Landtagswahl in Thüringen: Ein halbes Wunder
Der Wahlerfolg in Thüringen ist vor allem ein Verdienst von Bodo Ramelow. Eine Koalition von Linkspartei und CDU aber wäre die falsche Entscheidung.
D ie Linkspartei ist in Thüringen zum ersten Mal überhaupt stärkste Partei bei einer Landtagswahl geworden. Das ist ein leuchtendes Zeichen für die GenossInnen – denn die Linkspartei steckt gerade im Osten in einer Depression. Das Wahldebakel in Brandenburg, seit Jahrzehnten Hochburg der Reformer, hat gezeigt: Das Konzept, zu regieren und dabei möglichst wenig aufzufallen, ist ein Auslaufmodell. Mit jeder Niederlage im Osten büßt die Linkspartei einen Teil ihrer Existenzberechtigung ein.
Bodo Ramelows Anteil an dem Sieg kann deshalb kaum überschätzt werden. Diesen Triumph verdankt er seinem Charisma, kombiniert mit klug gesetzten Gesten der Bescheidenheit. Landtagswahlen funktionieren immer mehr wie Bürgermeisterwahlen: Die Person zählt mehr als die Partei. Der Erfolg in Erfurt ist für die ratlose Linkspartei daher nicht einfach kopierbar. Aber er zeigt, dass es jenseits von Resignation oder dem regressiven Rückzug in Fundamentalopposition einen Weg gibt: selbstbewusstes Regieren.
Die Grünen können im Osten offenbar nur in Umfragen gewinnen. Das bescheidene Abschneiden der Ökoliberalen verwundert indes nur, wer Thüringen nicht kennt. Die Grünen sind eine kleine, städtische Partei in einer ländlichen Region. Dabei haben sie politisch nichts falsch gemacht. Sie müssen ihren Kurs nicht ändern – nur ihr Erwartungsmanagement.
Bestürzend ist hingegen das Ergebnis für die SPD. Der Mittelweg bringt den langsamen Tod, erst recht im Schatten des Sozialdemokraten Ramelow. Die SPD braucht eine neue Idee. Und die ist nicht in Sicht.
Bei einem Patt ist kreative Politik gefragt
Das Resultat von Rot-Rot-Grün ist, gemessen an den Umständen, schon ein halbes Wunder. Wir erleben nicht nur, aber vor allem im Osten einen wuchtigen Rechtstrend. Über ein Fünftel hat, wie in Sachsen und Brandenburg, AfD gewählt – selbst mit einem faschistoiden Führer wie Höcke.
Anti-AfD-Kampagnen mobilisieren die Klientel der demokratischen Parteien, das zeigt die gestiegene Wahlbeteiligung. Doch an den Protestwählern perlt alle Skandalisierung des Rechtsextremismus ab. Die AfD-Erfolge sind keine Protestwahlen mehr.
Empfohlener externer Inhalt
Dass CDU-Mann Mike Mohring eine solide Wand gegen eine Zusammenarbeit mit den Rechten hochgezogen hat, ist beruhigend. Man sollte diese nötige Abgrenzung aber nicht mit einer Lösung verwechseln. Die demokratischen Parteien blicken auf die Erfolge der Rechtsextremen mit dröhnender Ratlosigkeit.
Gibt es nun ein Patt im Erfurter Landtag, ist kreative Politik gefragt. Eine Koalition von CDU und Linkspartei wäre mit etwas Geschick machbar. Die Hürden in der Landespolitik liegen nicht so hoch. Aber als politisches Symbol wäre das falsch – ein Pendant zur Großen Koalition in Berlin. Gegen die AfD hilft das nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär