Lärm-Initiative kritisiert Bremer Senat: Viel Lärm um Krach
Bremen ist überdurchschnittlich stark von Lärm belastet. Der Senat tut aus Sicht der Initiative „Allianz Pro Schiene“ nicht genug dagegen. Dabei macht zu viel Krach krank.
In den Bereichen Klimaschutz, Luftqualität und Verkehrssicherheit steht Bremen im Bundesvergleich gut da (siehe Kasten), beim Flächenverbrauch und insbesondere der Lärmminderung sieht es schlechter aus. Dort liegt das Bundesland auf Platz 13, ähnlich schlimm ist die Belastung in den anderen bevölkerungsdichten Bundesländern wie Hamburg, Berlin und NRW. Dabei bezieht sich der Vergleich nicht nur auf Messwerte, sondern auch auf geplante politische Maßnahmen für Lärmschutz – es geht also auch darum, ob die Landesregierungen etwas an den Verhältnissen ändern wollen.
Und da gebe es in Bremen durchaus Nachbesserungsbedarf, so Martin Roggermann von „Allianz Pro Schiene“. Zwar gebe es hier Absichtsbekundungen, den Lärm zu senken, quantifizierte Ziele allerdings fehlten, anders als etwa in Berlin oder Baden-Württemberg, wo man sich etwa das Ziel von 20 Prozent weniger Lärm bis zum Jahr 2020 gesteckt hat.
Grundlage für die Erhebung sind Lärmkartierungen der jeweiligen Umweltämter der Bundesländer. Alle Menschen, die in einem Umkreis von Lärmquellen leben, die 65 Dezibel oder lauter sind, gelten in der Studie als besonders lärmbelastet – eine Richtlinie, die sich an den Schwellenwerten für Gesundheitsempfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiere, wie Roggermann sagt, und laut einer Skala des Eisenbahn-Bundesamtes lauter als ein normales Gespräch, aber etwas leiser als ein Rasenmäher. Die größten Lärmquellen seien bundesweit in dieser Reihenfolge Straßenverkehr, Nachbarn, Industrie- und Gewerbe sowie Flug- und dann Schienenverkehr.
Im Ranking liegt Bremen in Sachen Mobilität und Umwelt auf dem bundesweit 6. Platz.
Die Studie vergleicht aktuelle Zahlen und die politischen Ziele in Verkehrssicherheit (Bremen: Platz 4), Lärmminderung (Platz 13), Flächenverbrauch (Platz 10), Klimaschutz (Platz 3) und Luftqualität (Platz 4). Bremen ist eines von drei Ländern, die ihre Emissionen gegenüber 2009 verringert haben.
An dieser Stelle verfängt allerdings die Kritik von Walter Ruffler, der selbst in der Nähe von Schienen wohnt und in Bremen eine Initiative gegen Bahnlärm organisiert. Er sagt, dass die Maßstäbe der Vergleichsstudie falsch gewählt seien. Zum einen sei bereits ein Lärm-Mittlungspegel von 45 Dezibel überaus belastend, und zum anderen seien deshalb in Bremen deutlich mehr Menschen betroffen – nämlich rund 240.000, rund 36,5 Prozent aller BremerInnen. Er fragt: „Vielleicht möchte die Lobbyorganisation der Bahnindustrie verhindern, dass ein Schatten auf das von ihr propagierte ‚umweltfreundliche‘ Image der Bahn fallen könnte?“
Tatsächlich geht Rufflers Sicht der Dinge auch aus dem aktuellen Lärmaktionsplan des Eisenbahn-Bundesamtes hervor, demzufolge nachts, wenn durch Bremen viele laute Güterzüge rollen, tatsächlich über ein Drittel der Bremer Bevölkerung vom Lärm betroffen ist. Das Eisenbahn-Bundesamt arbeitet wie Ruffler mit den jüngst aktualisierten Empfehlungswerten der WHO, die tatsächlich nicht bei 65 Dezibel liegen – sondern empfiehlt, Lärm auf unter 44 Dezibel nachts und 55 Dezibel tagsüber zu verringern.
Der Senat teile die Auffassung Rufflers, sagt Jens Tittmann, Sprecher von Verkehrs- und Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne): „Schienenverkehr, insbesondere Güterverkehr, ist bei uns eine große Belastung.“ Lärm mache krank. „Deswegen stellt Bremen siebenstellige Beträge dagegen in den Haushalt.“ Aber Lärmschutz sei teuer, weswegen die Mittel nicht ausreichten.
Die Bringschuld sieht Tittmann allerdings eher aufseiten der Bahn als bei der klammen Landesregierung: Sie sei verpflichtet, gegen ihren eigenen Lärm aufzukommen. Tatsächlich muss die Bahn sich an strengen Lärmschutz zunächst nur auf neuen Strecken halten, wohingegen alte Trassen wie jene, die durch Bremen führen, Bestandsschutz haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich