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Legalisierung von Cannabis„Ein Verbot vergrößert Risiken“

Der Kriminologe Henning Schmidt-Semisch erklärt, warum die Drogen-Prohibition gescheitert ist und warum Verbote die Gefahr von Rauschmitteln erhöhen.

„In der Illegalität kann man die Qualität nicht kontrollieren“, sagt der Kriminologe. Foto: dpa
Jean-Philipp Baeck
Interview von Jean-Philipp Baeck

taz: Herr Schmidt-Semisch, Psychiatrie-Professor Matthias Holm-Hadulla sagte bei der Bremer Cannabis-Anhörung, dass regelmäßiger Hasch-Konsum zu „substanziellen Schäden“ führt. Sind Sie sich einig?

Henning Schmidt-Semisch: Klar. Cannabis-Konsum kann Schäden verursachen.

So einfach?

Ja. Gleichzeitig würde ich sagen, dass vergleichbare Schäden auch beim Alkohol auftreten können. Nur gehen wir damit unterschiedlich um. Beim Alkohol wird das Risiko kulturell und sozial reguliert. Wir haben im Rahmen unserer Alkoholkultur dafür ein Regelwerk entwickelt. Das Cannabis-Verbot kann zu einer sozialen Sicherheit nichts beitragen, sondern vergrößert die Risiken.

Wie meinen Sie das?

In der Illegalität kann man zum Beispiel die Qualität nicht kontrollieren, auch eine offene Kommunikation wird verhindert. Das Verbot wirkt erheblich in das Leben von jungen Menschen ein, wenn sie etwa einen Ausbildungsplatz nicht bekommen, weil sie mit Cannabis erwischt wurden, oder gar ins Gefängnis müssen. Das Verbot erzeugt mehr Leid als das Cannabis selbst.

Herr Holm-Hadulla spricht von einer „verharmlosenden öffentlichen Debatte“ ...

Ich finde im Gegenteil, dass Cannabis dramatisiert wird. Schätzungsweise konsumieren zwischen vier und fünf Millionen Deutsche mehr oder minder regelmäßig Cannabis. Die Leute mit Problemen sind dabei deutlich in der Minderheit, aber die sitzen dann bei Herrn Holm-Hadulla auf dem Stuhl. So wie Alkoholiker in die Klinik müssen.

Im Interview: Henning Schmidt-Semisch

51, Soziologe und Kriminologe, ist Professor für Public Health an der Uni Bremen. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Drogenprohibition.

Woher kommt der gesellschaftliche Unterschied zwischen Cannabis und Alkohol?

Historisch gehen die Drogenverbote auf das 19. Jahrhundert zurück. In den USA sollte den Chinesen, die dort die Eisenbahnen gebaut hatten, das Rauch-Opium verboten werden. Das fällt zusammen mit einer Reihe an Drangsalierungen, unter anderem untersagte man ihnen auch ihre Zöpfe. Zudem hatten die Amerikaner starke wirtschaftliche Interessen und machten das Opium-Verbot auf internationalen Konferenzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Thema. Die Engländer opponierten – sie lieferten ja Unmengen Opium nach China. Einlenken wollten sie nur, wenn auch Heroin und Kokain verboten würden, womit sie die Deutschen in die Bredouille brachten, die seinerzeit die größten Heroin- und Kokain-Produzenten waren. In den 30er-Jahren kam dann Cannabis zu den Verboten hinzu – mit rassistischem Einschlag.

Inwiefern?

Cannabis wurde in den USA der 1920er- und 30er-Jahre als „Killer-Weed“ für alle erdenklichen Verbrechen verantwortlich gemacht. Man behauptete, insbesondere die schwarzen Männer würden sich mit Marihuana über weiße Frauen hermachen.

Sie würden sagen, dass die Drogen-Verbote ursprünglich vor allem auf die Konsumenten abzielten?

Genau. Und sie hatten eher ökonomische und national-ökonomische Ursachen als dass man auf die Gesundheit rekurriert hätte.

Sie gelten als allgemeiner Gegner der Prohibitionspolitik. Spätestens wenn man Heroin legalisieren will, kann man allerdings nicht mehr behaupten, es habe die gleiche Wirkung wie Alkohol.

Das stimmt. Aber unabhängig davon, wie gefährlich die Substanzen sind, erhöht das Verbot die Gefährlichkeit. Bei Heroin und Kokain ist das noch dramatischer, wenn man nicht weiß, wie viel reiner Stoff in dem ist, was man gekauft hat. Aus gesundheitswissenschaftlicher Perspektive wäre es richtiger, die Drogen kontrolliert zur Verfügung zu stellen. Eine solche legale Regulation wäre Verbraucherschutz. Ohnehin ist auch der Heroinerwerb und -besitz eine opferlose Straftat.

Wie meinen Sie das?

Wenn jemand Heroin kauft, geschieht das in Einvernehmen zwischen Käufer und Verkäufer. Es kommt niemand zu schaden. Das zu bestrafen, geht in einem liberalen Rechtsstaat eigentlich nicht.

Der Heroin-Konsument kommt zu Schaden.

Möglicherweise, aber man darf auch Risiko-Sportarten machen und niemand würde auf die Idee kommen, sie zu verbieten.

Viele Menschen kennen jemanden, der an einer Überdosis starb ...!

... oder jemanden, der an Alkohol zugrunde gegangen ist. Die Debatte ist bei Drogen unglaublich aufgeladen und moralisch belastet. Da geht es um so viel, etwa die Angst vor dem Kontrollverlust. Aktuell sehen wir, wie ein Typ wie Volker Beck an 0,6 Gramm irgendeiner Substanz scheitert. Man kann mit einem Drogenvorwurf Leute plattmachen.

Ist der Kauf noch einvernehmlich, wenn der Drogen-Konsument süchtig ist?

Es gibt viele Leute, die täglich wegen ihrer Sucht Zigaretten kaufen. Aber wir kämen wohl kaum auf die Idee, dass der Zigarettenkauf am Kiosk keine einvernehmliche Kaufhandlung ist.

Ist das nun nicht doch eine Verharmlosung?

Menschen, die Drogen nehmen, gehören nicht ins Gefängnis. Stattdessen braucht man einen Ansatz, der auf ihre Gesundheit ausgerichtet ist. Es sind enorme Kapazitäten, die Drogen-Verbote bei Polizei, Justiz und Strafvollzug binden. Eine legale Regulation wäre eine riesige Entlastung und die Einsparungen könnte man in die Gesundheitsförderung investieren.

Kann es überhaupt funktionieren, wenn ein kleines Bundesland wie Bremen bei der Cannabis-Legalisierung einen Alleingang versuchen würde?

Wir sehen es in Amerika, in Colorado, Washington und Oregon. Man kann eine Insellösung machen, muss aber auch wissen, dass eine Art Tourismus entsteht. Die Hamburger kämen dann vielleicht zu uns. Die Frage ist, ob man es so hinbekommt. Über eine Ausnahmegenehmigung hat die Cannabis-Freigabe in Berlin-Friedrichshain nicht funktioniert. Eine andere Idee, die bei der Anhörung in der Bürgerschaft diskutiert wurde, wäre eine Experimentierklausel im Betäubungsmittel-Gesetz, die wissenschaftlich begleitete Versuchsprojekte erlauben würde.

Eine Änderung des Bundesrechts ...

Bremen müsste eine Bundesratsinitiative starten. Aber langfristig müssen wir den Umgang mit Cannabis an den mit Alkohol annähern. Der Staat würde so Kontrolle über die Substanz und die Händler gewinnen und den Konsumenten gäbe eine Cannabis-Kultur mehr Sicherheit.

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10 Kommentare

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  • Es ist richtig, dass man Drogen nicht verharmlosen sollte. Dennoch muss man klar die Vor- und Nachteile der Prohibition abwägen. Ich möchte dies jetzt nicht ausführen, dazu gibt es Bücher und Artikel. Letztlich kommt man jedoch zu dem Schluss, dass die Prohibitionspolitik wie sie momentan vertreten wird, mehr schadet als nützt. Eine Legalisierung muss ja nicht gleich heißen, dass die Drogen für jedermann, überall und so viel wie man will zur Verfügung stehen. Die Politik muss sich zu einer richtigen Abgabe Gedanken machen. Werbung sollte gar nicht gemacht werden; so bin ich auch für ein striktes Werbeverbot von Alkohol und Tabakwaren. Und das allerwichtigste ist Aufklärung, die aber momentan nicht bzw. falsch stattfindet. Ein bezüglich psychoaktiver Substanzen aufgeklärter Mensch wird wahrscheinlich nicht vorhaben, jemals Heroin zu konsumieren. Zumindest kann ich das von mir behaupten, da ich mich selbständig aufgeklärt habe. Und nein, die Jugendlichen sind nicht dumm und verantwortunglos (ok, ein paar schwarze Schafe gibt es immer).

     

    Eine drogenfreie Gesellschaft ist eine Utopie (und meiner Meinung nach auch gar nicht erstrebenswert).

     

    PS: bin 17 und mache im Mai Abi.

  • Eine erstaunlich naive Sicht auf das Gefahrenpotenzial der benannten Drogen!

    Heroin oder Kokain sind nicht gefährlich, weil sie möglicherweise verunreinigt sind, sonder weil sie aufgrund ihrer Wirkweise den Körper nachhaltig und irreversibel schädigen und in hohem Maße suchterzeugend sind.

    Besonders ärgerlich ist hierbei, dass dem Interviewer einen Hisweis darauf oder eine Nachfrage dazu mit dieser dümmlichen "Viele Leute kennen.."-Floskel lächerlich zu machen versucht.

     

    Und dann Heroinkonsum mit der Ausübung von Extremsport zu vergleichen, ist an Blödheit kaum zu überbieten.. mit der gleichen Begründung könnte man auch Waffenverkauf mit der bereits bestehenden Erlaubnis des Autoverkaufs legitimieren.. weil klar sind Waffen böse, aber mit dem Auto kann man ja auch jemanden tot fahren, so what.. höhöhö wie lustig und ironisch..

    • @Bjar:

      Lieber BJAR, aus meiner Sicht antworten Sie dort sehr Emotional, und Sind dadurch wohl kaum in der Lage sachlich zu kommentieren und sich zu informieren! Sonst hätten Sie nicht übersehen dass die Verunreinigung der Drogen, ZB. Heroin, Kokain noch erheblich gefährlicher wird !!!

       

      Rein pharmazeutisch hergestellt, ist zB. Heroin auf einer Stufe, wie zB. ärztlich verordetes Morphium, und dies wird täglich tausendfach verschrieben.

       

      Und übrigens Herr BJAR, es gib nach wie vor keine Menschen die nach "reinem" Cannabiskonsum gestorben sind !!! Nur durch Alkohol selbst, sterben jährlich tausende Menschen !

      • @Ralf Med:

        *dass jemand an reinem Cannabiskonsum gestorben ist, hab ich auch nie behauptet, hätte der Satz lauten sollen.

         

        Abgesehen davon, lieber Ralf, die Beurteilung einer Droge, bzw deren Gefährdungspotential beinhaltet schon etwas mehr als nur die Höhe der letalen Dosis oder die absolute Anzahl derjenigen armen Seelen, die jährlich an einer Überdosis sterben.

        Deshalb ist auch ein Vergleich von Alkohol mit Cannabis nicht sinnvoll

        und ein Vergleich von Heroinmissbrauch mit Extremsport ist tatsächlich absoluter Blödsinn oder sieht das jemand, der informiert ist etwa anders?

      • @Ralf Med:

        Sehr lieber Ralf Med,

        natürlich sind Verunreinigungen der genannten Drogen gefährlich.

        Aber die genannten Drogen selbst eben auch. In dem Artikel wird darüber aber hinweggeschwiegen und der Teufel eindeutig nur den Verunreinigungen zugeschoben.

        Und übriens: pharmazeutisch unterscheiden sich Morphium und Heroin doch erheblich in der Wirkstärke, den psychischen Effekten und vor allem der Suchtentwicklung.

        Morphium wird täglich tausendfach verordnet, ja, aber Heroin aus gutem Grund eben nicht.

         

        Dass noch kein Mensch an reinem Cannabiskonsum gestorben ist, hab ich auhc nie behauptet, lieber Ralf.

        Es ging in besagter Phrase aber um Heroin.

    • @Bjar:

      Wenn man keine Ahnung hat einfach mal auf reflexartige Schnellschüsse verzichten.

       

      Heroin ist bei richtiger Dosierung in reiner Apothekenqualität für den Körper sehr gut verträglich. Man kann trotz der bestehenden Sucht alt damit werden und bei richtiger Dosierung sogar arbeiten gehen.

      Wenn man sich z.B. mal über die positiven Erfahrungen der Schweizer und Niederländer mit Originalstoffvergabe an Schwerstabhängige als Therapiansatz informiert, geht einem schnell ein Licht auf. Methadon als Ersatzdroge ist das reinste Gift im Vergleich zu sauberem Heroin.

      So gesehen, ist die größte und lebensbedrohlichste Gefahr für Konsumenten von Schwarzmarkt-Heroin, tatsächlich der schwankende Reinheitsgrad und die Streckmittel selbst.

      Außerdem: Keiner, aber auch wirklich keiner, redet bei der Diskussion um die Legalisierung von Drogen davon Heroin so zugänglich wie Gummibärchen zu machen.

      Der Weg in die Heroinsucht ist eher lang und wird von harten Lebensumständen begleitet. Kein normaler Mensch kommt am Samstagnachmittag aus einer Laune heraus auf die Idee sich eine zünftige Heroinsucht als Hobby zuzulegen, und auch im Supermarkt oder nächstem Coffee-Shop wird man den Stoff niemals bekommen.

      Und falls es doch mal jemand aus Blödheit probieren möchte: vom örtlichen Schwarzmarkt-Dealer ist momentan gewiss keine Risikoberatung zu erwarten.

       

      Bei der Legalisierung von Drogen geht es um Rechtssicherheit, Menschenwürde, Gesundheitsschutz und Therapie. Nicht darum neue Konsumenten harter Drogen zu generieren.

      • @Denkentutnichtweh!:

        Wenn man keine Ahnung hat..

         

        Erstens geht es oben nicht um Heroin zur Suchtentwöhnung, sondern um Heroin als Genussmittel. Das ist ein himmelweiter Unterschied und das sollten auch verschiedene Debatten bleiben, das also bitte nicht vermischen.

        Übrigens gibt es Heroin als Behandlungsoption der Suchterkrankung, und zwar ganz sauber und in Apothekenqualität, trotzdem ist es nur nach Versagen mit den gängigen Suchtbehandlungsoptionen mit "reinem Gift" angezeigt.. warum wohl..

        Aber wie gesagt, es ging um Heroin als Genussmittel und nicht als Arzneimittel, bitte nicht durcheinanderbringen.

         

        Zweitens ist eine Droge nicht nur gefährlich, weil man sich mit einer absoluten Dosis schnell umbringen könnte, Drogen sind insbesondere auch durch eine schnelle Suchtentwicklung (und allem, was daran hängt) sowie durch körperliche und geistige Langzeitschäden gefährlich.

        Heroin ist eine Droge mit hohem körperlichem (!) Suchtpotential, Toleranzentwicklung (das bedeutet, man braucht bei länger währendem Konsum immer höhere Dosen) und psychischen Langzeitschäden. Deshalb ist ein auch Vergleich zwischen Heroinkonsum und Extremsport (wie oben geschehen) schlichtweg absurd.

        Übrigens ist daher die Behauptung, man würde gesund und zufrieden mit lebenslangem Heroinkonsum alt werden, schlichtweg nicht wahr.

         

        Drittens hat der Autor (bzw der Befragte) sehr wohl die Möglichkeit des freien (ich meine damit frei von ärztlicher Verschreibung) Handels mit Heroin aufgestellt.

  • Was ich noch ergänzen würde:

     

    "Viele Menschen kennen jemanden, der an einer Überdosis starb ...!"

     

    Wer an einer Überdosierung von Heroin stirb ist in der Regel/immer?! auch nur Opfer der Prohibition, da auf unregulierten Schwarzmärkten der Reinhaltsgehalt unkontrollierbar schwankt.

    • @bonus bonus:

      Achso. Und wer süchtig nach Heroin ist, der ist auch Opfer der Prohibition? Weil legales Heroin aus dem Supermarkt nicht süchtig macht?

  • Alle Jahre wieder..

     

    Aber danke für das gute Timing, solange die Beck-'Debatte' noch läuft. Vielen der Teilnehmenden stände es gut ihren Horizont zu erweitern. Kiffen ist da eine Möglichkeit.