LNG-Terminal in Wilhelmshaven: Chlor in die Nordsee
Damit am neuen LNG-Terminal in Wilhelmshaven keine Muscheln wachsen, will Uniper massenhaft Chemikalien ins Wasser leiten. Umweltverbände protestieren
Bislang unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfungen für Wilhelmshaven und alle weiteren LNG-Projekte müssten umgehend nachgeholt werden. Ihr Betrieb dürfe zugelassen werden, wenn der Eintrag von Schadstoffen auf „das absolut notwendige Minimum“ reduziert werde. Die „Höegh Esperanza“ soll ab Jahresende über Wilhelmshaven Flüssigerdgas importieren, das russische Lieferungen ersetzen soll. Sie ist ein wichtiger Teil des Plans der Bundesregierung, Deutschland unabhängig von russischem Gas zu machen.
Der Brennstoff wird nach seiner Rück-Umwandlung in einen gasförmigen Zustand ins Gasnetz eingespeist. Ziel ist ein Umschlag von bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr, etwa 8,5 Prozent des deutschen Gasbedarfs. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz hatte bekanntgegeben, dass Uniper die Einleitung von jährlich bis zu 178 Millionen Kubikmeter mit Bioziden behandeltes Seewasser beantragt hatte.
Biozide – in diesem Fall Chlor – sind Chemikalien zur Bekämpfung von Schädlingen. Uniper will damit in Wilhelmshaven den Bewuchs der sogenannten Regasifizierungsanlagen durch Muscheln oder Seepocken verhindern.
Gerade wegen dieser Einleitung von Bioziden habe die „Höegh Esperanza“ an ihrem vorher geplanten Einsatzort am Projekt Crib Point LNG im australischen Bundesstaat Victoria im Jahr 2021 keine Betriebserlaubnis erhalten, berichtet die DUH. In der Umweltprüfung der dortigen Behörden, die der Umwelthilfe vorliege, sei die „Höegh Esperanza“ durchgefallen. Das Schiff entspreche nicht dem Stand der Technik. Das gesamte LNG-Projekt sei daraufhin abgesagt worden.
Langfristige Auswirkungen befürchtet
Die in Deutschland geplanten LNG-Terminalprojekte profitieren laut DUH allesamt von verschiedenen Ausnahmeregelungen, die im LNG-Beschleunigungsgesetz formuliert wurden. Für die schwimmenden Terminalschiffe wurde dafür auch die Umweltverträglichkeitsprüfung gestrichen. Durch weitere Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz sei jüngst festgelegt worden, dass auch die Einleitung schädlicher Abwässer in der Regel als unschädlich gilt. Eine Pflicht zur individuellen Prüfung einer solchen Einleitung auf die Umwelt sei damit nicht mehr nötig. Dies hatte die DUH bereits im Gesetzgebungsverfahren bemängelt.
Laut Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) wurden für Wilhelmshaven „verschiedene Gutachten“ in Auftrag gegeben, die sich auch mit möglichen Umweltauswirkungen befassen. Vergleiche mit dem australischen Standort bewertet Lies als unseriös: „Wir kennen die Rahmenbedingungen in Australien nicht, um beide Standorte sinnvoll vergleichen zu können.“
Die Umwelthilfe räumt ein, dass es mit Blick auf den Biozid-Eintrag durch die „Höegh Esperanza“ und die Wirkung auf die umliegenden Schutzgebiete wie den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zwar einzelne Untersuchungen gab. Eine Konzentrationswirkung der Schadstoffe sei aber nur für einen Zeitraum von zwölf Wochen berechnet worden.
Uniper habe jedoch einen unbegrenzten Betrieb des LNG-Terminalschiffes beantragt, so dass langfristige Auswirkungen zu befürchten seien. Auch seien keine tatsächlichen Messwerte, sondern nur Annahmen für die Emissionen der „Höegh Esperanza“ verwendet worden. Uniper selbst ließ eine Anfrage der taz unbeantwortet.
Chlor kann krank machen
Die Einleitung von Chlor habe gravierende Folgen, betont Müller-Kraenner. Die Abbauprodukte begünstigten die Entstehung von Krebs, Mutationen und beeinträchtigten die Fortpflanzungsfunktionen: „Das alles soll in unmittelbarer Nähe von Wattenmeer und Jade als besondere Schutzgebiete von internationaler Bedeutung geschehen.“ So wichtig die Herstellung von Versorgungssicherheit auch sei – „wir dürfen die Augen vor möglichen Umweltfolgen der LNG-Anlagen nicht verschließen.“
„Die ‚Höegh Esperanza‘ hat die Bundesregierung offenbar von der Resterampe, nachdem das LNG-Terminalschiff in Australien keine Umweltzulassung erhalten hatte“, sagt DUH-Experte Constantin Zerger. Die DUH forderte die Bundesregierung auf, die entsprechenden Gesetzesänderungen wieder rückgängig zu machen.
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