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Landwirtschaft in DeutschlandGrößter Agrarkonzern ist insolvent

Das Ackerbauunternehmen KTG Agrar SE kann seine Zinsen nicht mehr bezahlen. Nun hoffen bäuerliche Betriebe auf die riesigen Ländereien im Osten.

Die Zukunft von mehr als 45.000 Hektar Ackerland ist ungewiss Foto: dpa

Berlin taz | Deutschlands größter Ackerbau-Konzern, KTG Agrar SE, hat sich für zahlungsunfähig erklärt. Das Unternehmen teilte am Dienstag mit, das Amtsgericht Hamburg habe seinen Antrag auf ein Insolvenzverfahren angenommen.

Damit ist die Zukunft der mehr als 45.000 Hektar Ackerland offen, die KTG-Firmen vor allem in Ostdeutschland, aber auch in Litauen und Rumänien bewirtschaften. Die Ernte werde weiterlaufen, versicherte der Konzern, der ebenfalls Europas größter Produzent von Bio-Feldfrüchten ist.

Auslöser für die Insolvenz war der Mitteilung zufolge, dass KTG am 6. Juni 18 Millionen Euro Zinsen für eine Anleihe hätte zahlen müssen, dazu jedoch nicht in der Lage war – eigentlich ein geringer Betrag im Vergleich zu den 327 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr. Allerdings war bereits damals der Gewinn um 44 Prozent auf 3,6 Millionen Euro gesunken.

KTG begründete die Probleme bei der Zinszahlung damit, dass sich die Abwicklung eines Landverkaufs verzögert habe. Auch nach Bekanntwerden dieser Schwierigkeiten machte der Konzern den Anlegern mehrmals Hoffnung, sie würden ihr Geld erhalten, bevor sie am Donnerstag die Rückzahlung der Anleihe im Volumen von 250 Millionen Euro hätten verlangen können.

Die zahlreichen Tochtergesellschaften – vor allem die Biogasfirma KTG Energy – seien nicht von dem Insolvenzantrag betroffen, hieß es. Die 15 Mitarbeiter der KTG Agrar SE sollen jetzt mit Insolvenzgeld vom Staat bezahlt werden, sagte ein Firmensprecher der taz. 2015 beschäftigte der gesamte Konzern in Deutschland etwa 800 Menschen.

Der Konzern will sich selbst sanieren

Das bestehende Management unter Vorstandschef Siegfried Hofreiter will das Unternehmen selbst sanieren. Der Aufsichtsrat will ihm nur ein neues Vorstandsmitglied zur Seite stellen. Bisher ist aber unklar, ob das Gericht dem zustimmt oder einen externen Insolvenzverwalter einsetzt.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hatte bereits in den vergangenen Wochen die Bundesregierung und die ostdeutschen Länder aufgefordert, ihre bislang an den Konzern verpachteten Agrarflächen „keinesfalls an KTG-Nachfolgefirmen oder andere Agrarindustrielle zu verpachten, sondern gezielt an mittelständische und dorfverbundene Bauernfamilien“. Grüne Politiker werteten die KTG-Krise als Beleg dafür, dass größere Betriebe nicht die besseren seien.

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7 Kommentare

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  • Clever! Die Schulden auf eine 15-Mann Klitsche zu laden und dann die Kleinanleger zu prellen. Ist die Staatsanwaltschaft am Fall dran?

  • Insolvenz bedeutet in vielen Fällen auch, das jemand eine Menge Geld beiseite geschafft hat, das die Gläubiger dann nicht mehr bekommen. Nach Anzeichen für so etwas wird aber nur dann gesucht, wenn gegenteilige staatliche Interessen nicht involviert sind. Der geniale Dreh in solchen Fällen ist fast immer der Rückgriff darauf, daß Dummheit auch dann nicht strafbar ist, wenn sie planmäßig wirksam wird.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Weder ein Insolvenzverwalter noch die Manager der KTG werden die Ländereien zerhackstückeln und in kleinen Einheiten verkaufen. Das Land geht am Stück über den Tisch, oder zumindest in wenigen großen Teilen.

     

    Die KTG hat in 2014 Anleihen mit einem Zinssatz von 7,25% emittiert, wenn der Zinssatz keine Warnung war dann weiß ich auch nicht. Aber so lange man "größter Produzent von Bio-Getreide" (KTG-Geschäftsbericht 2014) ist kann man im Lilalauneland das Blaue vom Himmel versprechen und niemand scheint Verdacht zu schöpfen.

     

    Btw, liebe Grüne, wenn der größte Bio-Getreide-Hersteller pleite ist, dann kann man über die Größe reden, aber auf die Größe kommt es hier nicht an, die Betonung mzss hier auf "Bio" liegen, die anderen großen Agrarkonzerne verdienen nämlich Geld...

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @32795 (Profil gelöscht):

      KTG ist zwar der größte Bio-Feldfrüchteerzeuger, aber die Gruppe baut vor allem konventionell an (26.000 ha). Und sie macht übrigens jede Menge Biogas. http://www.ktg-agrar.de/geschaeftsfelder/agrar/konventioneller-marktfruchtanbau.html

      • 3G
        32795 (Profil gelöscht)
        @Jost Maurin:

        Genau das ist ja das Problem, von den 26.000ha sind 9.500ha gentechnikfreier Soja, der Rest passt recht gut zur Menge an erzeugter Energie durch Biogas.

         

        Man hat es also geschaft durch Biogetreide, gentechnikfreiem Soja und Biomasse für Biogas krachend zu scheitern.

         

        Der konventionelle Anbau diente ja nur der Erzeugung von gentechnikfreiem Soja und der Biomasseverstromung. Die Biomasseverstromung an sich ist nicht von der Insolvenz betroffen. Der konventionelle Anteil ist also wirtschaftlich gesehen wohl in Ordnung...

         

        Da wurdenwieder einmal tausende Kleinanleger mit dem Label "Bio" um ihr Geld gebracht. Es lag aber wohl nicht an der Größe, andere große Agrarkonzerne die konventionell arbeiten verdienen nämlich ordentlich Geld.

         

        Es wäre jetzt aber etwas peinlich das zugeben zu müssen, darum ist dann halt die Größe schuldig. Bringen wird das nichts, so lange Bioprodukte zu ein paar Cent das Kilo verramscht werden kann das Geschäftsmodell nicht erfolgreich sein. Das zu ändern wäre Aufgabe der Politik, da müsste man aber massiv gegen Brüssel aufbegehren, da man das aber derzeit nicht will redet man halt Unsinn. Der Kurs ist ein anderer, es geht in Richtung noch mehr und noch billiger, da zuzusehen und nichts zu sagen um nicht als "europakritisch"" gelten zu müssen ist typisch Grün. Statt man die Überproduktion abbaut verramscht man das Zeug nach Afrika und echauffiert sich dann ob der Fluchtursachen, das alles und noch viel mehr schwingt in der Ausrede der "Größe" mit, es ist ein hilfloses Scheinargument.

      • @Jost Maurin:

        Durch die Pleite verlieren jede Menge "Klein"Anleger ihr Geld. Dadurch wird nicht gerade das Vertrauen in die Geschäftspraktiken der Bio-Erzeuger gestärkt. Interessant wäre doch ein Beleuchten der Hintergründe ...

        • @TazTiz:

          @SFISCHER & TAZTOM

          Auf diversen Finanzanalysten- und Börsenseiten kann man die Hintergründe und Historie der Pleite gut nachlesen und nachvollziehen. Hat alles mit 'bio' ziemlich wenig zu tun. Eher mit undurchsichtigen Finanztransfers und Großmannssucht.