Lage in Erstaufnahmeeinrichtungen spitzt sich zu: Aufschrei gegen die Ungewissheit
In Hamburg kommt es immer wieder zu Demonstrationen, weil die Registrierung schleppend verläuft.
HAMBURG taz | Die Lage in den Erstaufnahme- Einrichtungen für Flüchtlinge in Hamburg hat sich weiter zugespitzt. Fast täglich kommt es zu kleinen Aufständen der Schutzsuchenden. Der Grund: „Es tut sich ewig nichts, die Leute warten auf die Registrierung und bekommen keine Informationen von der Ausländerbehörde“, berichtet eine Flüchtlingshelferin, die ihren Namen nicht in Zeitung lesen will: „Es brodelt gewaltig“, sagt sie.
In der Unterkunft Kurdamm in Hamburg-Wilhelmsburg – einer ehemaligen Schule, in der 250 Menschen hausen – habe sich die Ausländerbehörde vor zwei Wochen das letzte Mal blicken lassen und einige Flüchtlinge registriert, berichtet die Unterstützerin. „Seither gib es keine neuen Informationen – die Menschen warten, aber nichts passiert.“
Ähnliches berichtet der Syrer Tarek aus einem Zeltlager in einem umgewidmeten Baumarkt im Stadtteil Eidelstedt. Registrierungsteams kämen nach dem Zufallsprinzip in die Unterkünfte, sagt er. Einigen Flüchtlingen sei gesagt worden, sie müssten bis Februar auf ihre Papiere warten. Den Flüchtlingen gehe das Bargeld aus, so dass sie ihren besonderen Bedarf nicht mehr decken könnten.
Die Misere bei der Registrierung räumt die Einwohnerzentralamt durchaus ein. „Es dauert“, sagt Sprecher Norbert Smekal. „Manchmal auch lange.“ Eine genaue Zeitspanne könne er nicht nennen. Die Spannen seien auch unterschiedlich. Dass es zu Demonstrationen komme, so Smekal weiter, sei nicht überraschend und nachzuvollziehen.
Der Flüchtlingsstrom kam zwar nicht überraschend, erwischt die 1,8 Millionen Einwohner zählende Stadt Hamburg mangels vorausschauender Planung jedoch kalt.
Im September registrierten Hamburgs Behörden 10.100 Schutzsuchende, in der ersten Oktoberhälfte waren es 5.600.
Das Gros der Flüchtlinge ist in großen Erstaufnahmelagern in Containern, Holzhüten und Zelten unterbracht.
Ehemalige Baumärkte und leerstehende Gewerbehallen werden als Sammelunterkünfte genutzt.
Schleppende Registrierung und Perspektivlosigkeit sorgte in den letzten Monaten in den Erstaufnahme-Einrichtungen immer wieder für emotionale Entladungen bei den Flüchtlingen.
In der Zeit des Wartens bekommen die Flüchtlinge keine materielle Unterstützung, räumt Smekal ein. „Erst nach der Registrierung wissen wir, ob ein Flüchtling verteilt wird oder wer hier bleibt und um wen wir uns intensiver kümmern müssen“, so der Sprecher. Dann bekämen die Flüchtlinge auch Sachleistungen, eine Gesundheitskarte und Taschengeld. Dass die Bedingungen zurzeit so brisant seien, liege an den vielen Flüchtlingen die zurzeit in Hamburg eintreffen. „Unser Priorität liegt momentan darin, Obdachlosigkeit zu verhindern“, so Smekal.
Im Stadtteil Wilhelmsburg ist, wie das städtische Unternehmen „Fördern und Wohnen“ bestätigte, zu allem Unglück auch noch die Krätze ausgebrochen. Mitarbeiter des Trägers geben den Flüchtlingen, die wegen der mangelnder Registrierung noch über keine Gesundheitskarte verfügen, zwar „24-Stunden-Versicherungsscheine“ für eine Arztbesuche mit. Doch kürzlich seien Flüchtlinge mit Zetteln zurückgekommen, auf denen stand: „Bitte nicht in unsere Praxis schicken“, berichtet die Helferin.
Viele Hausärzte wollten die Flüchtlinge nicht behandeln. Es seien zwar zweimal die Woche auch zwei Ärzte vor Ort, die könnten aber die Krätze mit ihren Mitteln nicht unter Kontrolle bekommen, sagt die Flüchtlingshelferin. „Die Bedingungen sind einfach katastrophal“, sagt sie. Eine Waschmaschine und zwei Duschen für 250 Menschen sei einfach zu wenig. „Die Leute sind gestresst untereinander, weil sie sich nicht anstecken wollen.“
Immer wieder hätten sich protestierende Flüchtlinge vor dem Büro der Betreuer versammelt, wo die Mitarbeiter sie beschwichtigten.
Einen ähnlichen Proteste organisierten die Eidelstedter Flüchtlinge am Montag. Tags darauf hätten sie dann viel weniger zu essen bekommen, sagt der Syrer Tarek: zum Frühstück nur noch die halbe Auswahl, zum Abendessen Suppe statt einer richtigen Mahlzeit. Er vermutet, die Flüchtlinge sollten für ihren Protest bestraft werden.
Susanne Schwendtke, die Sprecherin von „Fördern und Wohnen“, versichert, es habe sich um einen Zufall gehandelt: „Es gab Essen wie immer.“ Wegen eines Versehens bei einem Caterer habe der Nachtisch gefehlt und abends habe es Eintopf gegeben.
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