgehen mit einem Strafantrag wegen übler Nachrede § 186 StGB, ggf. in Tateinheit mit Verleumdung §187 StGB, zu begegnen. Dies erfordert die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Die Schulbehörde kann sich nicht darauf berufen, dass sie solche Anwürfe schon "richten" werde. Dies lässt sich wie folgt begründen. Der betroffene Lehrer oder Lehrerin haben in jedem Fall ein Schweigegebot unterschrieben. Im Falle verbeamteter Pädagogen dürfen Sie sich weder straf- noch zivilrechtlich dagegen wehren. Das würde als Verletzung des Dienstgeheimnisses ausgelegt und sanktioniert. Das Opfer ist also nicht auf die Gnade seines Dienstherrn angewiesen, sondern hat einen Anspruch darauf, dass dieser die Vergehen strafrechtlich verfolgt.

    Nun erhebt sich die Frage, wieso steht denn bei einer Dienstaufsichtsbeschwerde von vorneherein fest, dass die Straftatsbestände §§ 186-187 StGB erfüllt sind?

    Hier ist zu prüfen, auf welchem Wege die Information zu dieser Beschwerde den Weg zur AfD fand. Da es sich bei den Vorfällen um schulinterne Dinge handelt, käme als nächstliegendes die Denunziation durch eine Kollegin oder Kollegen in Frage. Dann ist aber eine Verletzung des Dienstgeheimnis bereits geschehen, somit strafbar.



    Zugleich darf diese Information nicht verwertet werden, weil es sich dabei um kein Offizialdelikt handelt.



    Haben Schüler oder Eltern die Denunziation begangen, so haben sie sich im Sinne der §§186-187 StGB schuldig gemacht. Betroffenen Schülern und Eltern ist jederzeit der Beschwerdeweg frei. Mit dem Inhalt der Beschwerde jedoch hausieren zu gehen hat wiederum strafrechtliche Konsequenzen.

    Es bleibt also nur der Ausnahmefall, dass ein Elternteil Mitglied der AfD ist und direkt von der Äußerung des Lehrers betroffen ist. Dann steht ihm der Beschwerdeweg offen.

    Der Dienstherr ist damit in die Pflicht genommen. Kein Herumeiern aus politischer und elterlicher Rücksicht!

  • Kann man auch Beatrix von Storch melden, weil sie als erklärte Gegnerin der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eine in der Schweiz wohnende, mit einer Ausländerin in eingetragener Partnerschaft lebende Co-Fraktionsvorsitzende unterstützt?