Landesparteitag der Berliner Linken: Eralp gegen Wegner
Die Linke will mit der Spitzenkandidatin Elif Eralp ins Rote Rathaus. Ihre Hauptgegner sind die CDU und der Regierende Bürgermeister.
Am Ende ihrer Rede erhebt sich der Saal für Elif Eralp, es erklingt der Queen-Klassiker „Don’t stop me now“. Dann füllt sich die Bühne mit dem gesammelten Spitzenpersonal der Berliner Linken, viele von ihnen schießen mit Konfettikanonen oder halten „Elif für Berlin“-Schilder. Eralp wird ein Blumenstrauß überreicht, es ist ihre Krönung als Bürgermeisterkandidatin. Die Inszenierung soll vor allem den Machtanspruch deutlich machen: Die Linke will nach der Abgeordnetenhauswahl im kommenden September ins Rote Rathaus.
Einen Monat ist es her, dass der Landesvorstand die Abgeordnete Eralp zur Spitzenkandidatin bestimmte. Weil die Partei mit Bezirkslisten statt mit einer Landesliste in die Wahl gehen wird, gibt es auf dem Parteitag am Samstag im Lichtenberger Dong-Xuan-Center keine formale Wahl. Erwähnt wird Eralps Kandidatur als Spitzenkandidatin gleichwohl im ohne Gegenstimmen angenommenen Leitantrag mit dem Titel „Berlin zurückerobern – für eine rote Metropole“.
Wichtiger aber ist die geballte Rückenstärkung für die in der Stadt noch wenig bekannte Kandidatin. Eralp bringe „Mut, Ehrgeiz und Herz“ sowie „einen geraden Rücken, der nicht einknickt“ in die Berliner Politik, so die Lobpreisung durch die Co-Vorsitzende der Berliner Linken, Kerstin Wolter.
Der Weg in die Regierung soll für die Linke über die Fokussierung auf ihre Kernthemen führen, das wird in der Rede von Elif Eralp deutlich. Sie trete an, damit Berlin „wieder bezahlbar wird, damit nicht die Immobilienspekulanten über unsere Stadt entscheiden“, sagt sie. Die Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen und Co enteignen dürfe „nicht einen Tag mehr verschleppt werden“. Ebenso gehe es darum, dass „Busse und Bahnen gut für alle funktionieren“. Lebenshaltungskosten, Mieten, ÖPNV – es sind genau jene Themen, mit denen der demokratische Sozialist Zohran Mamdani kürzlich die Bürgermeisterwahl in New York gewann.
Für die Linke ist das die Blaupause. Mamdani habe „eine Bewegung der Vielen für ein bezahlbares New York“ angestoßen, sagt Eralp und ergänzt: „Lasst uns auch hier in Berlin eine Bewegung auslösen.“ Mit 16.800 Mitgliedern, doppelt so vielen wie noch vor einem Jahr, ist die Partei für einen Wahlkampf gut gerüstet. Das Mittel dafür werden, wie schon bei der Bundestagswahl im Februar, bei der die Linke stärkste Kraft in Berlin wurde, vor allem Haustürgespräche sein.
Gegenmodell zu einem Bürgermeister, der die Stadt herunterwirtschaftet
Als Hauptgegner gilt der Linken der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und die CDU, die in aktuellen Umfragen für die Abgeordnetenhauswahl vorne liegt. Kaum eine Rede kommt ohne Frontalangriffe auf die Konservativen aus: „Zweieinhalb Jahre Kai Wegner, und die Stadt ist so kaputt und so anstrengend wie noch nie“, sagt der Fraktionsvorsitzende Tobias Schulze. Die aktuelle Regierungs- und Sparpolitik treffe „vor allem Menschen mit wenig Geld“.
Gestrichen werde bei Brennpunktschulen, bei Sozialberatungen oder beim Sozialticket, so Schulze, dagegen gibt es Geld für Privatschulen, die A100 oder den Zaun um den Görlitzer Park. Eralp kritisiert: „Kai Wegner, seine CDU und dieser Senat zerstören gerade genau das, was Berlin ausmacht und legen damit die Axt an den sozialen Zusammenhalt an.“
Mit ihrer Fokussierung versucht sich die Linke, als zentrale Kraft im progressiven Lager zu positionieren, die Wahl zu einer Stichwahl zwischen Eralp und Wegner zu machen. Eine Frau mit Migrationsgeschichte, die den Alltag der normalen Menschen kennt, als Gegenmodell zu einem Bürgermeister, der die Stadt herunterwirtschafte. Das ist die Geschichte.
Dass die Linke für jene da sein will, „die den Laden am Laufen halten“, wie ein aktueller Sprach-Baustein der Partei es nennt, zeigen auch die Grußworte zum Beginn des Parteitags. Sie kommen von Beschäftigten, die sich in Auseinandersetzungen um bessere Arbeits- und damit Lebensbedingungen befinden: einem Fahrer von Lieferando, Arbeitskräften der Tochter-Unternehmen des Klinikkonzerns Vivantes und einem Straßenbahnfahrer.
Nahost-Konflikt gelöst
Die Befürchtung einiger in der Partei und die Hoffnung vieler ihrer Gegner:innen, dass ein Streit um Nahost den Parteitag überlagern würde, geht nicht auf. Anträge, die der Partei vorschreiben wollen, von „Genozid“ zu sprechen oder die „Kriminalisierung“ der Boykottbewegung BDS aufzugeben, werden zurückgezogen.
Mehrheitlich beschlossen wird dagegen ein vierseitiger Antrag, der wortreich das palästinensische Leid und antimuslimischen Rassismus beschreibt, aber auch jüdisches Leid und Antisemitismus in den Blick nimmt. Erwähnt wird, dass der Krieg in Gaza „nach Einschätzung international anerkannter Völkerrechtler:innen sowie Menschenrechtsorganisationen“ ein „Genozid“ sei, gleichwohl sei dies vom internationalen Gerichtshof „nicht abschließend entschieden“.
Kritisiert wird, dass die palästinensische Gemeinde in Berlin „unter Generalverdacht gestellt“ werde, ebenso wie der gestiegene Antisemitismus seit der „Zäsur“ des 7. Oktober. Eralp formulierte in ihrer Rede: „Das Leid und die Trauer auf der einen Seite dürfen nicht gegen das Leid und die Trauer der anderen Seite ausgespielt werden. Die Verbrechen der einen Seite können nicht legitimiert werden durch die Verbrechen der anderen Seite.“
Beschlossen werden darüber hinaus Vorgaben für die Mandatsträger:innen der Partei. Diese sollen sich verpflichten, „ihr Gehalt zu deckeln, um Menschen in Not zu helfen und politische Initiativen zu fördern“. So sollen Abgeordnete zukünftig verpflichtend 15 Prozent ihrer Bruttobezüge abgeben. Ebenso sollen sie bei Parteiaustritt ihr Mandat niederlegen, anders als die Gruppe um den früheren Landeschef Klaus Lederer, die nach ihrem Austritt vor einem Jahr sowohl im Abgeordnetenhaus als auch in der Linksfraktion verblieben waren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert