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Lehren eines Bundesliga-SpieltagsFußball kann ein Spiel sein

Ausgerechnet Hoffenheim! Genau da beweist der neue TSG-Trainer, dass Profis auch einmal Kinder waren.

Friede, Freude, Heimsieg: Christian Ilzer und die Hoffenheimer Bank freuen sich über einen Sieg Foto: Anspach/dpa

Sein Ratschlag war, dass wir einfach Spaß haben sollten, wie Kinder“, erklärt der Hoffenheimer Torschütze Tom Bischof nach dem Spiel gegen RB Leipzig. „Genießt das Spiel, ohne es zu überdenken“, habe der Tipp des neuen Trainers gelautet.

Das vor dem Spiel gegen RB Leipzig in die Köpfe der Spieler zu kriegen, darf selbst dem sympathischen Österreicher Christian Ilzer nicht leicht gefallen sein. Vor Kurzem noch bei Tabellenführer Sturm Graz beschäftigt, ist er bei einer TSG im Kraichgau gelandet, die länger nicht mehr gewonnen hatte und drohte in ein Loch zu fallen.

Doch seit Samstag ist alles anders; es macht als TSG-Fan wieder Spaß in die Rhein-Neckar-Arena zu gehen. Das „Kind in uns“ wurde geweckt. Denn Ilzers Taktik sind keine großen Analysen (wobei es die sicher auch gibt). Ihm geht es erst einmal um die Frage des Mindsets: „Wir haben als Kinder Fußball gespielt, mit großer Freude, Vergnügen und Leichtigkeit. Das habe ich den Jungs vermittelt.“

Wir haben als Kinder Fußball gespielt, mit großer Freude, Vergnügen und Leichtigkeit. Das habe ich den Jungs vermittelt.

Christian Ilzer, Trainer TSG Hoffenheim

Es klingt banal und doch wiederum so absurd. Kindliche Freude, Vergnügen und Leichtigkeit – kann man das heute überhaupt noch fühlen als Profifußballer? Als Teil eines Systems, das alles andere als Leichtigkeit vermittelt? Bei dem es dabei geht, zu liefern – als Trainer und als Spieler. (Matarazzo musste ja auch kürzlich gehen.) Wo Vergnügen der Vermarktung dient. Und kindliche Freude meist früh abtrainiert wird.

Träumer, Idealist oder Mentalcoach?

Bischof zum Beispiel, der brav bei seinem älteren Kollegen fragte, ob er den Freistoß ausführen darf, bevor er am Samstag zum 2:2 ausglich und sein erstes Bundesligator machte. Wie lange ist es wohl her, dass er, 19 Jahre alt, die kindliche Freude des Bolzplatzfußballs empfunden hat? Ganz frei von Geldfragen, Konkurrenz und Leistungsdruck? Am Samstag auf dem Platz, nachdem sein neuer Trainer ihm empfohlen hatte, dem Spiel mit Leichtigkeit zu begegnen? Unwahrscheinlich.

Es gilt sicherlich schon lange nicht mehr, dass Fußball eigentlich doch nur eines ist: ein Spiel. Zu viel steht dafür für Vereine und Spieler auf dem Spiel. Ist Ilzer nun Träumer und Idea­list, realitätsfern oder einfach nur ein guter Mentalcoach? Wer weiß. Auf jeden Fall hat er es bei seinem Trainerdebüt am Samstag geschafft, daran zu erinnern, dass Fußball am Ende doch einfach nur ein Spiel sein kann und am schönsten ist, wenn er mit kindlicher Freude, Vergnügen und Leichtigkeit geschieht.

Gegen RB Leipzig hat Hoffenheim schließlich 4:3 gewonnen und das, nachdem RB dreimal hintereinander in Führung gegangen war. Die kindliche Freude des Trainers aus Graz war nach Abpfiff auch deutlich zu sehen.

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Ruth Lang Fuentes
Autorin
Geboren 1995 in Kaiserslautern, bis Januar 2023 taz Panter Volontärin. Sie studierte Mathematik in Madrid und Heidelberg. Schrieb dort für Studierenden- und Regionalzeitung. Seit 2022 schreibt sie im Wechsel mit Aron Boks die taz.FUTURZWEI-Kolumne "Stimme meiner Generation".
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