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Landesparteitag der Berliner LinkenEralp gegen Wegner

Die Linke will mit der Spitzenkandidatin Elif Eralp ins Rote Rathaus. Ihre Hauptgegner sind die CDU und der Regierende Bürgermeister.

Elif Eralp auf dem Landesparteitag Foto: dpa
Erik Peter

Aus Berlin

Erik Peter

Am Ende ihrer Rede erhebt sich der Saal für Elif Eralp, es erklingt der Queen-Klassiker „Don’t stop me now“. Dann füllt sich die Bühne mit dem gesammelten Spitzenpersonal der Berliner Linken, viele von ihnen schießen mit Konfettikanonen oder halten „Elif für Berlin“-Schilder. Eralp wird ein Blumenstrauß überreicht, es ist ihre Krönung als Bürgermeisterkandidatin. Die Inszenierung soll vor allem den Machtanspruch deutlich machen: Die Linke will nach der Abgeordnetenhauswahl im kommenden September ins Rote Rathaus.

Einen Monat ist es her, dass der Landesvorstand die Abgeordnete Eralp zur Spitzenkandidatin bestimmte. Weil die Partei mit Bezirkslisten statt mit einer Landesliste in die Wahl gehen wird, gibt es auf dem Parteitag am Samstag im Lichtenberger Dong-Xuan-Center keine formale Wahl. Erwähnt wird Eralps Kandidatur als Spitzenkandidatin gleichwohl im ohne Gegenstimmen angenommenen Leitantrag mit dem Titel „Berlin zurückerobern – für eine rote Metropole“.

Wichtiger aber ist die geballte Rückenstärkung für die in der Stadt noch wenig bekannte Kandidatin. Eralp bringe „Mut, Ehrgeiz und Herz“ sowie „einen geraden Rücken, der nicht einknickt“ in die Berliner Politik, so die Lobpreisung durch die Co-Vorsitzende der Berliner Linken, Kerstin Wolter.

Der Weg in die Regierung soll für die Linke über die Fokussierung auf ihre Kernthemen führen, das wird in der Rede von Elif Eralp deutlich. Sie trete an, damit Berlin „wieder bezahlbar wird, damit nicht die Immobilienspekulanten über unsere Stadt entscheiden“, sagt sie. Die Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen und Co enteignen dürfe „nicht einen Tag mehr verschleppt werden“. Ebenso gehe es darum, dass „Busse und Bahnen gut für alle funktionieren“. Lebenshaltungskosten, Mieten, ÖPNV – es sind genau jene Themen, mit denen der demokratische Sozialist Zohran Mamdani kürzlich die Bürgermeisterwahl in New York gewann.

Für die Linke ist das die Blaupause. Mamdani habe „eine Bewegung der Vielen für ein bezahlbares New York“ angestoßen, sagt Eralp und ergänzt: „Lasst uns auch hier in Berlin eine Bewegung auslösen.“ Mit 16.800 Mitgliedern, doppelt so vielen wie noch vor einem Jahr, ist die Partei für einen Wahlkampf gut gerüstet. Das Mittel dafür werden, wie schon bei der Bundestagswahl im Februar, bei der die Linke stärkste Kraft in Berlin wurde, vor allem Haustürgespräche sein.

Gegenmodell zu einem Bürgermeister, der die Stadt herunterwirtschaftet

Als Hauptgegner gilt der Linken der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und die CDU, die in aktuellen Umfragen für die Abgeordnetenhauswahl vorne liegt. Kaum eine Rede kommt ohne Frontalangriffe auf die Konservativen aus: „Zweieinhalb Jahre Kai Wegner, und die Stadt ist so kaputt und so anstrengend wie noch nie“, sagt der Fraktionsvorsitzende Tobias Schulze. Die aktuelle Regierungs- und Sparpolitik treffe „vor allem Menschen mit wenig Geld“.

Gestrichen werde bei Brennpunktschulen, bei Sozialberatungen oder beim Sozialticket, so Schulze, dagegen gibt es Geld für Privatschulen, die A100 oder den Zaun um den Görlitzer Park. Eralp kritisiert: „Kai Wegner, seine CDU und dieser Senat zerstören gerade genau das, was Berlin ausmacht und legen damit die Axt an den sozialen Zusammenhalt an.“

Mit ihrer Fokussierung versucht sich die Linke, als zentrale Kraft im progressiven Lager zu positionieren, die Wahl zu einer Stichwahl zwischen Eralp und Wegner zu machen. Eine Frau mit Migrationsgeschichte, die den Alltag der normalen Menschen kennt, als Gegenmodell zu einem Bürgermeister, der die Stadt herunterwirtschafte. Das ist die Geschichte.

