Legida-Aufmarsch in Leipzig: Das Volk schwächelt
Die Großmobilisierung blieb aus. In Leipzig versammelten sich deutlich weniger Islamfeinde als angekündigt. Es kamen vor allem Hools.
LEIPZIG taz | 60.000 Menschen wollte der Leipziger Ableger der Pegida-Bewegung am Mittwochabend auf die Straßen bringen, gut zehn Prozent davon sind am Ende tatsächlich gekommen, nicht wenige davon lieferten sich später Rangeleien mit Polizei und Gegendemonstranten. Wo der Rest der Massen steckte, dafür hatten die frustrierten Bürger ihre ganz eigene Erklärung: Antifa und Polizei hätten die Zugänge zum Augustusplatz derart versperrt, dass kein Durchkommen war.
Während diese Verschwörungstheorien verbreitet wurden, stellten 4.000 Polizisten sicher, dass die Legida-Anhänger – laut Angaben der Stadt etwa 15.000 –, trotz zahlreicher Gegendemonstranten doch ihren Weg vor die Leipziger Oper fanden. Etwas verspätet traf dort auch mit dem Zug aus Dresden angereiste Teilnehmer ein, die vor allem aus militant auftretenden Hooligans und Neonazis bestand. Brandanschläge auf Kabelschächte hatten zuvor für Verzögerungen auf den Bahnstrecken von Dresden, Chemnitz und Meißen geführt.
Die Demonstranten ähnelten denen der vergangenen Wochen: Der Durchschnitts-Legidist ist männlich, schwenkt eine Deutschlandfahne und hat Angst davor, dass bald „die Ausländer“ in seinem Land das Sagen haben. Neu war das Aufgebot an prominenten Rednern. Querfront-Propagandist Jürgen Elsässer, früher Chefredakteur der linken Jungen Welt, heute Herausgeber des rechten Monatsmagazins Compact, begrüßte er die grölende Menge mit „Ihr seid das Volk“, um dann gegen Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel zu hetzen.
Die Menge stimmte begeistern mit ein: „Jung muss weg“, „Merkel muss weg“, riefen sie. Und dann alle zusammen: „Volksverräter!“ Fast gleichzeitig mit dem Beginn der Legida-Demonstration wurde bekannt, dass Pegida-Gründer Lutz Bachmann von all seinen Ämtern zurücktrat. Begleitet wurden die Redebeiträge von lauten Rufen und Pfiffen der Gegendemonstranten. Etwa 20.000 Menschen hatten sich versammelt, um gegen Legida zu demonstrieren. Damit wurde offenbar, dass die zahlenmäßig deutlich unterlegenen Abendlandfans mit ihren „Revolution made in Saxony“-Schildern das System wohl nicht stürzen würden.
Die Oper hinter der Legida-Bühne blieb als Zeichen des Protests unbeleuchtet. „Unser Volk hat eine große und einzigartige Geschichte“, erklärte Götz Kubitschek, Gründer des neurechten Instituts für Staatspolitik. „Es hat sich in der Mitte Europas behauptet. Unser Volk hat Kriege geführt und wurde mit Kriegen überzogen.“ Die Menge applaudierte angesichts so viel geschichtsvergessener Deutschtümelei.
„Ich will marschieren“
„Ich will marschieren, rumstehen ist langweilig“, hatte ein schwarz Vermummter gerade zu seinen Kameraden gesagt, da setzte sich der Zug in Bewegung. Geplant war der „Spaziergang“ auf dem Innenstadtring, wo im Herbst 1989 Zehntausende Demonstranten gegen das SED-Regime auf die Straße gingen. Doch das war Legida von der Stadt untersagt worden. Das Leipziger Verwaltungsgericht hatte diese Entscheidung am Mittwochnachmittag bestätigt.
Vorneweg formierte sich ein Block, der eher aggressiv denn besorgt auftrat. Während es zunächst bei dem von NPD-Demonstrationen bekannten Schlachtruf „Hasta la vista Antifascista“ blieb, gerieten alsbald Journalisten ins Visier der Nazi-Hooligans. Dutzende von ihnen machten Jagd auf die Vertreter der Presse. Ein Fotograf soll dabei so schwer attackiert worden sein, dass er seine Arbeit abbrechen musste.
Die Polizei blieb gelassen und bestätigte damit das Bild, das die Mehrzahl der Demonstranten ohnehin von ihr hatte. Am Rande stehenden Polizisten wurde unentwegt für ihren Einsatz gedankt; ein Teilnehmer erzählte freudestrahlend von seiner Begegnung mit einem Beamten. Der soll ihm gesagt haben: „Ihr macht euren Job, wir machen unseren.“ Motto: Zusammen sind wir stark. Stark war die Polizei aber auch ohne ihre selbsternannten Freunde von Rechtsaußen. Es schien, als sei jeder der 4.000 Beamten mit seinem eigenen Einsatzwagen angerückt.
Wie beim Leipziger Fußballderby
Die gesamte Route war beidseitig mit einem dichten Spalier aus Polizeiwannen abgesperrt. Gewalttätig ging es beim Abmarsch der Demonstranten Richtung Hauptbahnhof zu. Immer wieder gingen gewaltsuchende Patrioten unter „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“-Rufen auf Gegendemonstranten in den Seitenstraßen los. Jetzt war es wie beim berüchtigten Leipziger Fußballderby Lok gegen Chemie: Der Hooligan-Schlachtruf „Ahu“ hallte durch die Gassen.
Die Angreifer warfen Böller und versuchten, Absperrungen der Polizei zu überwinden. Diese beschränkte sich darauf, beide Seiten voneinander zu trennen und die Antifaschisten weiter nach hinten zu drängen. Während des Aufzuges selbst war allerdings von den Gegenprotesten wenig zu vernehmen gewesen. Einige Einwohner hatten Transparente aus ihren Fenstern gehängt und den Mob zurück nach Dresden gewünscht. Ein Laken mit der Aufschrift „Wirr ist das Volk“ beschrieb die Legida-Teilnehmer. „Die können ja noch nicht mal richtig deutsch, die schreiben 'wir' mit zwei r“, amüsierte sich eine Vertreterin der deutschen Volkskultur.
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