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Labour-Parteitag in GroßbritannienStarmer kriegt die Kurve

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der Premier gewinnt Rückenwind auf seinem Parteitag. Doch die verbale Abgrenzung gegen rechts wird nicht reichen, um aus der Defensive zu kommen.

Der britische Labour-Premierminister Keir Starmer Foto: Hannah McKay/reuters

D er britische Labour-Premierminister Keir Starmer hat seinen Parteitag politisch überlebt. Das war nach den Turbulenzen der vergangenen vier Wochen nicht unbedingt zu erwarten. Nur ein gutes Jahr nach der Amtsübernahme ist Keir Starmer der unbeliebteste britische Premierminister seit fünfzig Jahren; seine Partei verharrt im Umfragekeller, und in den Medien jagt ein Skandal aus Starmers direktem Umfeld den anderen.

Mit dem Rücken zur Wand zu stehen, kann den Blick schärfen. Im politischen und gesellschaftlichen Alltag steht der Feind rechts: Nigel Farage und seine Partei Reform UK, die alle Umfragen anführt und momentan fast alle Nachwahlen gewinnt. Diese Konfrontation erleben Labour-Aktivisten in jedem Straßenwahlkampf, und sie brauchen dafür politische Orientierung.

Dem populistischen Farage-Höhenflug entschlossen entgegenzutreten und den Kampf gegen die Rechten auszutragen, ist für eine sozialdemokratische Regierungspartei identitätsstiftend. Und es schweißt Labour zusammen – ganz anders etwa als Starmers technokratische Wirtschaftspolitik, die Labour eher gespalten hat.

Bleibt die Frage, was das für die Regierungspolitik heißt. So klar sich die Labour-Regierung jetzt verbal zum Gegenpol der identitären Rechten erklärt, so unklar ist ihre eigene Politik, wenn es um Zuwanderung und Nationalkultur geht. Während die Konservativen zuletzt mit Rishi Sunak einen indischstämmigen Premierminister hatten und aktuell von der aus Nigeria stammenden Kemi Badenoch geführt werden – ein Grund übrigens, warum sie ihre Rolle als rechte Opposition an Reform UK verloren haben –, ist Labour immer noch weiß dominiert.

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Während die Konservativen nach dem Brexit die legale Zuwanderung ankurbelten, ist die Erschwerung von Migration heute Labour-Programmatik. Solange all das so bleibt, wird Labour weiter den Rechten hinterherlaufen, und Farage wird weiter sagen, er könne das alles besser. Geschlossenheit hat Labour auf diesem Parteitag wiedergefunden. Sie mit überzeugenden Inhalten zu füllen, ist nun die nächste Aufgabe.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Nette Reden sind nutzlos. Stamer müsste seine chaotische Politik ändern. Gibt es dafür Anzeichen?