Dass die Linke für jene da sein will, „die den Laden am Laufen halten“, wie ein aktueller Sprach-Baustein der Partei es nennt, zeigen auch die Grußworte zum Beginn des Parteitags. Sie kommen von Beschäftigten, die sich in Auseinandersetzungen um bessere Arbeits- und damit Lebensbedingungen befinden: einem Fahrer von Lieferando, Arbeitskräften der Tochter-Unternehmen des Klinikkonzerns Vivantes und einem Straßenbahnfahrer.

Nahost-Konflikt gelöst

Die Befürchtung einiger in der Partei und die Hoffnung vieler ihrer Gegner:innen, dass ein Streit um Nahost den Parteitag überlagern würde, geht nicht auf. Anträge, die der Partei vorschreiben wollen, von „Genozid“ zu sprechen oder die „Kriminalisierung“ der Boykottbewegung BDS aufzugeben, werden zurückgezogen.

Mehrheitlich beschlossen wird dagegen ein vierseitiger Antrag, der wortreich das palästinensische Leid und antimuslimischen Rassismus beschreibt, aber auch jüdisches Leid und Antisemitismus in den Blick nimmt. Erwähnt wird, dass der Krieg in Gaza „nach Einschätzung international anerkannter Völ­ker­recht­le­r:in­nen sowie Menschenrechtsorganisationen“ ein „Genozid“ sei, gleichwohl sei dies vom internationalen Gerichtshof „nicht abschließend entschieden“.

Kritisiert wird, dass die palästinensische Gemeinde in Berlin „unter Generalverdacht gestellt“ werde, ebenso wie der gestiegene Antisemitismus seit der „Zäsur“ des 7. Oktober. Eralp formulierte in ihrer Rede: „Das Leid und die Trauer auf der einen Seite dürfen nicht gegen das Leid und die Trauer der anderen Seite ausgespielt werden. Die Verbrechen der einen Seite können nicht legitimiert werden durch die Verbrechen der anderen Seite.“

Beschlossen werden darüber hinaus Vorgaben für die Man­dats­trä­ge­r:in­nen der Partei. Diese sollen sich verpflichten, „ihr Gehalt zu deckeln, um Menschen in Not zu helfen und politische Initiativen zu fördern“. So sollen Abgeordnete zukünftig verpflichtend 15 Prozent ihrer Bruttobezüge abgeben. Ebenso sollen sie bei Parteiaustritt ihr Mandat niederlegen, anders als die Gruppe um den früheren Landeschef Klaus Lederer, die nach ihrem Austritt vor einem Jahr sowohl im Abgeordnetenhaus als auch in der Linksfraktion verblieben waren.

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14 Kommentare

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  • Die Giffey-SPD hat der CDU auf dem Teller den Chefposten überreicht. Damit man auch bloß nicht an die Umsetzung von Volksbegehren rangehen müsste oder sozialere Politik anginge.

    Sie hat der Linken (und den Grünen) damit die Wählerschaft mit sozialem Bewusstsein und/oder in sozialen Nöten herübergeschoben.



    Giffey sollte nach Neukölln zurückgehen, solange sie es noch kann.

  • "Gestrichen werde bei Brennpunktschulen, bei Sozialberatungen oder beim Sozialticket, so Schulze, dagegen gibt es Geld für Privatschulen, die A100 oder den Zaun um den Görlitzer Park."



    Also spätestens seit 2021 obliegen Autobahnen doch vollständig der Zuständigkeit des Bundes, oder?



    Heißt, die Entscheidungshoheit und Finanzierung der Autobahnen bezüglich Planung, Bau und Betrieb unterliegen allein der Autobahn GmbH des Bundes und dem Fernstraßen-Bundesamt. Was würde denn da unter Eralp anders laufen als unter Wegner???

    • @Saskia Brehn:

      Die würde sich wehren, zumindest den Versuch machen. Wegner denkt nur an mittelalterliche Lösungen und an solche, die der cdU und ihm persönlich vonnutzen sind.

      • @Perkele:

        "Die würde sich wehren"



        Wie denn?



        Das ist ja meine ursprüngliche Frage.



        Die könnte sich doch gar nicht wehren, oder?

        • @Saskia Brehn:

          Sie kann derartige Massnahmen sehr wohl zumindest abmildern, verzögern oder auch verhindern. Ich bin kein Jurist, doch es gibt Möglichkeiten - wenn man es denn will. Und das ist bei der cdU überhaupt nicht erkennbar, die bedienen ihre wohlhabnede Klientel. Fortschritt und wirklich liberale Alternativen sind denen fremd. Die Linke bemüht sich deutlich mehr um die "kleinen Leute" und deren Interessen, das kann man ernsthaft nicht bestreiten.

  • Berlin ist sehr widerstandsfähig, vor allem gegen Reformen und Verzicht auf Korruption. Die Liste der Geschichten über Skandale um Senatoren und Stadträte ist länger als 1001 Nacht.



    Deshalb wäre eine Regierung mit einem RB, der nicht von der CDU oder der SPD gestellt würde, mal einen Versuch wert.



    Priorität sollte allerdings nicht Enteignung sondern massiver öffentlicher und genossenschaftlicher Wohnungsbau sein, der mit entsprechenden Infrastrukturmaßnahmen verbunden wird. Es kann nur von Vorteil sein, wenn die Abhängigkeit von privaten Vermietern wie Deutsche Wohnen und Co. geringer wird. Nur durch starke Konkurrenz auf der Angebotsseite sind Mietsteigerungen und Mietwucher in den Griff zu bekommen. Es muss einen funktionierenden Wettbewerb um Mieter und nicht um Wohnungen stattfinden, das wäre dann endlich mal so wie auch sonst auf dem Markt.

    • @Achsachbloß:

      auf welchem boden, mit welchem kpital und welchen fördermitteln, in welchem zeitraum, mit welcher steuerungsinstanz, welchen akteuren und welcher logistik wollen Sie denn einen gemeinwohlorientierten wohnungsbau errichten, der zahlenmäßig auch nur annähernd in der lage wäre mit einem bestand von ca. 140.000 wohnungen allein im besitz von vonovia in konkurrenz zu treten? das ist ein luftschloss. es ist schlicht unmöglich, die krise bezahlbaren wohnen allein über neubau zu lösen.

      • @Pflasterstrand:

        Irgendwann muss man einfach mal anfangen, wie bei anderen Aufgaben auch. Man kann natürlich auch warten, bis die Boomer gestorben sind und schauen, ob es dann ohne Neubau reicht. Das gilt dann vielleicht auch für die Rentenkasse etc., kann man alles aussitzen.

        • @Achsachbloß:

          kann es sein, dass Sie sich mit dem bauen nicht wirklich auskennen? denn sie müssten die fragen, die ich oben aufgeworfen habe, schon ernst nehmen und zu beantworten versuchen, bevor sie "einfach mal anfangen". im übrigen haben Sie mich falsch verstanden: ich plädiere nicht für aussitzen. ganz im gegenteil. ich finde auch Ihre vorschläge gut, wer in zukunft den neubau üernehmen soll. aber ich weiß, dass man die krise bezahlbaren wohnens angesichts von gut 2 mio. bestandswohnungen in berlin bei weitem nicht allein über den neubau bewältigen kann.

  • HOFFENTLICH schafft sie das Wunder. Wer halbwegs logisch zu denken vermag, wer halbwegs ehrlich ist, der/die hat gar keine andere Option als sie zu wählen.

    • @Perkele:

      "Gar keine andere Option" finde ich immer ein sehr starkes wie sehr begründungspflichtiges Wort.



      Eine absolute Mehrheit werden auch die Linken nicht holen. Daher wird auch sie nicht alles durchsetzen können. Zumal, wenn die SPD ihre Giffey-Starre nicht erfolgreich bekämpft bekommt und dann womöglich den Rechtsaußen der Koalition gibt.



      Wer sozialer Gerechtigkeit und Solidarität als sehr hohen Wert hat, wird programmatisch bei den Linken, den Grünen und evtl. der SPD fündig. Auf der anderen Seite leider kaum noch, obwohl das eine CDU früher auch mal im Köcher hatte.

    • @Perkele:

      Wer halbwegs logisch denkt und ehrlich ist, kann ihre Partei in Berlin nicht wählen.

      In Berlin hatten wir ihre Partei mehrfach in der Regierung.

      Jeder und jede weiß also, worauf er und sie sich einlässt.

      Die CDU hat hier die letzte Wahl doch nicht gewonnen, weil alle Wegner für brilliant hielten.

      Und jetzt ist es - etwa beim Thema Antisemitismus - noch viel trauriger geworden.

      Die Parteiaustritte waren ja nicht grundlos.

  • "Die Verbrechen der einen Seite können nicht legitimiert werden durch die Verbrechen der anderen Seite.“

    Der Absatz im Artikel setzt den Satz in Bezug zur palästinensischen Gemeinde in Berlin und zum gestiegenen Antisemitismus. Offensichtlich ebenfalls in Deutschland.

    Welche Verbrechen begehen gerade Juden oder Israelis in Deutschland?

    Worauf bezieht sich die Gleichsetzung von Frau Eralp?

    • @rero:

      Der schlimme alte wie junge klassisch-deutsche Antisemitismus verharmlost, tägliche antimuslimische Sprüche und Akte verharmlost, denn es sind ja nur die 'Talahons' die Täter und nicht etwa andere.







      Mit einer solchen Kritik durch Eralp könnte ich leben.



      Oder wenn sie da die fortdauernden Racheakte in Gaza selbst meinte.



      (Ansonsten, wenn wie von Ihnen gelesen, pflichte ich Ihnen natürlich bei)