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LNG-Terminal auf RügenFerieninsel wird flüssig

Auf Rügen darf künftig Flüssiggas entladen werden, hat der Bundestag am Freitag beschlossen. 2024 soll das Terminal in Betrieb gehen, die Landresregierung ist dagegen.

Fester Standort für Flüssiggas-Abbau: Mukran bekommt LNG-Terminals Foto: dpa/Stefan Sauer

Berlin reuters | Trotz Widerstands örtlicher Gemeinden und des Landes Mecklenburg-Vorpommern kann auf Rügen künftig Flüssiggas (LNG) entladen werden. Der Bundestag beschloss am Freitag mehrheitlich eine Reform des LNG-Beschleunigungsgesetzes, in dem nun der Ort Mukran auf der Ostseeinsel verankert wird.

Nach den Planungen des Bundes sollen dort zwei schwimmende LNG-Terminals mit einer Jahreskapazität von zehn Milliarden Kubikmeter Gas stationiert werden. Ziel ist es, dass das Terminal für die Versorgung im Winter Anfang 2024 zur Verfügung steht. Die Schiffe sollen privatwirtschaftlich von der Deutschen Regas betrieben werden. Die Bundesregierung will damit die Gasversorgung auch im kommenden Winter sichern.

Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) warnte im Bundestag mit Blick auf die Versorgungssicherheit allerdings: „Wir sind noch nicht durch.“ Der Bund müsse immer abwägen und hier weitere Sicherheitspuffer haben. Habeck sagte, ihm sei bewusst, dass das Projekt vor Ort hochumstritten sei.

Die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hatte diese Woche ihre Kritik erneuert und sich gegen die Pläne der Bundesregierung gestellt. Laut Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) fehlen dem Land verbindliche Zusagen des Bundes zur Förderung der Region.

Schiffe gegen Gasnotstand

Der CDU-Politiker Oliver Grundmann sagte, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ziehe hier die Strippen: „Eine Ferieninsel wird LNG-Standort. Basta.“ Auch der AfD-Politiker Leif-Erik Holm kritisierte die Regierung: „Der Tourismus steht auf der Kippe.“ Im vergangenen Jahr habe es auf Deutschlands beliebtester Insel 1,3 Millionen Gäste gegeben. Das LNG-Terminal werde aber Stress für Menschen und Natur bedeuten.

In namentlicher Abstimmung votierten am Freitag 370 Abgeordnete für den Gesetzentwurf. 301 Parlamentarier waren dagegen, vier enthielten sich. Die Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP hatten zuvor ihre Zustimmung signalisiert, alle Oppositionsparteien wollten dagegen stimmen.

Schwimmende Terminals sind bereits bei Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin in Betrieb und haben geholfen, einen Gas-Notstand nach dem Aus russischer Lieferungen im vergangenen Winter zu verhindern. Die weggefallenen Mengen sollen durch zusätzliche Schiffe in Lubmin und Wilhelmshaven erweitert werden, dazu kommt ein weiterer Standort vor Stade.

Ab 2026 sollen drei Standorte durch feste Terminals ersetzt werden, in denen das Flüssiggas nicht auf den Spezialschiffen, sondern an Land in den Gas-Zustand zurückversetzt wird. Sie haben dann auch eine höhere Kapazität.

10 Milliarden für den Ausbau

Zwar sind die Gasspeicher für den Winter bereits jetzt zu über 80 Prozent gefüllt. Aber selbst komplett volle Speicher zusammen mit den bestehenden LNG-Terminals gelten für die Winterversorgung unter bestimmten Umständen als nicht ausreichend.

Ursprünglich sollten LNG-Schiffe auch vor Sellin auf Rügen ankern. Darauf wird Regierungskreisen zufolge nun aber verzichtet. Eines der beiden Flüssiggas-Schiffe der Deutschen Regas soll zudem von Lubmin abgezogen und vor Mukran stationiert werden.

Die Kosten für den Umbau eines großen Teils der Erdgasversorgung auf Flüssiggas soll staatlich mit rund zehn Milliarden Euro finanziert werden. Der Bund erwartet allerdings über Gebühren zur Nutzung der Schiffe und Leitungen Rückflüsse.

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10 Kommentare

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  • Ja, das stärkt as Vertrauen in Politik. Bravo!



    Die Landesregierung möchte das nicht und die Insulaner schon gar nicht.

    Trotzdem wird es durchgezogen. Schliesslich muss das mit Schweröl transportierte und mit Fracking geförderte Gas unser Freunde ja unter die Leute.

    Ist alles sehr klimaneutral und sonnig grün.

    Hurra, wir retten das Klima!

  • Bravo Bundesregierung: Ökologie spielt offensichtlich keine Rolle mehr, wenn die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort systematisch verschlechtert werden. Wieder wird über die Köpfe hinwegregiert unter dem Motto: Energieversorgung sichern, koste es was es wolle. Dass dabei menschliche Existenzen auf dem Spiel stehen, interessiert in Berlin offensichtlich niemanden mehr. Die Entwertung der Lebensbedingungen und wirtschaftlich-touristischer Infrastruktur vor Ort wird ignoriert. Interessant ist das Abstimmungsergebnis: von 416 möglichen Stimmen der Regierungsparteien bekam dieses katastrophale Projekt lediglich 370 Stimmen, von 320 möglichen Oppositionsstimmen waren immerhin 301 dagegen. Immerhin haben auch 3 SPDler und 7 B90/Grüne neben einigen Enthaltungen dagegen votiert. Unser Dank gilt den mutigen Abweichlern, auch wenn es in diesem Fall nichts gebracht hat.

  • Also das Naturereignis Rügen derart damit zu belasten finde ich schon sehr fragwürdig. Ich erkenne die Grünen kaum noch wieder. Gab es eine ausreichende Suche für Alternativen?

  • Rügen will keine Terminals, Bayern keine Windräder - aber jeder will genug Strom und Heizungsenergie.

    • @Rudi Hamm:

      Da gäbe es wohl durchaus Alternative, wenn denn ernsthaft danach gesucht würde. Aufgrund der Überkapazität wäre aktuell genug Zeit dafür vorhanden. Warum solch ein Terminal direkt gerade an diesem naturerhaltenden Standort? Es gäbe doch genügend Häfen entlang der Ostsseeküste, falls nicht schon grundsätzlich darauf verzichtet wird und das Geld besser den Menschen vor Ort für den Bau von PV- und Windanlagen zur Verfügung gestellt würde.

    • @Rudi Hamm:

      Die terminals mit Windrädern zu vergleichen ist sehr naiv.

  • Und wieder einmal ist Meck-Pom in Gestalt von Manuela Schwesig nicht in der Lage oder Willens über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken. Es muss hierzulande gar kein Gasnotstand eintreten, es reicht, wenn dieser in den vertraglich gebundenen Ländern wie Österreich, Tschechien und ein paar mehr passiert. Dann steht Deutschland in der Pflicht und muss liefern.

    Der Reflex aus dem Nordosten zeigt, dass Schwerin sich immer noch als Insel versteht. Europa ist fern, vor allem wenn man selber Einschränkungen für andere einüben muss.



    Vor allem zeit diese Nimby-Mentalität, dass man die Zeitenwende im Nordosten so wenig als Chance zu diversifizieren versteht wie in Bayern.

    • @rakader:

      Dabei könnte die Diversifizierung auch anders aussehen.



      Zudem reichen die derzeitigen Kapazitäten bereits um die Verpflichtungen an unsere Anrainer zu erfüllen. Warum also noch mehr Zerstörung produzieren? Wo bleiben die staatlichen Investitionen in Energiesparpotentiale? Warum wird der Förderdeckel des BAFA um die Hälfte gekürzt? Um mehr Bürger mit der Förderung zu beglücken aber keinen Anreiz mehr zu bieten?

      • @Sonnenhaus:

        Ihre Aussage halte ich für ein aktivistisches Gerücht. Nach derzeitiger Lageeinschätzung der Deutschen Energieagentur reichen die Kapazitäten nicht. Wenn der Angriffskrieg eines gezeig hat, dann, dass es Puffer braucht. Die Zeiten von Oberkante Unterlippe sind vorbei. Hobeck handelt umsichtig, Schwesig nicht.

      • @Sonnenhaus:

        Ich vermisse nach wie vor und immer wieder eine Kommunikation, die den Leuten sagt, daß sie sparen müssen. Nur das kann eine Lösung sein - aber niemand tut es. Ganz Europa/die wohlhabende Welt will es "einfach so wie immer" haben und die erste Quittung haben wir gerade vor der Haustür. Was rechnen sich die Leute eigentlich aus vom Leben ? Bloß nicht einschränken - lieber morgen beim einsteigen in den vorgeheizten SUV den finalen Hitzschlag bekommen. Wir leben in Orwellschen Zeiten : Blau ist die Wahrheit, Konsum die Rettung - warum sind die Leute alle dermaßen abgehoben von der realen Welt und dermaßen verblödet ?