„Landschwärmer“ im WDR: Da wird die Sau geschlacht
In der zweiten Staffel von „Landschwärmer“ zeigt Lola Randl wieder die Uckermark von ihrer harten und komischen Seite. Das ist schön anzusehen.
„Landschwärmer“ ist eigentlich der falsche Titel für Lola Randls Provinzbeobachtungen. „Landschwärmer“, das klingt als sei die Zeitschrift „Landlust“ Film geworden: hier eine Kräuterschnecke, dort eine witzige Bepflanzungsidee für den Garten und – hach – die Obstbäume, wie sie blühen.
Dabei ist die Doku-Serie ganz anders. Da wird ein Schwein aus dem Anhänger getrieben und zack! Na gut, der Bolzenschuss wird nur durch eine Animation auf einer Kreidetafel dargestellt, aber danach wird alles gezeigt: Wie die Borsten erst abgeschabt und die restlichen Haare dann verbrannt werden; wie das gesammelte Blut permanent im Eimer umgerührt wird, damit es nicht gerinnt; wie das Schwein aufgeschnitten, die Augen rausgenommen, die Ohren abgehackt werden; wie es umgedreht aufgehängt und die Innereien herausgenommen werden – und wenn all das erledigt ist, gibt es erstmal einen Schnaps.
„Die zweite Staffel ist düsterer“, sagt Lola Randl dazu. Das komme schon allein dadurch, dass diesmal im Herbst und Winter gedreht worden sei. „Was aufm Land schon hart ist“, sagt sie. In der ersten Staffel von „Landschwärmer“ war noch Sommer. Da geht immer alles leichter.
Doch es sind nicht nur die grauen Wolken und das ewig trübe Wetter, es ist das archaische Moment, das Randl einfängt. Die Schlachtung hat etwas Explizites. Sie führt einem vor Augen, wie weit wir eigentlich entfernt sind von der Herstellung des Fleisches, das viele von uns (täglich) essen.
"Landschwärmer", ab Donnerstag, 10.12.2015, 23.15 Uhr, WDR
Solche Momente hat Randl ganz alleine eingefangen. Ohne großes Team, ohne TontechnikerIn. Nur sie und die Protagonisten. „Wenn ein Kamerateam dabei ist, muss ich anfangen zu inszenieren“, sagt Randl. Alleine habe sie einfach dasitzen und abwarten können. Und überhaupt: „Das normale Drehen eines Films ist so sinnlos und verschwenderisch“, da müsste noch drei Straßen weiter alles ruhig sein. Und das ist es bei „Landschwärmer“ überhaupt nicht. Ständig Geräusche, es gibt keine Einführung in die einzelnen Folgen, das Ganze wirkt chaotisch, doch die rohe Form passt zu „Landschwärmer“, weil die Doku-Serie „so wenig ins Fernsehen passt“, wie Randl selbst sagt.
Gegen das archaische Dorfleben schneidet sie Städter, die mal ein Häuschen auf dem Land suchen oder ein bisschen Urlaub machen wollen. „Gibt‘s hier WLAN eigentlich?“ oder „In einer halben Stunde könnte ich skypen mit Dir“ sind die Gesprächsfetzen, die man von denen aufschnappt.
Doch Randl wertet nicht, sie zeigt – und zwar ihre Nachbarschaft. Randl, 35, lebt selbst seit acht Jahren in der Uckermark. Sie wollte damals einfach weg aus Berlin-Mitte: „Zu viele gleiche Leute, zu viele Projekte.“ Sie gab ihre Wohnung auf und zog um. Jetzt dreht sie quasi vor der Haustür und ihre zwei Kinder laufen im Hintergrund herum.
Randl hat auf dem Land das gefunden, was sie gesucht hat. Den meisten geht es da anders. „Diese Sehnsucht nach dem Land hat mit der Realität nichts zu tun“, sagt sie. Deswegen hat sie die Realität eingefangen. Sie nennt es „einen Mix aus Belanglosem und Bedeutungsvollen“. Und genau das ist es.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen