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Lecks in der Gas-InfrastrukturJede Menge unkontrolliert entweichendes Methan

Die Deutsche Umwelthilfe findet bei Messungen undichte Stellen an Biogasanlagen – und einem LNG-Terminal. Dort strömt aggressives Klimagas aus.

Die Deutsche Umwelthilfe fand bei Messungen an mehreren Biogasanlagen unkontrollierten Methan-Ausstoß Foto: Michael Schick/imago

Berlin taz | „Für diese Messung müssen sie wissen, woher der Wind kommt“, sagt Axel Friedrich, Projektleiter des Emissions-Kontroll-Instituts. Die Deutsche Umwelthilfe DUH hatte ihn beauftragt, bundesdeutsche Gasinfrastruktur stichprobenartig zu untersuchen. Und tatsächlich hat Deutschland ein Dichte-Problem: „Unsere Messungen zeigen, dass täglich signifikante Mengen Methan unkontrolliert entweichen“, erklärte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Das habe verheerende Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und für das Klima.

Gemessen wurde an fünf Biogasanlagen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie an einer Gasverdichterstation und einem schwimmenden LNG-Terminal in Schleswig-Holstein. „Grund für die Lecks ist unzureichende Wartung“, sagt Kontrolleur Friedrich, bei vielen Leitungen gerade der Biogasanlagen könne man Lecks regelrecht vermuten. „Und es wird nicht regelmäßig kontrolliert“, so Friedrich gegenüber der taz. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch: „Wir fordern von der Bundesregierung umfassende Kontrollen und Sofortmaßnahmen, um den stetigen Austritt von Methan schnellstens zu stoppen.“

Methan gilt als wichtiges Treibhausgas, es erhitzt die Atmosphäre über 20 Jahre betrachtet 80-mal so stark wie die gleiche Menge Kohlendioxid. Deshalb gehen Experten davon aus, dass eine Halbierung binnen der kommenden zehn Jahre wesentlich im Kampf um das 1,5-Grad-Ziel ist. Zuletzt sind die Emissionen aber massiv gestiegen: Im Jahr 2021 überstieg die Konzentration erstmals 1.900 ppb. „ppb“ steht für parts per billion, Methanteile pro eine Milliarde Teile Atmosphäre. Das ist fast dreimal so hoch wie vor Beginn der Industrialisierung.

Neben Sofortmaßnahmen fordert die DUH von der Bundesregierung eine nationale Methan-Strategie mit konkretem Reduktionsziel und Maßnahmen. Im August ist die neue Methan-Verordnung der EU in Kraft getreten, sie schreibt unter anderem Kontrollen vor, um Lecks in Gasleitungen, Ölpumpen oder Gruben frühzeitig zu entdecken. Die DUH fordert, bei der deutschen Umsetzung auch etwa Biogasanlagen zu berücksichtigen, denn die werden von der EU außen vor gelassen.

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11 Kommentare

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  • Abgesehen von der Klimaschädigung ist das auch ein größeres Sicherheitsproblem. Da entweicht ein brennbares Gas und niemand kümmert sich?



    Sicherheitsvorschriften sind oft Willkür. Eine Klimaanlage oder Wärmepumpe darf nur unter strengsten Sicherheitsauflagen mehr als 150 Gramm Propan enthalten.



    Gleichzeitig darf ich 11 Kilogramm davon in den dritten Stock schleppen und damit kochen.



    Beides ist recht irrsinnig. Während die Klimaanlage einen geschlossenen Kreislauf aus Metallrohren hat, kann an der Gasflasche jederzeit der Schlauch abreißen oder der Druckminderer durchgehen (habe ich schon erlebt - glücklicherweise draußen).

    Um auf Methanlecks zurückzukommen: Sicherheitsvorschriften und deren sorgfältige Prüfung könnten die Lösung sein.

    • @Jörg Schubert:

      Klimaanlagen und Wärmepumpen verrichten ihren Dienst in der Regel unbeaufsichtigt und im Falle einer Havarie entleert sich der Kreislauf vollständig.



      Ihre Gasflasche ist jedoch nur unter Aufsicht, wenn Sie gerade Kochen, geöffnet. Wenn in diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum ein solches Leck auftritt, werden Sie sicherlich das Flaschenventil schließen bevor nennenswerte Mengen des Propans entweichen.



      Der Irrsinn ist also geringer als angenommen.

  • Aber das *kann* doch gar nicht sein!



    Wurde uns nicht jahrzehntelang die Umweltfreundlichegasheizung (durfte man das überhaupt aseinanderschreiben?) als Lösung aller Probleme angepriesen, nebts "Ölaustauschprämie" aus Steuergeldern?



    Und jetzt soll Methan schädlich sein?



    Ich kann diesen (überaus teuren) Unsin nicht fassen.

    • @Carsten S.:

      Gut abgedichtet ist Erdgas das weniger schlimme Fossil, auch mit weniger sonstigem Zeugs in der Luft. Es lässt sich auch speichern, deutlich leichter als Wasserstoff. Und lässt die Wälder und Großgebiete in Lausitz und Jülicher Börde stehen.

      Aber dank der inzwischen schon sehr guten Wärmepumpentechnologie muss uns das kaum noch bekümmern, zumindest nicht bei privaten Häusern und Wärme. Ganz von Fossil müssen wir sowieso ab. Den Entzug schaffen wir auch deshalb, weil er uns vom teurem Fossilimport und den Schweinegewinnen der Fossilunternehmen größtenteils befreien wird.

  • Spannend ist ja eigentlich nicht, was gemessen wurde sondern wer NICHT gemessen hat.



    Nicht der TÜV.



    Nicht das Amt für Arbeitsschutz.



    Nicht die Naturschutzbehörden.

    Da fragt man sich schon, was die Damen und Herren in diesen Ämtern denn wohl beruflich machen ...

    • @Bolzkopf:

      Das kann ich dir sagen, die Mitarbeiter in den Ämtern sind so sehr damit beschäftigt sich um bürokratischen quatsch und Papierkram zu kümmern, dass niemand von denen dazu kommt etwas sinnvolles zu tun.....Bürokratie ist mitlerweile unser mit Abstand größtes Problem geworden, da ohne diese Bürokratie viele Arbeitsplätze überflüssig würden ist es außerdem zu einem sich krampfhaft selbst erhaltenden System geworden

  • Eigentlich müsste der Staat die Produktion von Natrium - Akkus en Masse und ohne Kredite fördern, siehe Northvolt. Die Ressourcen für Natriumakkus - z.B. Kochsalz - gibt es bei uns, niedrige Temperaturen machen ihnen nichts aus, und die Kapazität ist nicht viel geringer als die von Li-Ionen-Akkus. Perfekte Bedingungen als Saisonspeicher also.

    • @Wolfgang Amadeus:

      Das schweift ja noch weiter vom Thema ab als mein Exkurs in die Propan-Nutzung ;-).



      Aber egal, es stimmt: Das Thema Natrium-Akku müsste dringen vorangetrieben werden. In China kann ich sie schon kaufen. Allerdings derzeit noch zu Preisen, die denen von LFP-Akkus gleich kommen.



      Da muss dringend etwas passieren. Und zwar jetzt. Nicht erst dann, wenn die Forschung den Natrium-Schwefel-Festkörper-Hyperspeicher für 10€ / kWh fertig hat.

      • @Jörg Schubert:

        OK. Das Bindeglied könnte sein: es wird nie möglich sein, das Entweichen von Methan ganz zu verhindern, deshalb müssen wir umgehend weg vom Gas.

  • Gut abdichten spart Material und nur dann ist Erdgas im Vorteil zumindest gegenüber Kohle.



    So viel Mühe sollten sich die schon machen!



    Noch einfacher: Heizungen beschleunigt umstellen und mit sauberem Strom betreiben.

    • @Janix:

      Ganz richtig. Und wenn das Biogas aus Abfällen entsteht und nicht aus extra angebautem Mais, ist es ein super Rohstoff.



      Nicht zum Heizen, sondern als Grundstoff für Dünger, Kunststoffe, Medikamente, us.w.



      Das ist sicher günstiger als die Synthese aus Wasserstoff und CO2.